Es ist keine einfache Aufgabe, vor der Schulleiterin Heidi Linster im zweiten Jahr ihres Wirkens als Leiterin der Heimschule Kloster Wald steht. Die renommierte katholische Schule mit Internat sieht ihre Schülerzahlen – wie andere Gymnasien teilweise auch – aktuell schrumpfen. „Wir konnten in diesem Jahr leider nur eine einzige 5. Klasse bilden“, bedauert Linster im Gespräch mit dem SÜDKURIER.
Großer Abiturjahrgang hat die Schule verlassen
Bislang habe es immer zwei 5. Klassen gegeben. Die Zahl der Schülerinnen sank insgesamt von 420 auf 375 gegenüber dem vergangenen Schuljahr. „Ein großer Abiturjahrgang ist gegangen, leider sind nur wenige Schülerinnen nachgekommen“, berichtet die Schulleiterin.
65 Schülerinnen sind im Internat
Als die 49-Jährige selbst die Schulbank in Wald gedrückt hat, lebten dreiviertel der Schülerinnen im Internat; nur ein Viertel aller Schülerinnen machten die Externen aus. Heute hat sich dieses Verhältnis stark verändert, denn nur noch 65 der 375 Mädchen sind Internatsbewohnerinnen. Da es sich um eine private Schule handelt, müssen die Eltern für den Unterricht bezahlen. Die Summe hält sich in Grenzen: Das Schulgeld beträgt 50 Euro pro Monat. „Es ist hier lange nicht so elitär, wie viele denken“, hält Heidi Linster dagegen, dass hin und wieder das Vorurteil von der „teuren freien Schule“ verbreitet wird. Für Schülerinnen, die in der Streicherklasse aktiv sind, beinhaltet der Monatsbeitrag den Instrumentalunterricht.
Vielfältiges Angebot über den Unterricht hinaus
Die Streicherklasse ist nur ein Baustein des vielfältigen Bildungsangebots, das unter anderem aus Chören, Instrumentalmusik, Schulband, Sport, Theater und Werken besteht. Heidi Linster ist es wichtig, die Vielfalt zu erhalten. Auch deshalb gilt es für sie, mit kreativen Konzepten dem Trend der sinkenden Schülerzahlen entgegenzuwirken. Ein Balanceakt, denn Veränderungen zugunsten einer höheren Attraktivität sollen nicht Traditionen beschädigen, für welche die Schule seit 77 Jahren steht und die ein wertvolles Alleinstellungsmerkmal sind.
Ein großes Erbe angetreten
„Als ich im vergangenen Jahr als Schulleiterin angefangen habe, war mir bewusst, dass es eine Schule voller Traditionen ist. Das ist ein großes Erbe, das ich angetreten habe und fortführen möchte“, betont sie.

Seit der Gründung der Schule im Jahr 1946 durch Benediktinerinnen von der heiligen Lioba wird diese als Bildungseinrichtung geführt, an der ausschließlich Mädchen ab der 4. Klasse unterrichtet werden. An diesem Grundpfeiler werde nicht gerüttelt, versichert Linster. Es sei nicht angedacht, künftig Jungen aufzunehmen, um die Schülerzahlen in die Höhe zu treiben. „Unser Konzept ermöglicht es Mädchen, ihre Stärken in diesem besonderen Rahmen zu entwickeln. Vielfach trauen sich die Mädchen mehr zu, wenn sie unter sich sind“, berichtet Linster. Und ergänzt: „Für den fürsorglichen Blick auf die Schülerinnen wird unsere Schule sehr geschätzt.“
Ab nächstem Schuljahr keine Sechs-Tage-Woche mehr
Eine andere Tradition jedoch wird die Heimschule jedoch beenden. Bislang hatten die Schülerinnen eine Sechs-Tage-Woche, denn auch am Samstag wurde unterrichtet. Im Gegenzug blieben die Nachmittage frei. Ab dem Schuljahr 2024/2025 haben auch die Walder Mädchen am Samstag keinen Unterricht mehr. „Die Eltern wurden bereits informiert und nicht alle schreien ‚hurra‘“, bekennt Linster – eben, weil der Samstagsunterricht die Nachmittage entlastet habe. Doch es gebe auch viele Befürworter; vor allem unter den Eltern, deren Kinder eine weite An- und Abfahrt hinter sich bringen müssen, um zur Heimschule zu kommen.
Einzugsbereich der Schule ist weit
„Unser Einzugsbereich ist groß – bis tief in den Bodenseekreis hinein und auch in den Bereich von Stockach“, schildert Heidi Linster. Für diese Schülerinnen sei es praktisch, einen Tag weniger zur Schule zu fahren als bisher. Auch bei denjenigen, die gerne am Wochenende im Rahmen eines Hobbys an Sportwettbewerben oder Konzerten teilnehmen wollen und dies bislang nicht konnten, sei der Zuspruch für einen freien Samstag da.
„Und es ist es auch wertvolle Familienzeit“, betont die Schulleiterin. Natürlich müsse bei der Umstellung die ganze Schule „mitgedacht“ werden, wie Linster erläutert. „Für die Internatsbewohnerinnen müssen wir ein gutes Konzept für den freien Samstag erstellen“, sagt sie. Das macht unter anderem die Komplexität ihrer Aufgabe als Schulleiterin aus, dass in Wald für externe und interne Schülerinnen geplant werden muss. Der zusätzliche Nachmittagsunterricht werde durchaus eine Belastung darstellen, ist sich Heidi Linster im Klaren.
Freiwillige Ausbildung wird angeboten
„Durch G8 haben die Schülerinnen vor allem in der Oberstufe sowieso oft schon lange Tage“, sagt sie. Außerdem gibt es – ebenfalls eine Tradition der Heimschule – ab der 9. Klasse noch die begleitende freiwillige, handwerkliche Ausbildung, welche die Schülerinnen mit dem Gesellenbrief als Maßschneiderin, Holzbildhauerin, Schneiderin oder Mediengestalterin abschließen. Dafür wird bis zum Abitur sowieso schon ein Nachmittag pro Woche reserviert. Trotz allem könne derzeit an G8 nicht gerüttelt werden in Wald.
Ausbildung zur Mediengestalterin
Die Ausbildung zur Mediengestalterin hat die Schule neu eingeführt. Sie fand aber noch nicht ausreichend Anklang, sodass das Mediengestalten zunächst nur als AG angeboten werde, wie Linster berichtet. Sie hofft für das kommende Schuljahr auf mehr Interessenten. Im Umbruch sei die Schule, was das Lehrerkollegium angeht. „Wir haben ein tolles Team, im dem jetzt auch viele jüngere Kolleginnen und Kollegen sind“, freut sich Heidi Linster.
Im vergangenen Schuljahr hätten auch langwierige Krankheitsfälle dazu beigetragen, dass sie als frisch gebackene Schulleiterin einer starken Arbeitsbelastung ausgesetzt gewesen sei. Wenngleich ihr die Aufgaben große Freude bereitet hätten und sie ihre Entscheidung, vom Staufer-Gymnasium nach Wald zu wechseln, nie bereut habe. „Die ersten Tage in diesem Schuljahr erlebe ich als ungleich einfacher als im Vorjahr“, berichtet Linster. Inzwischen habe sie viel dazugelernt und in einigen Dingen Routine entwickelt.
Schwestern kehren nach Freiburg zurück
Eine anstehende Veränderung erfüllt Heidi Linster schon jetzt mit Wehmut. Im März werden die letzten drei Ordensschwestern das Haus verlassen. Schwester Walburg, Schwester Herrad und Schwester Edellint sind über 80 Jahre alt und werden in ihr Mutterhaus, das Kloster St. Lioba in Freiburg, zurückkehren. „Die Schwestern haben die Heimschule geprägt. Jetzt gilt es für uns, diesen Geist weiterzutragen und weiterzuleben“, betont Heidi Linster.