Die Lesereise des Literaturnetzwerks Oberschwaben führte den Raster Schriftsteller Arnold Stadler um Meßkirch herum und ließ ihn an verschiedenen reizvollen Orten mit interessanten Menschen und Wegbegleitern ins Gespräch kommen. Im Josefsgarten des Klosters Beuron, der ansonsten nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist, traf Stadler auf den Lyriker Walle Sayer und im Biergarten des Raster Gasthofs Löwen unterhielt er sich mit dem Fotografen Florian Schwarz, mit der Galeristin Helena Vayhinger sowie der SWR-Moderatorin Thea Thomiczek.

Premiere für Arnold Stadler

Arnold Stadler bei der Lesung unter seinem alten, geliebten Birnbaum. Auch der Sauldorfer Bürgermeister Wolfgang Sigrist (2. von links) ...
Arnold Stadler bei der Lesung unter seinem alten, geliebten Birnbaum. Auch der Sauldorfer Bürgermeister Wolfgang Sigrist (2. von links) hörte gerne zu. Bild: Isabell Michelberger | Bild: Michelberger, Isabell

Nach fast 40-jähriger Schriftsteller-Tätigkeit, zahlreichen Preisen und Auszeichnungen war es eine Premiere für Arnold Stadler, in seinem Heimatort öffentlich zu lesen. „Ich habe in Buenos Aires gelesen, in New York und Moskau, aber in Rast noch nie“, lachte Arnold Stadler verschmitzt. Der Sauldorfer Bürgermeister Wolfgang Sigrist freute sich über diese Premiere im Gasthaus Löwen und zeigte sich stolz darüber, dass der Schriftsteller und Sauldorfer Ehrenbürger viele seiner Empfindungen aus Rast in andere Orte der Welt mitgenommen habe. „Er ist ins Weite gegangen, blieb aber immer hier“, beschrieb Moderatorin Thea Thomiczek Stadlers Heimatverbundenheit.

Die Schnittstelle, an welcher sich der Fotograf Florian Schwarz und der Schriftsteller Arnold Stadler begegneten, war und ist immer noch die Galerie Vayhinger in Singen am Hohentwiel. Durch die Kunst habe sie Arnold Stadler kennengelernt, erzählte Helena Vayhinger. „Was Besseres konnte uns nicht passieren“, beschrieb sie die Freundschaft und den künstlerischen Austausch. Der Kontakt zu Florian Schwarz sei durch dessen Afrika-Projekt entstanden, das sie begeistert habe. Dort stehe der Mensch im Fokus. Der Fotograf beschreibe mit seinen Bildern, was Menschen erleben, wenn sie am Rand der Gesellschaft stehen. Sie verwies auf ein Projekt, in dem Florian Schwarz sich mit Menschen befasst, die staatenlos sind.

Die Gäste des Gesprächs hatten Vergnügen bei der Lesung und dem Austausch über Kunst und Literatur.
Die Gäste des Gesprächs hatten Vergnügen bei der Lesung und dem Austausch über Kunst und Literatur. | Bild: Michelberger, Isabell

Vermittlung durch Bild und Text ähnlich

Das Gespräch ergab, dass sich die Vermittlung durch Bild und Text nicht wesentlich voneinander unterscheiden. Der Fotograf Florian Schwarz erzähle mit seinen Bildern eine Geschichte und der Schriftsteller Arnold Stadler lasse durch seine Worte und Sätze Bilder entstehen. „Erkennen Sie sich in dem Text wieder, den Arnold Stadler über sie geschrieben hat“, wollte die Moderatorin von dem Fotografen wissen. „Ich höre das zum zweiten oder dritten Mal, und noch immer bekomme ich eine Gänsehaut“, bekannte Schwarz. Er beschrieb ebenso, wie klein er sich vorkam, als er mit seiner Kamera neben den riesigen Sternwarten auf der ganzen Welt gestanden habe, die Aufnahmen vom Weltraum machen. Ein weiteres Projekt hatte ihn zu Menschen geführt, die in der Nähe solcher Anlagen wohnen. Arnold Stadler las aus seinem Essay, das sich mit den Fotografien von Florian Schwarz befasst. Nach dem Gespräch im Biergarten führte Arnold Stadler die Gäste an der Raster Kirche vorbei in seinen Obstgarten, wo er unter dem alten Birnbaum eine kurze Passage aus „Einmal auf der Welt, und dann so“ las.

Josefsgarten ansonsten den Mönchen vorbehalten

Die Zuhörerinnen und Zuhörer der Lesung drückten sich in den Schatten des Klostergebäudes mit der schmucken Fassade im Josefsgarten.
Die Zuhörerinnen und Zuhörer der Lesung drückten sich in den Schatten des Klostergebäudes mit der schmucken Fassade im Josefsgarten. | Bild: Michelberger, Isabell

Im umfriedeten, stimmungsvollen Josefsgarten des Klosters Beuron, umgeben mit Wandgemälden der Beuroner Kunstschule, traf Arnold Stadler auf den Lyriker Walle Sayer aus Horb am Neckar. Erzabt Tutilo begrüßte die Autoren sowie die Gäste, der ansonsten den Mönchen vorbehalten ist. Es war der idealste Ort, um Sayers Gedichten und erzählenden Gedichten zuzuhören und die Stimmungen auf sich wirken zu lassen. Arnold Stadler las dort aus seiner Psalmenübersetzung, die an diesem ruhigen Ort ebenfalls ihre poetische Wirkung entfaltete. Das Publikum genoss die Denkanreize in diesem besonderen Ambiente.

Erst eine Biografie notwendig

In den 80er Jahren veröffentlichten beide Autoren ihre ersten Bücher. Walle Sayer war damals Mitte zwanzig und Arnold Stadler Anfang 30. „Man braucht erst Biografie, aus der man schöpfen kann“, beschrieb Walle Sayer, der noch einem „Brotberuf“ nachgeht, das schriftstellerische Schaffen. Durch die Erfahrung in anderen Bereichen lerne man sich und die anderen besser kennen, meint der Lyriker. „Von mir war es dumm, dass ich die ersten Bücher veröffentlicht habe. Sie haben mir Verdruss bereitet“, bedauerte Arnold Stadler und erzählte, wie damals eine Delegation aus Schwackenreute vor seinem Haus gestanden habe, die meinte: „Was schreiben Sie denn da. Das sind wir doch gar nicht.“ Er habe damals den Ort Schwackenreute gewählt, gerade weil er dort niemanden gekannt habe. Er ging davon aus, dass sich dadurch niemand angesprochen fühlen könne.

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Von ähnlichen Erfahrungen berichtete auch Walle Sayer. „Schreiben ist etwas anderes als Ich sein“, erklärte er. Sich selbst blende man als Autor aus, das sei uninteressant, sondern ein Autor beschreibe die Welt, die er wahrnehme. Auf die Frage der Moderatorin Annette Maria Rieger, was sich beide für die Zukunft wünschen, antwortete Stadler, der Walle Sayer für einen der bedeutendsten Lyriker im deutschsprachigen Raum hält, dass er gerne die Laudatio halten würde bei einem Literaturpreis für Walle Sayer. Sayer wiederum freute sich auf das nächste Buch von Arnold Stadler.