Früher gab es in Südbaden unzählige Radfahrvereine. Ein großer Teil ist mittlerweile von der Bildfläche verschwunden. Nicht so der Radsportverein Unterbränd, der in diesen Tagen sein 100-jähriges Jubiläum feiert. Denn der Verein erkannte die Zeichen der Zeit und stellte immer wieder rechtzeitig die Weichen für die Zukunft, auch wenn manch Älterer mit Wehmut auf das zurückblickt, was früher einmal war. Neunzig Jahre stand das Korsofahren im Vordergrund, heute sind es lange Mountainbike-Touren, im örtlichen Heidenloch-Bikepark wird Technik-Training vermittelt.

Die Unterbränder Biker-Damen.
Die Unterbränder Biker-Damen. | Bild: RSV Unterbränd

Als der Verein 1950 nach einer Zwangspause reaktiviert wurde, war er zunächst nicht zugänglich für Jugendliche, erzählt der damals 13-jJährige und spätere Vorsitzende Egon Mantel. Es war Sache der Erwachsenen, die mit dem Fahrrad zu den ersten Korsofahrten in der näheren Umgebung nach Biesingen und Donaueschingen fuhren.

Unterbränd war damals eine eigene Welt, es gab keine Autos. Außer dem Radfahrverein gab es nichts, im Ort wurden Radrennen und Geschicklichkeitsfahren durchgeführt, mit Helmut Wider brachte man einen in Baden erfolgreichen Radrennfahrer hervor. Ende der fünfziger Jahre durften dann auch Jugendliche nach dem Schulabschluss beitreten.

Ein Meilenstein ist die Eröffnung des Heidenloch-Bikeparks im Jahr 2018 (von links) Ideengeber Wilfried Hepting, die Landtagsabgeordnete ...
Ein Meilenstein ist die Eröffnung des Heidenloch-Bikeparks im Jahr 2018 (von links) Ideengeber Wilfried Hepting, die Landtagsabgeordnete Martina Braun, Bürgermeister Micha Bächle, Ortsvorsteher Winfried Klötzer, Rainer Wider, Vorsitzender des Radsportvereins Unterbränd. | Bild: Lutz Rademacher

Zentrale Ereignisse waren fortan die Korso-Teilnahmen, die bis zu vier Mal jährlich stattfanden und später auch weiter weg führten, zuerst mit Zug und Fahrrädern, später mit Autos und einem Transporter für die Räder. Schnell wurde die Familie mit einbezogen, viele hatten Kinder, es waren schöne Ausflüge, an denen fast der ganze Ort beteiligt war. Der Ablauf war immer der gleiche. Am Freitag wurden Reisig und Blumen gesucht, am Abend trafen sich die Damen zum Kranzen, die Fahrräder wurden vorbereitet. Am Sonntagmorgen wurden die Fahrräder verladen, dann ging es los. Vorort wurden die Räder geschmückt, dann wurde zur Standwertung aufgestellt. Anschließend fuhr man im Festumzug durch den jeweiligen Ort, Ziel war ein Festzelt, in dem die Bewertung und Preisverteilung stattfand.

Korso-Festumzug 1954 mit Fähnrich Josef Mantel.
Korso-Festumzug 1954 mit Fähnrich Josef Mantel. | Bild: RSV Unterbränd

Bewertet wurde die Anzahl der Teilnehmer, die gefahrenen Kilometer zum Gastverein, Banner und Wimpel, Kleidung, Räderschmuck, die Aufstellung und der Gesamteindruck, das Fahren und die Haltung. Hatte das Fahren in den Anfangsjahren noch viel Militärisches, wurde es später zusehends lockerer. Man durfte auch einmal winken, Sportgruppen wie Mountainbiker durften mitfahren, auch Jugendgruppen wurden mit gewertet.

Aufstellung zum letzten Korso des Radsportvereins Unterbränd am 29.Mai 2011 in Neudingen.
Aufstellung zum letzten Korso des Radsportvereins Unterbränd am 29.Mai 2011 in Neudingen. | Bild: Lutz Rademacher

Beginn einer neuen Ära war das Jahr 1995. Wilfried Hepting wurde zum Jugendwart gewählt und suchte jugendliche Teilnehmer für eine Mountainbike-Gruppe. Doch es meldete sich nur ein Fünfzehnjähriger, alle anderen waren älter. Damit war eine zunächst gemischte Bikergruppe geboren, die anfangs donnerstags zu Ausfahrten von 20 bis 30 Kilometern in die Umgebung startete. Was folgte, war ein regelrechter Run auf das Angebot.

Rainer Wider führt den Radsportverein als 1.Vorsitzender ins Jubiläumsjahr.
Rainer Wider führt den Radsportverein als 1.Vorsitzender ins Jubiläumsjahr. | Bild: Lutz Rademacher

Den Damen wurde es bald zu schnell, und da sich auch viele Ehepaare mit Kindern einfanden, teilte sich die Gruppe in eine Frauengruppe am Montag und eine Herrengruppe, die dienstags fährt. Das ist bis heute so geblieben. Bei den Männern gibt inzwischen es je nachdem, wie viele kommen, zwei bis drei Gruppen, die Strecken mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden bewältigen. Mittlerweile haben sich auch E-Bikes etabliert.

Der Radsportverein Unterbränd beim Korsofahren Anfang der siebziger Jahre.
Der Radsportverein Unterbränd beim Korsofahren Anfang der siebziger Jahre. | Bild: RSV Unterbränd

Nachdem das mit der Jugendgruppe nicht geklappt hatte, wagte Wilfried Hepting 1996 einen zweiten Versuch mit einer Kindergruppe: Voraussetzung ab fünf Jahre, ohne Stützräder mit Helm. Der Zulauf war überwältigend. Zusammen mit Uwe Mantel betreute er schon im ersten Jahr bis zu 20 Kinder bei den Ausfahrten. Bald wurden ein zweiter und dritter Jugendwart notwendig, die Eltern halfen mit.

Dieser Trend hielt bis vor fünf Jahren an, fast alle Unterbränder Kinder durchliefen den Radsportverein, doch das Interesse ließ nach. Als 2018 ein Tiefpunkt erreicht wurde, suchte man nach neuen Wegen. Simon Wider und Michelle Ketterer absolvierten eine Ausbildung zum D-Trainer Mountainbike und bieten seither ein professionelles Technik-Training an, das sofort gut angenommen wurde und derzeit nur wegen der Pandemie auf Eis liegt.

Vor dem Korso wurden dei Räder liebevoll geschmückt. Hier Dunja Demattio und Sabine Knöpfle in Bittelbrunn 2009.
Vor dem Korso wurden dei Räder liebevoll geschmückt. Hier Dunja Demattio und Sabine Knöpfle in Bittelbrunn 2009. | Bild: Lutz Rademacher

Voraussetzung hierfür ist der 2018 eröffnete Heidenloch-Bikepark, den der Radsportverein 2017/18 in 15 ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen erstellt hat und ständig weiterentwickelt. Viele Mountainbiker nutzen mittlerweile das Angebot bei der Unterbränder Grillhütte.

Die neu gegründete zunächst gemischte Bikergruppe 1996 : Uwe Mantel (noch mit Rennrad), Birgitta Hepting, Andreas Knöpfle, Wilfried ...
Die neu gegründete zunächst gemischte Bikergruppe 1996 : Uwe Mantel (noch mit Rennrad), Birgitta Hepting, Andreas Knöpfle, Wilfried Hepting, Kurt Weißer. | Bild: RSV Unterbränd

Und was wurde aus dem Korso? Ganz zum Leidwesen der älteren Unterbränder Radfahrer ließ das Interesse Ende der 2000er-Jahre zusehends nach. So entschloss man sich, das Kapitel zu beenden. Am 29.Mai 2011 nahm man beim Patenverein in Neudingen das letzte Mal an einem Korso teil. Es wurden noch einmal alle Mitglieder mobilisiert, sodass das Kapitel mit 12 Uniformträgern, 19 Bikern und 11 Mitgliedern der Jugendgruppe nach neunzig Jahren einen würdigen Abschluss fand. Mittlerweile ist das Thema Korso auch von der Homepage des Badischen Radsportverbandes verschwunden. Der Unterbränder Radsportverein indes lebt weiter, in einer anderen Form, auch nach 100 Jahren.