Günther G. Töpfer

Wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs hat das Amtsgericht Sigmaringen einen 23-jährigen Mann zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die für die Dauer von vier Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Aus der Anklage ging hervor, dass der Mann im November vergangenen Jahres einen 30-jährigen Freund in seiner Wohnung vergewaltigt hatte, der sich nach dem gemeinsamen Konsum einer Kräutermischung nicht mehr wehren konnte. Die Tat hatte der Angeklagte mit seinem Smartphone gefilmt. Der Pflichtverteidiger des Angeklagten berichtete, dass sein Mandant, die ihm zur Last gelegten Beschuldigungen grundsätzlich nicht in Abrede stelle. An den konkreten Tathergang könne sich sein Mandant jedoch wegen seiner gewaltigen Erinnerungslücken beim besten Willen nicht mehr erinnern. Sein Mandant wolle jedoch mit seiner Vergangenheit abschließen, weil er Anfang Oktober das Glück gehabt habe, dass er mit einer Ausbildung in einer Einrichtung für Lernbehinderte beginnen dürfe.

Dem Gericht berichtete der Angeklagte, dass er die Kräutermischung über das Internet bezogen habe. Ausdrücklich sei auch vermerkt gewesen, dass diese legal sei. Das als Zeuge geladene Opfer bezeichnete den Angeklagten als ziemlich guten Kameraden, der ihn zum Schlafen aufgenommen habe. Nachdem er die Kräutermischung geraucht habe, sei er „völlig weg gewesen“. Er habe auch bemerkt, dass der Angeklagte von der Tat ein Video gemacht habe. Dem Gericht schilderte er seine Gefühle nach der Tat mit den Worten: „Ich war geschockt und habe innerlich gekocht.

“ Im Gegensatz zur Aussage des Angeklagten war er der Meinung, dass es an zwei Tagen nach dem Rauchen der Kräutermischung zu sexuellen Übergriffen durch den Angeklagten gekommen sei. Zum Angeklagten habe er seither keinen Kontakt mehr.

Ein als Zeuge geladener Polizeihauptkommissar berichtete dem Gericht, dass er den Angeklagten etwa eine halbe Stunde nach der Tat schlafend und leicht bekifft im Bett angetroffen habe. Der Angeklagte habe zwar das Kiffen eingeräumt und auch sofort vom Vorwurf des Analverkehrs gewusst, den er jedoch bestritten habe. Ein ebenfalls als Zeuge geladener Kriminalhauptkommissar sagte aus, dass es gelungen sei, fünf Videosequenzen vom Smartphone des Angeklagten wiederherzustellen. Darauf sei der Angeklagte zu hören, bis das Opfer die Wohnung verlassen habe. Mit den Videosequenzen und einer Fernsehsendung im Hintergrund habe man auch die Tatzeit exakt belegen können.

Die im Gerichtssaal anwesende Mutter des Angeklagten berichtete dem Gericht, dass ihr Sohn als Kind hyperaktiv gewesen sei sowie heute noch kontaktscheu und unselbstständig. Nachdem ihn das Arbeitsamt als unvermittelbar eingestuft habe, sei der Sohn seit sieben Jahren arbeitslos. Um sein Leben in den Griff zu bekommen, müsse er noch lernen, allein einzukaufen und Bus zu fahren. Daher werde er von einem Betreuer unterstützt und von einem Facharzt behandelt. Aus dem Zentralregister ging hervor, dass der Angeklagte wegen gemeinschaftlichen Diebstahls, Sachbeschädigung und fahrlässigem Vollrausch bereits vier Mal mit der Justiz in Konflikt geraten war. Ein Gutachter erläuterte, der Angeklagte sei scheu, habe aber keine psychische Erkrankung. Das fehlende Erinnerungsvermögen müsse nicht sein, doch es könne durchaus der Fall sein.

Die Aussagen des Opfers bezeichnete der Staatsanwalt in seinem Plädoyer als glaubwürdig. Der 30-Jährige habe sich auch geschämt, als er danach in der Stadt auf die Tat angesprochen worden sei. Zugunsten des Angeklagten wertete der Staatsanwalt die Entschuldigung gegenüber seinem Opfer, das jedoch ein Jahr nach der Tat mit Angstträumen immer noch darunter leide. Er glaube auch, dass es ohne das Rauchen dieser Kräutermischung nicht zu diesem Verhalten des Angeklagten gekommen wäre. Eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit der Gnade der Bewährung sei angemessen. Der Verteidiger verwies eindringlich darauf, dass seinem Mandanten nach der Entlassung aus dem ersten Arbeitsverhältnis nur noch der Müßiggang geblieben sei. Die von der Staatsanwaltschaft beantragte Freiheitsstrafe mit Bewährung gebe seinem Mandanten die Möglichkeit, mit einer Ausbildung und einem Betreuer die Weichen für die Zukunft zu stellen.

Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit einer Bewährungszeit von vier Jahren. Während der Bewährungszeit muss er seinem Opfer eine monatliche Entschädigung in Höhe von 30 Euro bezahlen. Ferner muss der Angeklagte seine bisherige, ambulante psychiatrische Behandlung fortsetzen. Unter der Aufsicht seines Bewährungshelfers muss der Angeklagte seine Ausbildung beenden. Die vierjährige Bewährungszeit halte das Gericht für erforderlich. Abschließend richtete der Richter den eindringlichen Appell an den Angeklagten: „Die Ausbildung ist Ihre einzige Chance, die Sie auf keinen Fall verspielen dürfen. Sie müssen dortbleiben. Ziehen Sie die Ausbildung durch.“