Wieder hat ein Täuschungsmanöver vor dem hochwohllöblichen Narrengericht vorzüglich geklappt. Der am Abend des „Schmotzigen Dunschtig“ im Schinderkarren ordentlich durchgeschüttelte, auf den Marktplatz geführte Mensch in der Maskerade eines Eichhörnchens, dem Maskottchen der Pfullendorfer Realschule, ist gar nicht der Delinquent. Ein in Meersburg lebender früherer Schüler schlüpfte in diese Rolle und wird bis zum Ende sein wahres Antlitz verbergen.

Der Ritter vom Eichberg vor dem Tribunal

Der eigentliche Angeklagte Holger Voggel, Rektor dieser Schule, tritt zu aller Verblüffung als Ritter vom Eichberg mit Schwert auf die Bühne des Tribunals.

Der „Ritter vom Eichberg“ alias Rektor Holger Voggel bleibt bis zum Ende standhaft.
Der „Ritter vom Eichberg“ alias Rektor Holger Voggel bleibt bis zum Ende standhaft. | Bild: Jutta Mittler

Auch wenn flüchtige Bekannte mit erhöhtem Grauanteil im Skalpsegment diesen Lehrer wohl kaum kennen dürften, ist er ein Magnifikus der ganz besonderen Güte. Die Heerschar von Schülerinnen und Schüler, die mit dem Hemdglonkerumzug einziehen und für einen zum Bersten gefüllten Marktplatz sorgen werden, schätzen ebenso wie die Eltern den Realschulleiter und hochmotivierten Pädagogen über alle Maßen, was nicht nur Schülerin Eliana mit „sehr nett“ treffend zum Ausdruck bringt.

Zahlenjongleur gegen mittelalterliches Rechtsempfinden

So haben es die Initiatoren des Tribunals, Richter Andreas Narr und sein Ankläger Oliver Ritter ungemein schwer, mit ihrem schaurig-mittelalterlichen Rechtsempfinden das Narrenvolk gegen diesen „gewitzten Zahlenjongleur“ auf ihre Seite zu bringen. Der Ankläger verwahrt sich gegen das smarte Äußere des Angeklagten und dessen geschliffener Bildung. So wirft er ihm vor, beim Ochseneinspannen seine Schüler zu puschen und gleichzeitig dafür sorgen, dass nicht alle Narren vor Ort sind, um dies zu vertuschen. „Die Tische biegen sich unter fetten Speisen, kühler Getränke. Und träge sinken Musiker und Narren auf die Bänke, schon wirken die geschmiedeten Ränke!“ Er nennt ihn eine durch und durch verdorbene Kreatur, wirft ihm vor, für sich einen würdigen Schulpalast zu fordern, für die anderen Lehrer ein Bistro inklusive „Wellness-Angebot, ansonsten er mit der Schließung der Schule gar droht“. Oliver Ritter fleht das hohe Gericht förmlich an: „Zieht aus dem Verkehr diesen gefährlichen Mann!“

Edler Mann im Dienst der Schülerschaft

Mit empörten Buhrufen quittiert die große Schülermenge die Vorhaltungen der finsteren Gerichtsbarkeit, während der Beschuldigte mit gewitzter Strategie seine Gegenwehr artikuliert: „Ja, ich bekenn‘ mich schuldig und sag‘ dies mit Verstand: Schuldig, uns‘re Türen weit zu öffnen, wie euch bekannt. Schuldig, mit Speis‘ und Trank die Narren zu verwöhnen, schuldig für sie, den Morgen zu versöhnen!“

Reingefallen: Unter dem Häs des Eichhörnchens, dem Maskottchen der Realschule Pfullendorf, verbirgt sich ein ehemaliger Schüler des ...
Reingefallen: Unter dem Häs des Eichhörnchens, dem Maskottchen der Realschule Pfullendorf, verbirgt sich ein ehemaliger Schüler des Schulleiters, der im Schinderkarren vor das mittelalterliche Tribunal geführt wird. | Bild: Jutta Mittler

Immer wieder sendet Holger Voggel die richtigen Signale aus, preist sich als edler Mann im Dienste seiner Schüler, der als Ritter vom Eichberg auch wie ein Stier für das Gute mit seinem Schwert kämpfen kann. Seine Humanpädagogik in Reinkultur mit iPad in moderner Digitalisierungszeit, weiß er mit brillanten Worten ins rechte Licht zu stellen.

Angeklagter ruft zum Aufruhr gegen das Gericht auf

Als dabei ein roter Papierflieger auf der Kappe des Richters landet, bricht große Heiterkeit unter den Zöglingen seiner Schule in den vorderen Reihen aus. Dann ruft ihr unbeugsamer Schulleiter gar zur Aufruhr auf, an dem sich ein verkleideter Gandalf, der Magier aus dem „Herr der Ringe“ sowie das Eichhörnchen beteiligen, die die Narrenbolizei, verkörpert von Rainer Bosch, gerade noch abzuwehren vermag. Mit sichtlichem Vergnügen kommen die Schüler der Aufforderung von Holger Voggel nach, mit ihren „Antistresspillen“ auf die haltlosen Anwürfe des Tribunals zu reagieren. Weiße Softbälle fliegen auf die närrische Gerichtsbarkeit, die sich prompt über soviel Respektlosigkeit beschwert. „Ihr stellt unsere Autorität vor aller Welt in Frage, Hochverrat wiegt schwerer noch als die bisherige Klage“, erzürnt sich Richter Andreas Narr über den Halunken, der ihre Zukunft stehlen, dem Bösen Tor und Tür öffnen würde. „Du bist ein Blender der geschliffenen Worte, verwandelst schimmliges Brot reto hirschi in Torte. Henker pack ihn und mach ihn doppelt so lang, damit er auch ohne Penthouse-Büro die Pausenaufsicht in seiner Schule machen kann!“

Beschuldigter muss die nächste Brennsuppe zahlen

Der so beliebte Lehrer wird also der Streckbank nicht entgehen. Auch wenn der Henker noch so intensiv am Rädchen seines Folterinstrumentariums dreht, trotzt der Delinquent tapfer seiner schweren Pein und schleudert ihnen in tiefer Inbrunst entgegen: „Lieber Schmerzen als Schülerverrat!“ Letztendlich bleibt Richter Andreas Narr als einzige Möglichkeit, von Holger Voggel wieder abzulassen, ihm die zu stiftende Brennsuppe abzuringen, um ihm sodann mit den närrischen Insignien der Stegstrecker zu versehen, im feierlichen Ausklang durch den Pfullendorfer Narrenmarsch.