So manche Familie nutzt die beweglichen Ferientage nach Fastnacht für einen Kurzurlaub. Und auch der braune Caddy vor Barths Hüsli ist voll mit Urlaubsgepäck, die Kinder warten ungeduldig auf die Abfahrt. Nur eines passt nicht dazu: Eine drei Meter lange Leiter auf dem Dachgepäckträger. Und auch ein genauerer Blick in den Kofferraum fördert ungewöhnliche Dinge zutage: eine weitere zerlegte Leiter, ein Hoch-Entaster, zwei Motorsägen, eine Astschere, eine Astsäge, eine Japansäge, eine Teleskopstange, Sicherungsseile und eine komplette Sicherheitsmontur mit Schnittschutz. Familie Barth ist auf dem Weg nach Norddeutschland in besonderer Mission: Als Botschafter in Sachen Streuobstwiesen.

Schon öfter war man bei einer befreundeten Familie in der Gemeinde Pollhagen am Mittellandkanal in Niedersachsen zu Besuch. Dort wurden bisher hauptsächlich Rüben und Getreide angebaut, Obstbäume fand man nur in Hausgärten. Doch auch hier rückt das Thema Streuobst immer weiter in den Vordergrund. Seit einigen Jahren können Interessierte beim Landkreis bis zu zehn junge Streuobstbäume kostenlos anfordern. Sie müssen eine Fläche im Kreisgebiet nachweisen, auf der sie die Bäume anpflanzen, haben allerdings keinen Einfluss auf die Sorte.
Diese Subvention sei ein Zeichen dafür, dass man den Wert einer Streuobstwiese immer mehr erkenne, freut sich Ansgar Barth, denn eine Wiese biete über 5000 Tierarten ein zu Hause, von Kleininsekten, Vögeln bis zu Kaninchen. Allerdings, und das sieht Barth kritisch, liefert der Kreis die Bäume, aber keine Beratung, die neuen Streuobstwiesen-Besitzer werden alleine gelassen. Die Folge sei guter Wille gepaart mit Unwissenheit. Pflanzfehler und fehlender Pflegeschnitt können im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Bäume kaputt gehen, zumal die Bodenverhältnisse schwierig und zu feucht sind. Das System Baum und das System Streuobstwiese sei einfach nicht vorhanden. In Baden-Württemberg sei man durch verschiedene Institutionen wie Obst- und Gartenbauvereine oder Stellen auf den Landratsämtern viel weiter. In Schaumburger Land stecke alles noch in den Kinderschuhen. Und so kam man ins Gespräch.

Beim Besuch einer Streuostwiese mit etwa 40 Bäumen gab es dringenden Handlungsbedarf. Und so bot Barth seinen ersten Schnittkurs in Niedersachsen an. Und der wurde genauso angegangen, wie er ihn immer in der Volkshochschule anbietet, zweitägig, zuerst Theorie am Freitagabend und dann Praxis am Samstag. Am Theorieabend gab es Schwarzwälder Köstlichkeiten und Edelbrand aus Barths Hüsli, damit lerne sich besser. Der Kurs war mit zwölf Teilnehmern gut besucht, es kamen Leute aus dem Umkreis von 70 Kilometern. Der eigentliche Baumschnitt dauerte den ganzen Tag über, und nicht nur junge Bäume, sondern auch ein alter Hausgarten aus den 50er Jahren wurde gründlich ausgeastet. Gerade hier könne man nicht nach dem Lehrbuch arbeiten, sondern müsse improvisieren – je nach der Vorgeschichte. Und auch das Kapitel Sicherheit kam nicht zu kurz.

Die Teilnehmer waren sehr interessiert und alle waren sich einig, einen solchen Kurs müsse in Pollhagen unbedingt noch einmal stattfinden. Zufällig kam dann auch noch einer der Gemeinderäte vorbei, der bedauerte, nicht dabei gewesen zu sein. Im Falle einer Wiederholung müsse man einen solchen Kurs größer aufziehen, der Gemeinderat bot das Gemeindehaus an. Ansgar Barth erklärte sich sofort bereit. Und so findet der dunkelbraune Caddy mit der Leiter auf dem Dach im kommenden Jahr vermutlich wieder den Weg ins Schaumburger Land.