Die geplante Schließung des Krankenhauses ist das beherrschende Thema in der Linzgaustadt und immer mehr Widerstand formiert sich. Die Hospizgruppe Pfullendorf hat Landrätin Stefanie Bürkle einen Brief übergeben. „Bitte erhalten Sie unser Krankenhaus Pfullendorf“, lautet die Überschrift des Schreibens, das vom gesamten Vorstandsteam unterzeichnet ist.
Hospizgruppe: „Nicht nur von Umsatzzahlen und Fallzahlen leiten lassen!“
In dem Brief konfrontiert die Hospizgruppe sowohl Landkreis wie SRH mit deren Selbstverständnis, bezüglich der medizinischen Versorgung im Landkreis Sigmaringen, wie es auf den jeweiligen Homepages veröffentlicht ist. „Und nun ist diese Ideologie nichts mehr wert?“, fragen die Pfullendorfer und kritisieren, dass sich die Entscheidungsträger von „Umsatzzahlen und Fallzahlen leiten lassen.“ Man müsse hinter all diesen Zahlen und Fakten auch noch den Menschen mit seinen Ängsten und seiner Not sehen, verweist die Gruppe auf die Erfahrungen während der Corona-Einschränkungen. Dabei sei doch deutlich geworden, wie „unmenschlich es ist, wenn der Patient von seinem Umfeld isoliert wird.“
Sichere ärztliche Versorgung sicherstellen
Von einem „einsamen und angstvollen Sterben für die Gehenden und unermesslicher Hilflosigkeit und Leid für die Hinterbliebenen“, berichten die Hospizhelfer. Eindringlich appellieren sie in ihrem Brief, nicht nur „schwarz und weiß“ zu sehen, sondern eine Lösung für eine sichere ärztliche Versorgung in Pfullendorf zu finden. Eine Möglichkeit könnte sein, die Bürger, Ärzte, Rettungsdienste und Feuerwehr in eine Ideenfindung einzubeziehen: „Sie alle könnten dies von der menschlichen und leistbaren Seite aus besser einschätzen, als die Buchhalter und Gutachter der SRH.“
Kreistag gibt seine Zustimmung für Zweitgutachten
Einstimmig votierten die Mitglieder des Kreistages bei der Sitzung am Montag in der Sandbühlhalle in Bingen für ein Zweitgutachten, das von der in München ansässigen Firma WMC Healtcare GmbH bis Jahresende fertiggestellt sein soll. Der Landkreis übernimmt 75 Prozent der Kosten und der Spitalfonds, der am 21. Oktober in der Gemeinderatssitzung (Stadthalle, 18 Uhr) entscheidet, soll 25 Prozent tragen.
Gewerkschaft Verdi organisiert wieder Protestaktion
Die Kreistagsmitglieder mussten vor der Sitzung durch ein Spalier aus Plakaten und Transparenten von etwa 20 Demonstranten in die Halle. Bei der von Verdi organisierten Aktion protestierten SRH-Beschäftigte gegen die geplante Schließung von Pfullendorf und Bad Saulgau und machten ihrem Unmut, Wut und Ärger Luft.
Als „verantwortungslos“ wurde die Schließungsempfehlung für die kleineren Häuer bezeichnet, wogegen sich später SPD-Fraktionschef Matthias Seitz namens des gesamten Gremiums verwahrte: „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst.“ Durch das Zweitgutachten gewinne man Sicherheit, das richtige zu tun, machte Seitz klar, dass eine Lösung für den gesamten Landkreis gesucht werde.
Freie Wähler: Kliniken sind für Wirtschaftsstandort von großer Bedeutung
Doris Schröter, Bürgermeisterin von Bad Saulgau und Fraktionschefin der Freien Wähler, kritisierte, dass das erste Gutachten außer der Schließungsempfehlung keine Perspektiven für die Krankenhäuser Pfullendorf und Bad Saulgau enthielt. Die Kliniken seien für den Wirtschaftsstandort von großer Bedeutung, und der kleine Landkreis Sigmaringen könne es sich nicht leisten, dass die Wirtschaftsstandorte Pfullendorf und Bad Saulgau schwächeln. Sie erwarte vom weiteren Gutachten eine objektive und differenzierte Betrachtung, in der auch die „Chancen beleuchtet werden. Die stationäre Krankenhausversorgung sei eine Pflichtaufgabe des Landkreise und gegebenenfalls müsse der Kreis sich finanziell engagieren und zeitweise ein Defizit der Kliniken übernehmen.
„Zentralisierung nicht mit aller Macht vorantreiben“
CDU-Mitglied Thomas Zimmerer zitierte aus dem „Deutschen Ärzteblatt“, wonach es ab 2022 für Krankenhausstandorte im Ländlichen Raum jährlich 400 000 Euro Zuschuss gebe. Die SRH mahnte er an, Pfleger und Ärzte nicht einseitig zu informieren und vor allem nicht die Zentralisierung mit Macht voranzutreiben. Er nahm damit Bezug auf die Information von SRH-Geschäftsführer Jan-Ove Faust, dass man aufgrund der steigenden Corona-Fallzahlen in Bad Saulgau zwei Stationen zusammenlege und Personal nach Sigmaringen verlege. Ähnliche Pläne gebe es für Pfullendorf.
Finanzielle Beteiligung des Landkreises als Option
„Die Möglichkeiten des Kreistages werden überschätzt“, erklärte Hermann Brodmann (Grüne), dass man sich finanziell nicht „ganz raushalten könne“, aber der Landkreis müsse investitionsfähig bleiben. Den Reigen der Wortmeldungen hatte Jochen Spieß für die CDU-Fraktion eröffnet, der fragte, was man den Kommunen noch alles zumuten wolle und könne. Die Verantwortung für die Unterfinanzierung der Krankenhäuser trage die Bundespolitik durch die Fallpauschalabrechnung. Er hoffe, „dass wir beim Zweitgutachten dazulernen“, mahnte Spieß mehr Effizienz und Transparenz bei dieser Entscheidung an, die allen sehr nahe gehe.
Hoffnung auf neue Ideen im Zweitgutachten
„Es fällt brutal schwer, Veränderungen zu denken“, ist Landrätin Stefanie Bürkle überzeugt, dass angesichts veränderter Rahmenbedingungen das bisherige Krankenhauskonzept nicht mehr trägt. Sie erhofft sich vom Zweitgutachten neue Ideen, wobei Nachnutzungskonzepte für die kleineren Standorte in der Aufgabenbeschreibung enthalten seien. Für SRH-Geschäftsführer Jan-Ove Faust ist es unumgänglich die „Kräfte zu bündeln“, auch um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben und Spezialisten für das Krankenhaus zu gewinnen. SRH, deren Auftrag die Sicherung der stationären Versorgung sei, wolle sich aktiv bei der ambulanten Versorgung im Landkreis einbringen, wobei beide Versorgungsbereiche gleichwertig betrachtet werden müssten.
Grüne Landtagsabgeordnete wehrt sich gegen Kritik des VdK-Ortsverbandes Pfullendorf
Die grüne Landtagsabgeordnete Andrea Bogner-Unden wehrt sich in einer Pressemitteilung gegen die Kritik des VdK-Ortsverbandes, der ihr und dem CDU-Abgeordneten Klaus Burger bezüglich der Krankenhausproblematik vorgeworfen hatte, „komplett in der Versenkung verschwunden zu sein.“ Sie kümmere sich, entgegen der Behauptung des VdK, intensiv um zukünftige Nutzungsmöglichkeiten der Krankenhäuser, deren ärztlicher Besetzung und um eventuelle finanzielle Unterstützung des Landes für eine Umstrukturierung“, listet Bogner-Unden auf, dass sie in der vergangenen Woche Gespräche mit Landrätin Stefanie Bürkle, Bürgermeisterin Doris Schröter von Bad Saulgau, Dr. Ulrich Fechner von der Kassenärztlichen Vereinigung, dem grünen Fraktionsvorsitzenden Johannes Kretschmann und mit Sozialminister Manne Lucha geführt habe: „Von in der Versenkung verschwinden kann daher keine Rede sein.“
Vertraulichkeit bei Gesprächen muss gewährleistet sein
Dass diese Gespräche nicht öffentlich stattfinden und eine gewisse Vertraulichkeit gewährleistet sein müsse, steht nach Überzeugung von Andrea Bogner-Unden nicht zur Debatte. Um hier ein gutes Ergebnis zu erreichen, sollten alle Ebenen solidarisch zusammenarbeiten, erklärt Bogner-Unden abschließend, dass gegenseitige Vorwürfe, wie die von VdK-Chef Karl-Heinz Fahlbusch, deshalb kontraproduktiv seien.