Behinderungen machen vor keinem Alter halt und sind auch nicht immer äußerlich sichtbar. „Doch selbst, wenn ein körperliches Handicap äußerlich sichtbar ist, werden behinderte Menschen im Alltag übersehen“, klagt die städtische Behindertenbeauftragte Inge Teichert und wies in ihrem Jahresbericht vor dem Verwaltungsausschuss wieder auf Missstände hin. „Ich bin nicht behindert, ich werde behindert!“ – so drückt sie das Gefühl der Betroffenen aus.

Um alle Betroffenen erreichen zu können, Angehörige, Freunde und Nachbarn auf Unterstützungsangebote hinzuweisen, brauche sie viel Präsenz in der Öffentlichkeit und somit viel Öffentlichkeitsarbeit. Sie bemühe sich um Vernetzung zu den Vertretern der Stadt, den Gemeinderäten, der Kur- und Bäder GmbH und ausführenden Organen. Sie sei vernetzt im gesamten Landkreis mit Behindertenbeauftragten, mit vielen Vereinen, Verbänden und fachbezogenen Selbsthilfegruppen. Besuche von Sitzungen, Vorträgen und Fachmessen und regelmäßige Fortbildungen gehören zu ihrem Tätigkeitsfeld ebenfalls dazu.

Der Bedarf an Beratungen nimmt während der Pandemie zu

Der Beratungsbedarf Betroffener und die Anzahl der Beratungsgespräche hätten während der Pandemie stark zugenommen, berichtete Teichert weiter, das Spektrum der Fragen habe sich stark erweitert. Durch den Wegfall vieler Sport- und Freizeitangebote, Treffen diverser Spiel- und Spaßgruppen, der Gruppen im Generationentreff-Lebenswert, sowie der Teilhabe-Angebote von Selbsthilfe und Therapiegruppen taten sich weitere Lücken auf.

Da viele Betroffene weder eine Tageszeitung noch einen eigenen Internetzugang haben, seien sie bei der Impfterminvergabe monatelang durchs Raster gefallen. Zunehmende Vereinsamung
in der Isolation führten zu Resignation oder zur psychischen Überlastungen waren große Themen. Eine große Entlastung stelle das von Uwe Hüls, Leiter Soziales, neu ins Leben gerufene Bürgertelefon dar.

„Bad Dürrheim ist eine Kurstadt. Bürger wie Gäste erwarten eine Rückbesinnung auf den Begriff Kurstadt. Erwarten mehr Barrierefreiheit und Berücksichtigung ihrer berechtigten Interessen als in anderen Städten“, legt Inge Teichert wiederum den Fokus auf das, was ihr am Herzen liegt. Betroffene würden die Präsenz der maßgeblichen Mandatsträger ihrer Stadt suchen, möchten ihrem Bürgermeister begegnen und mit ihm sprechen.

„In Bad Dürrheim fehlen Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Menschen mit
Behinderungen“, so Teichert. „Junge Behinderte möchten ein selbstbestimmtes, selbständiges Leben führen. Das sei nur über eine Arbeit im ersten Arbeitsmarkt zu erreichen, doch zwei Drittel der größten Arbeitgeber hier im Land, zahlen lieber die geringfügige monatliche „Behindertenpauschale“, als einen Menschen mit Behinderung einzustellen.

Zu wenig bezahlbarer Wohnraum

Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum für Betroffene. In Bad Dürrheim steigen die Mieten seit Jahren stark an. Betroffene können solche Preise nicht zahlen. Alternative Wohngruppen oder Mehr-Generationen-Wohnhäuser gibt es nicht in Bad Dürrheim. Es fehle an Barrierefreiheit durch Wahrnehmung, Anerkennung und Inklusion aller Bürger.

Bad Dürrheim braucht dringend mehr Barrierefreiheit: ein barrierefreies Ärztehaus in zentraler Lage habe hier Priorität. Zu viele Arztpraxen seien nicht barrierefrei. Es fehlen barrierefreie, jederzeit nutzbare öffentliche Toiletten. Wir kehren trotz Pandemie vorsichtig zur Normalität zurück. Gäste und Besucher sind in Bad Dürrheim erwünscht und willkommen. Die Toiletten sind geschlossen.

Im Haus des Gastes, wie im Kurhaus, wo nur zweifach geimpfte, genesene oder getestete Personen nach Kontrollen die Toiletten nutzen dürfen. Spaziergänger mit FFP2-Masken, die sich an die AHA-Regeln halten, werden abgewiesen.

Als Bürger der Kurstadt Bad Dürrheim zahlen die Menschen mit Behinderungen und andere Betroffene hier ihre Steuern. Haben zwischen Bogenschießanlage und Busbahnhof, im gesamten Kurpark – viele Einrichtungen zu Spiel, Spaß und Erholung – aber nicht die Möglichkeit, eine öffentliche Toilette zu benutzen. „Ist das der Standard einer aufstrebenden Kurstadt?“ Beschwerden darüber kämen mehrmals täglich bei ihr an.

Einige Geschäfte und Gaststätten in der Innenstadt seien immer noch nicht barrierefrei erreichbar oder barrierefrei. Selbst das Sanitätshaus ist nur über eine Treppe erreichbar. Jeder Erwachsene ist beschämt, wenn er im Rollstuhl vor einem Sanitätshaus seine Inkontinenz oder andere intime Probleme besprechen muss, weil es dort keinen barrierefreien Zugang gibt.

Es gebe rund 20 Prozent Menschen mit Behinderung in der Gesamtstadt. Durch den Zuzug nach Rehaaufenthalten sei der Anteil in der Kernstadt höher anzusetzen.

Es sind keine Einzelfälle. Sie sollten auf der Prioritätenliste der Stadt, der Kubä und des Gemeinderates einen viel höheren Stellenwert haben.