Applaus brandete in der Göge-Halle auf, nachdem der Internist Michael Merz, Belegarzt am Krankenhaus Bad Saulgau, seine donnernde Agenda wider den Schließungsplänen vorgebracht hatte. Rund 250 Besucher, darunter viele SRH-Beschäftigte, verfolgten die vierstündige Informationsveranstaltung, bei der Geschäftsleitung, Gutachter und Gesellschafter die Situation der SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH erläuterten und sich den Fragen des Publikums stellten.

Vertreter auf dem Podium bleiben äußerlich ruhig

Obwohl manche Frage oder Statement harsch bis scharf formuliert wurde, blieb das Podium mit Landrätin Stefanie Bürkle, Bürgermeister Thomas Kugler, Christian Heitmann von der Unternehmensberatung Curacon sowie den SRH-Vertretern mit dem Vorstandsvorsitzenden der Holding, Christof Hettich, sowie den Geschäftsführern Jan-Ove Faust und Werner Stalla äußerlich ruhig und geduldig. Vor der Halle hatten sich Dutzende SRH-Beschäftigte an einer Verdi-Protestaktion beteiligt.

SRH-Geschäftsführer widerspricht Notfallarzt

„Das Krankenhaus in Bad Saulgau liefert gute Qualität und, wenn man uns lässt, ist es absolut überlebensfähig“, warf Merz der SRH-Geschäftsleitung Unkreativität vor. Als Leiter der Notarztversorgung der Kassenärztlichen Vereinigung prophezeite er zudem das Aus für die Notfallpraxis und fragte, wie Sigmaringen die zusätzlichen Patienten aus Bad Saulgau und Pfullendorf überhaupt „auffangen“ will.

Mehr als 220 Besucher waren in der Göge-Halle, unter Einhaltung der Corona-Regeln. Weitere verfolgten die Debatte im Foyer oder vor der ...
Mehr als 220 Besucher waren in der Göge-Halle, unter Einhaltung der Corona-Regeln. Weitere verfolgten die Debatte im Foyer oder vor der Halle auf Leinwänden. | Bild: Volk, Siegfried

Heftig widersprach SRH-Geschäftsführer Jan-Ove Faust, der zehn Jahre als Notarzt im Einsatz war, auf die Einlassung, dass diese Versorgung gefährdet sei, denn im Notfall sei nicht das nächst gelegene Krankenhaus das beste Krankenhaus. Faust räumte ein, dass auch in Sigmaringen nicht alles optimal laufe und dort Patienten über Nacht auf Fluren lagen: „Aber seit einem Jahr gibt es das nicht mehr.“

Spitalfonds Pfullendorf stimmt aktuellen Plänen nicht zu

Beifall erhielt auch Bürgermeister Thomas Kugler, als er erklärte, dass der Spitalfonds Pfullendorf als kleinster Gesellschafter der SRH GmbH den „aktuellen Plänen“ nicht zustimmen wird. Das Gutachterergebnis sei schockierend, voller „brutaler Einschnitte“, und trotzdem werde man keine „blinde Blockadepolitik“ betreiben, denn die Klinik müsse zukunftsfähig sein. Deshalb fordere man ein zweites Gutachten, denn es gebe noch offene Fragen und womöglich habe man nicht alle Chancen beleuchtet. „Manche Herleitung ist auch nicht nachvollziehbar“, will Kugler „jeder Möglichkeit eine Chance geben.“

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SRH-Chef versichert, dass man die bestmögliche Gesundheitsversorgung im Blick hat

Aus Heidelberg war der oberste SRH-Chef Christof Hettich angereist und versicherte mehrfach, dass die Sicherung der bestmöglichen medizinischen Versorgung für die Kreisbürger das Motiv für den Gutachterauftrag war: „Wir sind nicht vom ökonomischen Standpunkt gestartet.“ Das Ergebnis bedeute eine große Zumutung, aber nur mit einem starken Zentrum lasse sich die Gesundheitsversorgung sichern, mahnte Hettich eine zügige Entscheidung an. „Lasst uns Gas geben. Jeder zusätzliche Monat verbrennt Geld, das wir für die falschen Dinge ausgeben“, gab es vom SRH-Chef zum Ende der Diskussionsrunde den Hinweis, dass der Landkreis froh sein müsse, über einen starken Klinikstandort zu verfügen.

Experte konstatiert, dass nicht alle drei Klinikstandorte mit ausreichend Fachpersonal versorgt werden können

Zuvor hatte Curacon-Gutachter Christian Heitmann erläutert, dass eine optimale Klinikgröße ab 500 Betten beginne, was von der Politik durch entsprechende Rahmenbedingungen befördert werde. „Sie können keine drei Standorte mehr mit Fachpersonal versorgen“, so der Experte, was wiederum zu kritisch kleinen Fachabteilungen führe. Bei der stationären Patientenversorgung sei der Marktanteil von 70 Prozent im Landkreis nicht mehr zu steigern, und die Fallzahlen würden sich durch die Ambulantisierung um bis zu zehn Prozent verringern. „Und politisch ist die Notfallversorgung an kleinen Krankenhäusern nicht mehr erwünscht“, ergänzte Heitmann, dass Pfullendorf und Bad Saulgau gar nicht als Notfallstandorte ausgewiesen sind, was SRH jährlich einen Verlust von 430 000 Euro beschert.

Investitionsbedarf in Pfullendorf und Bad Saulgau wird mit 30 Millionen Euro angegeben

Auf die Publikumsfrage, wie hoch denn der Investitionsbedarf in Pfullendorf und Bad Saulgau wäre, nannte er die Summe von 30 Millionen, vornehmlich für Technik, Stationssanierung, Brandschutz bis hin zur Fassadensanierung, wofür es keine Fördermittel gebe und die Häuser diese Investition selbst erwirtschaften müssten. „Wir haben ein maximales Interesse an der Nachnutzung“, versicherte Geschäftsführer Werner Stalla, wobei Thomas Kugler zuvor informiert hatte, dass die Gebäude der GmbH gehören und bei einem Leerstand in Pfullendorf das Haus nicht automatisch an die Stadt fallen würde. Stalla und Hettich versicherten, dass man allen betroffenen Mitarbeitern ein Arbeitsangebot machen wolle: „Wir brauchen Sie!“

Landrätin erteilt Rekommunalisierung der Klinik eine Absage

Eine klare Absage erteilte Landrätin Bürkle der Idee von Raphael Osmakowski-Miller, die Kliniken wieder in die Obhut des Landkreises zu nehmen: „Eine Rekommunalisierung ist kein ernsthaftes Thema!“ Andere Landkreise hätten diesen Weg beschritten und Jahre später bitter für den Fehlschlag bezahlt. „Weitermachen geht so nicht mehr“, ist die Kreischefin überzeugt, wobei man nun in den Diskussionsprozess einsteige, wohlwissend, dass dies „ein schwerer Weg für den Kreis Sigmaringen ist“.

Tempo der Zentralisierung beschleunigt sich

Quasi ein Plädoyer für die Zentralisierung gab es vom Hauptgeschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Baden-Württemberg, Matthias Einwag, der an einer Karte zeigte, dass der Konzentrationsprozess in der Kliniklandschaft bundesweit anhält und sich das Tempo beschleunigt. Im Nachbarkreis Biberach wurden die kleinen Häuser in Riedlingen und Laupheim geschlossen; stattdessen ein millionenteurer Neubau erstellt. Im Zollernalbkreis werden die Standorte Balingen und Albstadt zusammengelegt und im Kreis Lörrach werde eine Klinik die bisherigen vier Standorte ersetzen.

„SRH ist ein guter Arbeitgeber.“
Christof Hettich, SRH-Holding

Eine junge Frau erklärte unter Beifall: „Bad Saulgauer gehen nicht nach Sigmaringen.“ SRH-Chef Hettich bemühte sich um Fassung, ob solch „alter Themen“, wie er sagte, und erklärte, dass die Zentralisierung eine von der Politik bundesweit gewollte Entwicklung sei. Den Vorwurf, dass SRH ein schlechter Arbeitgeber sei, bezeichnete er als „diskreditierend“ und verwies auf halbjährlich durchgeführte anonymisierte Mitarbeiterbefragen, die eine hohe Zufriedenheit der Belegschaft bescheinigen. Bezüglich der Bezahlung habe man einen wettbewerbsfähigen Tarifvertrag, ergänzte Werner Stalla.

Gutachter erteilt Status-Quo eine klare Absage

Bei der Schlussrunde des souverän agierenden Moderators Markus Merkle erklärte Curacon-Experte Heitmann unmissverständlich: „Die Zukunft der guten stationären Versorgung liegt nicht im Status Quo.“ Die Verdi-Mitglieder packten ihre Protestplakate ein und viele Grüppchen diskutierten trotz fortgeschrittener Zeit noch über das Gehörte.