Corona hat die Gastronomie im Würgegriff. Restaurants, Cafés, Hotels und Bars verzeichnen nie dagewesene Umsatzeinbrüche. Auch bei Pfullendorfer Wirten ist die Zukunftsangst im für sie zweiten Lockdown groß.

Im Jahr 2016 eröffneten Oliver und Tanja Guffler die Pizzeria „Leone“ in Pfullendorf. Berufserfahrung hatte der gebürtige Mazedonier in einem italienischen Lokal in München gesammelt. Das „Leone“ gewann mit der Zeit immer mehr Gäste und florierte. Angesichts der guten Zahlen, kam dem Ehepaar die Idee, das Lokal zu kaufen statt zu pachten. Doch dann brach Corona über die Gastronomie herein – und alles wurde anders. „Den ersten Lockdown haben wir ganz gut überstanden“, berichtet Guffler. Im zweiten Teil-Lockdown setzt er auf Abholservice.
Ungewissheit erschwert die Zukunftsplanung
Nachdem nun zum zweiten Mal nur noch das Abholen von Speisen möglich ist, macht das Ehepaar fast alles selbst – lediglich der Pizzaofen bleibt Domäne von Robert Tadic, der inzwischen der einzige weitere Mitarbeiter ist. „Wir haben noch Rücklagen, den November überstehen wir und vielleicht einen weiteren Monat“, bekennt Oliver Guffler. Sollte das Lokal danach weiter geschossen bleiben, weiß er noch nicht, wie es weitergehen soll. „Das Schlimmste ist die Ungewissheit“, meint er.

Das sieht auch Kahraman Celik so. „Wenn man wenigstens wüsste, wie es in den kommenden Monaten weitergeht, dann könnte man reagieren“, sagt er. Celik hatte Mut bewiesen und mitten in der Pandemie, am 1. Juni, das ehemalige „Celentanos“ übernommen. Mit Burgern, Salaten und auch Tagesgerichten konnte er bei den Gästen punkten und mit „KC Kitchen“ über die Sommermonate hinweg gute Einnahmen verzeichnen, wie er berichtet.
Meilenweit von einer Kostendeckung entfernt
Doch im Teil-Lockdown ist alles anders geworden. „Wir sind derzeit meilenweit davon entfernt, mit den wenigen Einnahmen die Ausgaben decken zu können“, bedauert Kahraman Celik. Doch aufgeben will er nicht und bietet abends ab 17 Uhr von Donnerstag bis Sonntag seine Burger-Kreationen zum Mitnehmen an. Für Herbst und Winter, von denen er erahnen konnte, dass diese Monate auch ohne Lockdown nicht einfach zu überstehen sein würden, hatte er sich ein neues Konzept für das „KC Kitchen“ überlegt, das auch Ausstellungen mit einschloss. Das Konzept ist ist in der jetzigen Situation geplatzt, in welcher Höhe Zuschüsse für das noch neue Lokal möglich sind, ist noch nicht geklärt und neue Kredite möchte er nicht aufnehmen.
Auch die Traditionsbetriebe leiden unter dem Lockdown
Nicht nur Neulinge in der Gastronomie, auch Traditionsbetriebe trifft der Teil-Lockdown hart. Birgit Stadler betreibt seit 16 Jahren die Gaststätte „Zum Hirschen„ in Strass. Sie führt das Lokal in der dritten Generation. „Der Hirsch“ ist ein Gasthaus im besten Sinne, in dem sich Stammkunden, Vereine und zahlreiche Stammtische aus der näheren Umgebung seit Jahrzehnten wohlfühlen – und mittendrin die Wirtin, die sich wohlfühlt in diesem herzlichen Miteinander.

Deshalb stehen für Birgit Stadler, die weder durch Pacht, noch Kredite belastet ist, nicht die finanziellen Einbußen während des ersten Lockdowns und zweiten Teil-Lockdowns im Vordergrund, obwohl dieser Aspekt auch schmerzt. Es ist aber vielmehr das Zusammensein mit ihren Gästen, von denen sie viele jahrzehntelang kennt, das ihr fehlt. „Ich vermisse meine Gäste einfach“, sagt sie.
Freitags bis sonntags können abends (sonntags auch mittags) Speisen, wie Hähnchen und Wurstsalat, im Gasthaus abgeholt werden. Für Birgit Stadler, die ganz alleine Küche und Abholservice schmeißt, eine logistische Herausforderung. „Ich musste mich neu organisieren“, schildert sie. Das habe sie aber gerne in Kauf genommen, wenn sie im Gegenzug ihre Gäste wieder treffen kann und auch von diesen die Rückmeldung erhält, wie froh sie sind, mit ihrer „Biggi“ wenigstens kurz reden zu können und das Essen vom „Hirschen“ immerhin „to go“ genießen können.
Mitarbeiter mussten in Kurzarbeit geschickt werden
Aline Witschel betreibt mit dem „La Maison du Lac„ und dem „Café Moccafloor“ gleich zwei Lokale in Pfullendorf. Der erste Lockdown hatte Auswirkungen: „Ich habe drei Mitarbeiter, die in Kurzarbeit gehen mussten. Mitarbeiter mit Minijob konnten keinen Ausgleich bekommen. Ihnen ist der Lohn komplett weggefallen“, bedauert die Gastronomin. Danach habe sie die Mitarbeiter zunächst wieder eingestellt, nun stehe das Team aber vor der gleichen Situation. Zwei Gefühle beherrschen Aline Witschel in der jetzigen Situation. Zum einen habe man mehr Zeit und sei dadurch sich selbst, der Familie und Freunden näher. „Dagegen steht für mich die Existenzangst“, schildert sie.
Mit neuen Ideen die schwere Zeit überwinden
Die Gastronomin gibt nicht auf und hat die Öffnungszeiten im „Mocccafloor“ dem Bedarf angepasst. „Wenn die Menschen sich nicht raus wagen, brauchen wir nicht den ganzen Tag öffnen“. sagt Witschel. Deshalb gibt es Angebote zum Mitnehmen zu reduzierten Zeiten. Zum Markttag am Dienstag etwa gibt es von 10 bis 14 Uhr Getränke und Essen „to go“. Darüber hinaus hat das Team einen Shop auf die Beine gestellt, in dem Postkarten, Dekoartikel, Nudeln, Kleider, Kissen, Masken, Secondhandkleidung und Vintage-Möbel gekauft werden können. „Derzeit versuchen wir, eine Ausnahmegenehmigung für den Verkauf von Kuchen zum Mitnehmen zu bekommen. Bislang darf nur von Meistern gebackener Kuchen zum Mitnehmen angeboten werden“, schildert sie ihre Zukunftspläne.
„Den Mut nicht verlieren und Unterstützung in Anspruch nehmen“
Wie schlimm die Lage bei der Gastronomie im Landkreis ist, darüber hat sich der SÜDKURIER bei Josef Ermler, Vorsitzender des Kreisverbands Sigmaringen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA), informiert.
Herr Ermler, die Gastronomie ist durch den neuen Lockdown stark gebeutelt. Wie erleben Sie als Kreisvorsitzender des DEHOGA die Situation?
Die Lage der Betriebe hat sich durch den zweiten Lockdown weiter verschärft. Bei einer DEHOGA-Umfrage, an der sich Anfang November 2700 Betriebe aus Baden-Württemberg beteiligt haben, gaben 71,5 Prozent der Umfrageteilnehmer an, dass sie sich durch die Corona-Krise in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sehen. Eine Auswertung auf Kreisebene ist bei dieser Umfrage nicht möglich – allerdings ist davon auszugehen, dass die Lage im Kreis Sigmaringen nicht wesentlich von der allgemeinen Lage in der Branche abweicht. Es geht dem Gastgewerbe extrem schlecht, weil die Betriebe – ohne eigenes Verschulden – erneut geschlossen worden sind und weil schon vor dem zweiten Lockdown landesweit etwa vier Milliarden Euro Verluste aufgelaufen sind. Extrem frustrierend für die Kolleginnen und Kollegen im Kreis ist die Tatsache, dass die angekündigten „Novemberhilfen“ der Bundesregierung (Stand: 19. November) noch nicht einmal beantragt werden können, obwohl die Betriebe schon seit über zwei Wochen im geschlossen sind. Die Ankündigungen von Bundeswirtschaftsminister Altmaier und Bundesfinanzminister Scholz, nach denen Betriebe 75 Prozent vom Umsatz des November 2019 bekommen sollen, waren ja beachtlich und haben auch erkennen lassen, dass die Bundesregierung unserer Branche helfen will. Aber Ankündigungen allein helfen nicht. Das geht alles viel zu langsam. Es muss jetzt endlich Geld fließen!
Mussten Ihrer Erkenntnis nach bereits Gaststätten oder Hotels schließen?
Einen Überblick über Insolvenzen und Betriebsschließungen haben wir nicht. Einzelne Fälle sind uns aber bekannt.
Was empfiehlt der DEHOGA seinen Mitgliedern in dieser schweren Zeit?
Den Mut nicht zu verlieren und die Möglichkeiten der Unterstützung, die es gibt, in Anspruch nehmen, also zum Beispiel die laufenden Hilfsprogramme. Alle Informationen darüber stellt unser Verband den Mitgliedern zur Verfügung.
Ist es möglich, sich mit „To-Go“-Angeboten, also Speisen zum Abholen, über Wasser zu halten?
Das hängt stark von der Lage und auch vom Angebotsprofil des Betriebes statt. In aller Regel werden mit Liefer- und Abholdiensten selten mehr als zehn bis 15 Prozent des „Normalumsatzes“ erreicht. Natürlich helfen diese Einnahmen, aber auf Dauer überleben können damit die wenigsten.
Unterstützt der DEHOGA die Mitglieder dabei, entsprechende Anträge auf staatliche Unterstützung zu bekommen?
Ja, unser Verband hat sich erfolgreich für die Schaffung von Hilfsprogrammen wie zum Beispiel die „Stabilisierungshilfe Corona Gastgewerbe“ des Landes eingesetzt und berät Mitglieder, aber auch deren Steuerberater. Es ist nämlich so, dass die Anträge in der Regel durch einen Steuerberater gestellt werden müssen.
Wie lange kann die Branche den Lockdown durchhalten? Was passiert, wenn der Lockdown verlängert wird?
Wie lange die Betriebe durchhalten, hängt entscheidend davon ab, wenn endlich die angekündigten Novemberhilfen fließen. Und natürlich spielen auch einzelbetriebliche Unterschiede eine Rolle: Wie hoch ist die Pacht? Müssen Kredite bedient werden, zum Beispiel weil der Betrieb in den letzten Jahren investiert hat? Gibt es finanzielle Reserven aus guten Jahren? Die Voraussetzungen der Betriebe, dieser Krise standzuhalten, sind sehr unterschiedlich. Für den Fall, dass der Lockdown verlängert wird, gibt es nur eine Antwort: Dann müssen auch die Hilfszahlungen auf dem angekündigten Niveau der „Novemberhilfe“ verlängert werden.