Es war eine unter die Haut gehende Veranstaltung anlässlich des 40. Jahrestags der Gedenkstättenerrichtung auf dem Truppenübungsplatz Heuberg. Im Gedenken an die Opfer der NS-Diktatur hatte der SPD-Landesverband Baden-Württemberg mit Andreas Stoch an der Spitze zu dieser Gedenkstunde eingeladen, die Walter Sambil, Vorsitzender der Stettener SPD, vor Ort vorbereitet hatte. Höhepunkt der Gedenkfeier, die durch Wolfgang Karrer und Michael Stoll musikalisch begleitet wurde, war die Rede von Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin a.D., und eine der Initiatorinnen des KZ-Mahnmals auf dem Truppenübungsplatz Heuberg.
Gedenken an Opfer der Nazis
„Denn gedacht soll ihrer werden – zum Gedenken an alle, die während der Herrschaft des Nationalsozialismus auf dem Heuberg gequält und geschunden wurden“ – diese Inschrift vor dem vom Künstler Reinhard Bombsch geschaffenen Mahnmal sei, so Däubler-Gmelin, damals mit Bedacht gewählt worden. Denn es soll umfassend an alle erinnert werden, die hier im „so genannten Schutzhaftlager“, aber im Grunde dem ersten von den Nazis errichteten Konzentrationslager in Deutschland, in den neun Monaten seines Bestehens aufgrund ihres Glaubens, ihrer Herkunft und ihres Denkens misshandelt und ihrer Menschenwürde beraubt worden sind. Sie rief auch in Erinnerung, dass seinerzeit manch‘ aufrechter Mensch, demokratischer Politiker, ehrlicher Handwerker oder Fabrikant Irrtümern aufgesessen, in populistische Fallen gelaufen oder durch wirtschaftlichen Druck die Richtung gewechselt haben.
Erinnerung an Strafbataillon 999
Die Rednerin erinnerte auch an das Strafbataillon 999, das in Stetten stationiert war. „Da wurden die ganzen Aufmüpfigen und Gegner hineingesteckt, die dann für spezielle Aufgaben eingesetzt werden sollten“. Däubler-Gmelin sah hierbei eine deutliche Parallele zu den Wagner-Söldnern von Jewgeni Prigoschin, „der seine Strafgefangenen in besondere Einheiten schickt, die dann verheizt werden.“

Oder nicht zu vergessen, die Deserteure während des Zweiten Weltkriegs, die als Kameradenschweine und Verräter verunglimpft, verfolgt oder gar an die Wand gestellt worden sind. „Das alles waren sie nicht“, so die Rednerin, „sie hatten ja keine Möglichkeit zur Kriegsdienstverweigerung, haben aber die Wirkung des verbrecherischen Angriffskriegs gesehen, wollten dies aber nicht mittragen.“ Auch die russischen Kriegsgefangenen und die anderer Nationen, die hier umgekommen seien – „man hat sie zum Teil sogar verhungern lassen“ – dürften nicht vergessen werden. Vergessen werden sollte auch nicht, dass diese Gräuel nicht im Verborgenen stattgefunden hätten, denn die Nazipropaganda sei alles andere als leise gewesen und habe alle Ebenen des öffentlichen Lebens durchtränkt. „Man hat es gewusst!“
„Demokratie nicht ungefährdet“
Das Fatale sei gewesen, dass man damals dachte – und heute wieder – „es wird sicher nicht so schlimm, wir können sie doch irgendwie einfrieden, oder schlicht die Haltung „Ist mir wurscht“, aber auch Angst. Däubler-Gmelin sieht darin Mechanismen, die auch heute noch, beziehungsweise wieder, greifen. Sie zitierte den 1990 verstorbenen deutschen Politiker Herbert Wehner, der gesagt habe: „Mehr Gedanken machen als Gedenken“. Gerade heute seien aus den vergangenen und den sich heute wieder abzeichnenden Vorgängen Folgerungen zu ziehen, denn: „Unsere Demokratie ist nicht ungefährdet“.
Man befinde sich derzeit in einer Umbruchzeit, die zu Gefährdungen führen könne, da manche Menschen dazu neigen würden, eine starke Führungskraft herbeizusehnen. Alle Menschen seien gefragt, Flagge zu zeigen. Es gehe darum, wie jeder einzelne sich verhalte, mit seinen Nachbarn, mit Freunden, in der Öffentlichkeit. „Wir haben eine Stimme und können widersprechen“. Das Wegducken und Stillschweigen würden sich die Populisten zunutze machen, um mit demokratischen Mitteln an die Macht zu kommen.

„Gemeinsam eintreten für Demokratie“
Auch die Sigmaringer Landrätin Stefanie Bürkle hatte in ihrer bemerkenswerten Rede mit Blick auf die kürzlich erfolgte Wahl eines Landrats, der AfD-Mitglied ist, darauf hingewiesen, dass es eine Zusammenarbeit aller demokratischen Parteien brauche, um ein Desaster wie 1933 zu verhindern. Es brauche neben dem aktiven Erinnern „demokratisches, solidarisches Handeln über Parteigrenzen hinweg“. In ihrer mit Beifall bedachten Rede sagte sie am Ende: „Ich wünsche mir, durchaus mit Diskurs, ein Zusammenstehen aller Demokraten, denn es steht heute mehr auf dem Spiel als Entscheidungen in Sachfragen – wir müssen gemeinsam eintreten für unsere Demokratie!“ Im Rückblick auf die nicht einfache „Erinnerungskultur im Landkreis“ forderte sie „mehr denn je praktisches Handeln“. Sie sagte: „Wenn unsere Worte nicht zu Taten werden, dann sind sie nicht getan!“
