Noch wohnt die kleine Familie in Herdwangen, doch schon bald planen Marten und Maria Giere, ihr neues Zuhause in Roth in der Gemeinde Sauldorf zu beziehen. Der Zimmermeister aus Herzberg im Harz und die Lehmbauerin aus Heilbronn haben ihr Strohballenhaus von Grund auf geplant und in weiten Teilen eigenhändig gebaut. „Angefangen vom Grundriss-Entwurf haben wir außer Bodenplatte, Sanitär und Elektrik alles selbst gemacht“, sagt der 30-Jährige.
Dass sie sich in der Region niederlassen, kristallisierte sich heraus, als Marten Giere seine Ausbildung im Bildungszentrum Holzbau in Biberach machte. Sein Ausbildungsbetrieb war in Bad Schussenried. Die Meisterschule besuchte er in Vollzeit und fand danach eine Anstellung in Herdwangen bei der Schreinerei Geng. Seine Frau hat als selbständige Lehmbauerin oft auf Baustellen am Bodensee gearbeitet. „Wir dachten erst daran, in die Ravensburger Ecke zu ziehen, doch nun sind wir in Roth gelandet“, erzählt die 32-Jährige, die ihr zweites Kind erwartet. Tochter Frieda wird drei Jahre alt.
Existenzgründer hat noch viel vor
Einfacher wäre es für Giere gewesen, angestellt zu bleiben und nach dem Tagwerk in den Feierabend zu gleiten. „Mir war aber schon während der Ausbildung klar, dass ich einmal selbständig sein will.“ Und so hat er zu Jahresbeginn eine eigene Existenz gegründet, noch nicht mit festem Betrieb, sondern im Reisegewerbe, wie es genannt wird. „Als Ein-Mann-Betrieb führe ich derzeit Sanierungsprojekte aus, bei denen mein Fokus auf der Ausführung mit ökologischen Baustoffen liegt und ich die Bauherrschaft auch in dieser Richtung berate.“ Da die Baubranche ein wesentlicher Verursacher von CO₂-Emissionen ist, möchte er Alternativlösungen aufzeigen.

Für die Zukunft plant Giere, nicht nur in Sachen Sanierung, sondern auch im nachhaltigen, klimaschonenden Hausbau mit Holz, Stroh und Lehm tätig zu sein. Ein Gewerbegebiet gebe es ja in der Gemeinde Sauldorf, sagt er und schmunzelt. „Ich benötige für einen stehenden Gewerbebetrieb natürlich Mitarbeiter, Maschinen und eine Lagerhalle“, ist er sich bewusst, dass dieses Vorhaben nicht von heute auf morgen zu stemmen ist. Auch die Ausbildung von Zimmerleuten kann er sich gut vorstellen. „Ich würde mein Wissen gerne weitergeben“, erzählt er voller Motivation. Ein wesentlicher Grund, warum er sein eigener Chef sein will: „Ich schätze die Flexibilität und Freiheit zu entscheiden, welche Projekte ich mache und mit welchen Materialien ich arbeite.“
Treppen bietet Stauraum
Das eigene Domizil in Roth kann gleichsam als Musterhaus dienen. Denn mit dem kfw40-Haus hat das Paar realisiert, was es sich unter nachhaltigem Bauen vorstellt. „Wir haben so klein wie möglich und so groß wie nötig gebaut, das Haus hat 150 Quadratmeter, es ist ausgelegt für uns und drei Kinder“, erklärt Maria Giere und weist auf die effizienten Stauraum- und Einbaulösungen hin. So werden beispielsweise die Treppenstufen zum oberen Stockwerk gleichzeitig Schubladen sein.
Dämmung mit Altglas
Stellenweise mussten sie Abstriche machen. „Wir wollten das Haus eigentlich auf einem Schraub- statt Betonfundament errichten, also auf Stelzen setzen. Ohne Beton und Abdichtmasse. So hätten wir den Boden nicht versiegelt. Doch ein Gutachten hat ergeben, dass der Boden unseres Grundstücks nicht tragfähig ist.“ Als Dämmung unter der Bodenplatte wählten sie dafür Schaumglasschotter, das aus Altglas hergestellt wird. „Der Aufpreis gegenüber Styrodur war mit rund 3000 Euro vertretbar“, findet Marten Giere. Die Fensterrahmen hat das Paar nicht mit Bauschaum oder Kompriband abgedichtet, sondern mit Kalfaterfaser aus Hanf. Im Eingangsbereich wurde ein Kalkestrich ausgebracht. „Das war uns lieber als Gips oder Zement. Wie der Lehmputz an den Wänden reguliert der Kalk die Raumfeuchtigkeit. In Deutschland ist das kaum bekannt. In Frankreich sind Kalkestriche mehr verbreitet.“

Regenwasser für WC und Waschmaschine
Das Regenwasser für die WC-Spülung und den Betrieb der Waschmaschine kommt aus einer Zisterne. Im Sinne der Rückgewinnung wird die Wärme des Abwassers der Dusche zum Vorwärmen des Kaltwassers genutzt. Auch nicht gewöhnlich ist die Deckenheizung in den Haupträumen. Es handelt sich um Lehmplatten mit integrierten Heizelementen. Das Heizwasser wird über eine Luftwärmepumpe gewonnen und diese wiederum mit Strom von der PV-Anlage betrieben. „Ein Vorteil gegenüber Fußbodenheizung ist, dass nicht so viel Staub ins Wirbeln kommt. Die Wärme, die vom Boden nach oben steigt, nimmt Staubpartikel mit“, erklärt Maria Giere. Nach dem Gespräch mit dem SÜDKURIER macht sich das Paar gleich wieder an die Arbeit, damit es mit dem geplanten Einzugstermin klappt. „Wir freuen uns total darauf.“