„Die sieben Worte Jesu am Kreuz“, ein lange Zeit wenig beachtetes Werk des 1822 in Lüttich geborenen Komponisten César Franck, ist am Palmsonntag in der voll besetzten Klosterkirche St. Marin auf grandiose Weise dargeboten worden. Unter dem Dirigat des Organisten und Leiters des Kirchenchores Rast-Bichtlingen Volker Nagel entfaltete sein Chor in Verbindung mit dem Orchester „Junge Sinfonie Reutlingen“ (Leiter: Konrad Sixtus Heinz) und den Gesangssolisten Jonas C. Bruder, Tenor, und Alexander Ott, Bariton, sowie der Sopranistin Gudrun Marquardt-Teuscher eine musikalische Pracht, die das Publikum völlig zu Recht am Ende mit stehendem Applaus quittierte.

Eingeleitet wurde das einzigartige Konzert mit gregorianischen Gesängen der Schola der Erzabtei St. Martin, wobei dieser mönchische Chorgesang mit seinen die Seele berührenden Melodienkaskaden das gefühlt bestmögliche „Entree“ in dieses wunderbare Konzert war. Das erst 118 Jahre nach seiner Entstehung uraufgeführte Werk Francks vertieft die überlieferten Worte des Gekreuzigten klanglich auf einzigartige Weise. So, wie der Komponist die Aussagen Jesu am Kreuz mit Abschnitten aus dem alten und neuen Testament unterlegte, ließ er die lateinischen Texte tonal lebendig werden, in der Jesus Vergebung, Heilszusage, Mitleiden, Verlassenheit, Not, Erlösung und Gottergebenheit ausdrückte. Schon das erste Wort „Vater, vergib ihnen“, ergänzt mit Texten aus Jesaja 53 Vers 12, setzten Chor und Orchester machtvoll und tief bewegend um – mit Gänsehautgarantie.

Ähnlich ergreifend und doch jedes Mal ganz anders interpretierten Chor, Solisten und das Orchester die von Jesus am Kreuz gemachten Aussagen musikalisch in unterschiedlicher Besetzung, mit reizvollen Instrumentationen – unter anderem auch mit Harfe – formaler Abwechslung und differenzierter Harmonik. Die vom Komponisten erarbeiteten kompositorischen Facetten mit Klagegesängen, einfachen Choralpassagen, Bereichen größter Dramatik und warmer melodischer Gestaltung haben die Akteure – zum großen Teil Laien – beeindruckend umgesetzt und so dem Publikum einen vielschichtigen und künstlerisch erstklassigen Hörgenuss beschert.

Die großen Chorpassagen im Wechsel mit schmerzhaften Klagegesängen haben eine tief beeindruckende und zum Teil dramatische Wirkung erzielt. Im Kontrast dazu standen beispielsweise im fünften Wort „Mich dürstet!“, in den Jesus auch verspottet worden ist, rasante, fast reißerische Abschnitte, die stark an stilistische Passagen des Gefangenenchors aus Verdis Oper „Nabucco“ erinnerten.

Zwischen den musikalischen Abschnitten ergänzte Gemeindereferentin Sybille Konstanzer die lateinische Textgrundlage mit vertiefenden Bibeltexten, die das Geschehen um Golgatha beschreibt. Am Ende des opulenten Konzerts, nachdem sich das Publikum noch eine Zugabe erklatscht hatte, sagte eine alte Dame mit vor Begeisterung bebender Stimme: „Man muss nicht nach Berlin, Stuttgart oder Hamburg gehen, um großartige Künstler zu sehen und zu hören. Hier haben wir sie vor der Haustür!“ Dem ist nichts hinzuzufügen.