Dass Glücksgefühle steigerungsfähig sind, diese Erfahrung macht gerade Milena Herdt. Groß war die Freude, als sie 100 von möglichen 100 Punkten mit ihrem Gesellenstück bei der praktischen Prüfung ihrer Ausbildung zur Maßschneiderin in der Heimschule Kloster Wald abgeräumt hat. Als dann die Post von der Handwerkskammer Reutlingen auf ihren Tisch flatterte, in der sie zur Kammersiegerin beim Wettbewerb „Die Deutsche Meisterschaft im Handwerk“ erklärt wurde, hüpfte das Herz der 19-Jährigen noch einmal ein bisschen höher.

Ersten Platz auf Landesebene geschafft

Nur einen Monat später fuhren die Glückshormone dann noch einmal Achterbahn: Milena Herdt hatte im Wettbewerb den ersten Platz auf Landesebene errungen. Doch auch das war noch nicht der Höhepunkt ihres Erfolgs: Unter den 16 Landessiegerinnen aus Deutschland wurde die junge Frau zur Bundessiegerin gekürt. „Ich bin fast aus allen Wolken gefallen und kann es bis heute immer noch nicht richtig glauben“, schildert sie überglücklich im Gespräch mit dem SÜDKURIER ihre Gefühle.

Präzision und Detailgenauigkeit sind ihr wichtig

Ausgezahlt hat es sich für die passionierte Maßschneiderin, ihre persönlichen Maßstäbe an Präzision, Detailgenauigkeit und auch Disziplin beim Erschaffen ihres Gesellenstücks umzusetzen. „Der Sieg hat mir gezeigt, dass sich meine Bemühungen gelohnt haben“, sagt die 19-Jährige voller Freude. Mit viel Kreativität hat sie einen grünen, zweiteiligen Hosenanzug designt und genäht. Etwas ganz Besonderes sollte der Blazer sein und das ist er auch geworden, mit seinen wunderschönen Samtapplikationen auf den Schultern und Taschen. Jedes Detail sollte passen: Sogar die Knöpfe der Jacke sind mit Samt überzogen.

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Eine Woche hatte Milena Herdt während der praktischen Prüfung in der Heimschule Zeit, den Hosenanzug zu schneidern. Zunächst musste eine Dokumentation erstellt werden. Diese beinhaltet unter anderem Stoffproben und eine Benennung von weiteren benötigten Materialien wie Garnen, Reißverschlüssen und Knöpfen. Akribisch hat Milena Herdt darin die notwendigen Arbeitsschritte festgehalten, mit denen sie später vorgehen werde. Auch eine technische Zeichnung des Kleidungsstücks wurde benötigt. „Danach haben wir von morgens bis abends genäht und ich bin auf die Minute genau mit dem Hosenanzug fertig geworden“, erinnert sie sich daran, wie das Gesellstück in der Heimschule Kloster Wald entstanden ist.

Großartige Unterstützung durch die Ausbilderin

Viel Lob zollt Milena Herdt ihrer dortigen Ausbilderin, der Maßschneidermeisterin Rosalinde Sagel-Ott. „Dank ihrer großartigen Unterstützung ist es zu diesem Ergebnis gekommen. Ich konnte so viel von ihr lernen. Sie hat meine Stärken erkannt und diese gefördert. Außerdem hat sie mir die Leidenschaft für diesen Beruf vermittelt“, freut sich die junge Frau. Generell sei die Möglichkeit, parallel zum Abitur, das sie 2022 abgelegt hat, eine Ausbildung zu machen unglaublich wertvoll. „Man geht als selbstständige, zielstrebige und selbstbewusste Person aus dieser Lehre heraus. Es wird einem so viel mit auf dem Weg gegeben“, beschreibt die 19-Jährige den großen Nutzen, den sie aus ihrer Zeit in Wald ziehen konnte. Für sie persönlich war die Ausbildung der erste Schritt zum Traumberuf: Heute absolviert sie die Modedesign-Schule in Mannheim, die sie nach einem Jahr abschließen möchte.

Kindheit ist vom kreativen Arbeiten geprägt

Dass sie später einmal eine handwerkliche Ausbildung machen würde, stand für die in Wald aufgewachsene junge Frau, deren Familie später nach Sigmaringen umgezogen ist, schon als Mädchen fest. „Meine Kindheit war geprägt vom kreativen Arbeiten wie Basteln, Häkeln, Zeichnen und Nähen. Meine Oma hat mir viel gezeigt und ich konnte früh meine ersten Erfahrungen an der Nähmaschine machen“, erzählt Milena Herdt. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass sie als Achtklässlerin der Heimschule Kloster Wald in der Schnupperwoche sofort total begeistert war von der Ausbildung zur Maßschneiderin, die in der Schule als einer von drei möglichen Lehrberufen angeboten wird. Mit Beginn der Ausbildung in der 9. Klasse war der jungen Frau dann sofort klar: „Das ist genau das Richtige für mich.“

Mit ihrer präzisen Arbeit und den schönen Samtapplikationen, die hier auf der Anzugjacke zu sehen sind, überzeugt Milena Herdt die Jury.
Mit ihrer präzisen Arbeit und den schönen Samtapplikationen, die hier auf der Anzugjacke zu sehen sind, überzeugt Milena Herdt die Jury. | Bild: Milena Herdt

Mit großer Begeisterung hat sie die Lehre absolviert, bis zum Abitur gibt es dafür jeweils einen Nachmittag pro Woche an der Schule, an dem überwiegend praktisch gearbeitet wird. Nach dem Abitur wird dann an der Heimschule Kloster Wald noch in Vollzeit die Lehre zu Ende gebracht und mit einer theoretischen sowie der praktischen Prüfung abgeschlossen. „Viele Abende und Wochenende verbrachte ich zusätzlich in der Werkstatt“, schildert Milena Herdt ihre große Leidenschaft für die Maßschneiderei, die weit über das schulische Engagement hinausging.

Große Vorfreude auf die Siegesfeier

Jetzt fiebert sie dem 9. Dezember entgegen. An diesem Tag wird sie in Berlin an der Siegesfeier teilnehmen. „Die Feier wird den absoluten Höhepunkt der Ausbildung an der Heimschule darstellen“, freut sich die junge Frau.