Bad Dürrheim – Ist ein Dorfladen in Sunthausen realisierbar? Für die Ortsbewohner scheint das Thema auf den Nägeln zu brennen, kürzlich war eine Informationsveranstaltung mit dem Referenten Wolfgang Gröll vom Netzwerk Dorfladen in der Turn- und Festhalle regelrecht überlaufen. Grölls Fazit ist ernüchternd: "Möglich sei es", doch: ein erfolgreicher Dorfladen müsse allerdings in der Regel verschiedene Aspekte wie regionale Produkte, Bioware, Heimlieferservice und Basisversorgung für den alltäglichen Bedarf sicherstellen.
Bewusste Vorbereitung
Eines stellt Gröll unmissverständlich klar, das Prinzip "HIV" funktioniere heutzutage für ein langfristiges Konzept eines Dorfladens nicht mehr. "HIV" steht dabei für "habe ich vergessen". Ein Gedanke, welcher zahlreiche Bürger nach dem Großeinkauf im örtlichen Discounter beim Betreten der heimischen Türschwelle überkommt. Ein Dorfladen könne vom gelegentlichen Verkauf von Produkten an Ortsbewohner, welche ausschließlich eine kleine Produktlücke im Kühlschrank schließen möchten, nicht existieren. Schnell sei die anfängliche Euphorie der Gesellschafter verflogen. Es müssten Gehälter von etwa zwölf Euro Stundenlohn gezahlt werden, Rücklagen für Investitionen gebildet werden und schnell sieht man die eigenen Einlagen in Gefahr. Eine ausführliche Machbarkeitsstudie sei auch in Sunthausen im Rahmen einer gründlichen Vorbereitung vonnöten.
Jeder Gesellschafter werde auch in Sunthausen mit einer Einlage von etwa 250 Euro rechnen müssen. Zunächst aber müsse die passende Rechtsform gefunden werden. Entscheidet man sich für eine Genossenschaft oder beispielsweise ein Integrationsunternehmen? Unabhängig von der Rechtsform müsse unter den Teilhabern eine offene und freie Mitgliedschaft in Gleichberechtigung existieren. Eine weitere Maxime sieht Gröll auch für Sunthausen als existenziell: Die Gesellschafter dürften nur mit ihrer Einlage haften, darüber hinaus gehende Haftungen sind auszuschließen. Nur so sei das Vertrauen der Ortsbewohner zu gewinnen, wobei strikt auf schwarze Zahlen zu achten sei und eine Verschleppung von Verlustangaben keinesfalls erfolgen dürfe.
Multifunktional und vielfältig
Ein multifunktionales Modell könne einen Dorfladen langfristig sichern. Gröll berichtete hierzu von einem Fall aus Würth. Hier habe sich in einer Immobilie einem Dorfladen ein kleines Dorfcafé hinzugesellt, ein Arzt habe sich eingemietet, die Volksbank habe eine Filiale eingerichtet, im Obergeschoss würden sich Räumlichkeiten für öffentliche und soziale Zwecke befinden, wobei auch Fläche kostenfrei an Bürger – etwa für Geburtstagsfeiern – zur Verfügung gestellt werden könne. Der Dorfladen wurde so zum Ortsmittelpunkt, wobei Synergieeffekte wie Serviceleistungen oder Untervermietung von Teilflächen zu seinem Erhalt beitragen.
Dorfläden können in 150-Seelen-Orten oder auch urbanen Stadtteilen mit Mangel an Einkaufsmöglichkeiten existieren. Wichtig sei, dass man mit persönlichen Beziehungen, einer Geschmacksvielfalt und frischen Produkten bei der Kundschaft punktet. Noch ein Buchstabenspiel brachte Gröll ins Spiel: "NSA". Das bedeute, "Nachbar sieht alles." Eine Verschleierung der Qualität ist in Dorfläden unmöglich, da man die regionalen Anbieter kenne und auch die Beziehung zwischen Verkäufer und Käufer persönlicherer Natur ist. So könnten Dorfläden ohne Absichten der Gewinnmaximierung und der Einbindung aller Bürger vor Ort selbst in unmittelbarer Nähe von Supermärkten überdauern. Die Mitarbeiter arbeiten nicht nur des Geldes wegen, der Dorfladen ist ein Gemeinschaftsprojekt des ganzen Ortes. In diesem Sinne müssten auch örtliche Anbieter wie Metzger oder Bäcker integriert werden. Gröll: "Ja, es kann schiefgehen. Man muss aber den Mut haben, es auszuprobieren."
So geht es weiter
Nach der Informationsveranstaltung wird sich nun in Sunthausen ein Arbeitskreis zu einem möglichen Dorfladen bilden. Zahlreiche der anwesenden Bürger haben sich bereits in Listen für eine Beteiligung eingetragen. Initiator des Projekts ist Heinz Messmer, der sich auch in dem Projekt der Nachbarschaftshilfe für die Ortsteile Bad Dürrheims engagiert. Danach tritt der Übergang in Phase zwei mit Erstellung einer Machbarkeitsstudie, der Wahl einer Rechtsform und Sicherung der Finanzen in Kraft. Ist diese abgeschlossen, erfolgt in einer dritten Phase etwa die Antragstellung auf Fördermittel oder die Einzahlung des Gründungskapitals. Sollte das Projekt in einer der Phasen scheitern, werden die Einlagen an die Gesellschafter wieder ausbezahlt. (häm)