„Ihr habt Angst, Panik! Reißt die Augen auf!“ Regisseur Stefan Hallmayer vom Theater Lindenhof schärft den jungen Schauspielerinnen und Schauspielern des Stettener Sommertheaters bei den Proben die Situation ein, in der sie gerade im Stück „Zukunftsmusik“ stecken. „Da muss was passieren in dir!“, ruft er einem Schauspieler an einer markanten Stelle zu. Und sie verstehen ihn, denn gleich bei der ersten Wiederholung der Szene kommt das Beängstigende des Handlungsmoments deutlicher zum Vorschein.

Die Stettener sind, was ihr Theaterprojekt anbelangt, ein super eingespieltes Team. Die Laien werden dabei von den Profis vom Theater Lindenhof gestärkt und gewinnen Sicherheit. Auch lassen sie sich weder durch mieses Wetter noch dadurch durcheinander bringen, dass bei der großen Anzahl von Darstellern immer jemand fehlt: Die Proben für das Theaterstück von Jeremias Heppeler, das am kommenden Freitag, 14. Juli, Premiere feiert, gehen unbeirrt weiter. Die Passagen der fehlenden Theaterleute werden von Regieassistent Peter Höfermayer vorgelesen, um die Handlung im Fluss zu halten. „Jede Rolle ist nur einfach besetzt“, erläutert Produktionsleiter Jürgen Klaus in der Pressekonferenz, deshalb dürfe niemand ausfallen. In all den 23 Jahren Stettener Theater und etwa 60 Vorstellungen sei lediglich eine Veranstaltung ausgefallen und eine abgebrochen worden. Insofern ist die Theater-Crew zuversichtlich, dass auch dieses Jahr alles klappt. „Es ist eine wahnsinnige Unternehmung“, ergänzt Regisseur Stefan Hallmayer, denn es stehen allein 130 Personen auf der Bühne und darüber hinaus gebe es eine riesige Anzahl helfender Hände. Das Drehbuch von Jeremias Heppeler bilde den Kern der Handlung, doch besitzen Regisseur und Akteure so viel Freiheit, um mit Passagen kreativ umzugehen. „Insofern haben die Proben Werkstattcharakter“, beschreibt Hallmayer den Prozess.

Das Stück „Zukunftsmusik“ spielt 150 Jahre in der Zukunft. Durch eine Katastrophe wird die Bevölkerung der Erde auf ein Prozent reduziert. Aus Angst vor einer Wiederholung der Katastrophe verbieten die „Oberen Zehntausend“ jegliche Technik sowie Kulturgüter wie Musik und Kunst. Der Lebensablauf gleicht demjenigen einer archaischen Gesellschaft, die den gesamten Tag mit den zum Überleben notwendigen Arbeiten beschäftigt ist. „Das Stück ist aber trotzdem sehr wenig deprimierend“, versichert die junge Schauspielerin Anna-Lena Schwochow. „Wir haben auch ziemlich viel Spaß bei den Proben.“ Das Stück ziehe sie solchermaßen hinein, dass sie sich wie im Spannungsfieber fühle.

Da die Katastrophe zurückliege, gehe der Blick in die Zukunft. „Wir Jugendlichen erkunden dabei Grenzen und gehen darüber hinaus“, beschreibt Jule Beck ihre Sicht auf das Theaterstück. „Mich machen die Proben glücklich“, betont Linda Graf. Die ersten Szenen veranlassen zwar zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung mit Umweltkatastrophen, doch insgesamt erfülle „Zukunftsmusik“ mit Hoffnung. Es zeige, dass trotz der zerstörten Strukturen durch die Katastrophe auf das Menschliche Verlass sei. „Es geht nicht darum, den Untergang zu zelebrieren, sondern zu betonen, dass daraus etwas Neues erwachsenen kann“, bestätigt Stefan Hallmayer. Daraus entstehe eine gewisse Form von Freiheit.

Alle Akteure freuen sich, dass nun die Feuerwehrkapelle bei den Proben dabei ist. Die Kompositionen stammen fast alle von Wolfram Karrer, Musiker beim Theater Lindenhof. Er bekam parallel zu den Theaterleuten das Drehbuch, um sich Gedanken zur passenden Musik zu machen. Die Inspiration setzte wohl auch sogleich ein. „Man fängt irgendwo an, dann weitet es sich automatisch aus“, beschreibt der Musiker den Kompositionsprozess. Die Musikstücke gestalten die Überleitungen und untermalen teilweise die Szenen.

Beim Pressegespräch ist deutlich zu spüren, wie stark alle zu einer Familie zusammengewachsen sind. Dazu gehören die Profis vom Theater Lindenhof, die „Halbprofis“, die schon mehrfach und teilweise von Kindesbeinen an für das Theaterprojekt auf der Bühne stehen, als auch die Theater-Neulinge. „Viele kann man nicht mehr als Amateure bezeichnen“, beschreibt Ralf Wenzel, der für die Technik zuständig und ebenso Mann der ersten Stunde ist, die Crew. Über die vielen Jahre hinweg hätten die Akteure einen ordentlichen Erfahrungsschatz angesammelt, fügt Produktionsleiter Jürgen Klaus an. Da sich das Stettener Sommertheater auch als soziales Projekt versteht, dürfe jede und jeder mitmachen, der Lust darauf verspürt, Teil davon zu sein.

Zum ersten Mal richtet sich die Handlung nicht auf die zurückliegende Geschichte der Heuberg-Gemeinde, sondern in die Zukunft. Die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler, denen in diesem Stück eine zentrale Rolle zukommt, hoffen, dass dies verstärkt Gleichaltrige in die Aufführungen zieht. Und mit Sicherheit bietet „Zukunftsmusik“ jede Menge Diskussionsstoff darüber, wie wir jetzt leben, was wirklich wichtig ist und wie wir uns dafür einsetzen können.