Wie sich die Arbeit und die Ausrichtung auf einem Bauernhof in den vergangenen rund 50 Jahren geändert haben, macht ein Blick auf den Bauernhof Mühle in Überauchen deutlich. Er wird mittlerweile in der neunten Generation von der Familie Kiefer betrieben.
Als Landwirt Karlheinz Kiefer 1965 im Alter von 28 Jahren den übernahm, konnte ein Bauer noch 15 Menschen ernähren. In den 80er- und 90er-Jahren waren es bereits rund 50 Menschen. Heute kann ein Landwirt rund 120 Menschen ernähren. Diese Effizienzsteigerung war möglich durch technischen Fortschritt, den jeweils die aktuelle Generation auf dem Bauernhof vorangetrieben hat.
Pferde zogen noch die Pflüge
In den 60er Jahren war der Hof eine von vielen traditionellen Landwirtschaften, bei denen noch Pferde die Sähmaschinen und Pflüge zogen. Es folgten jedoch schon bald die ersten Traktoren als Zugmaschinen. Der Stall wurde noch von Hand ausgemistet, jedoch auch dieser Vorgang wurde bald durch die moderne Schwemmentmistung abgelöst. Karlheinz und Margarete Kiefer bauten in den 70-er Jahren den Kuhstall nach neuesten Standards um. Das Landwirtschaftsamt unterstützte damals derartige Vorhaben mit großzügigen Krediten. Es war somit möglich, einen modernen Laufstall zu schaffen, in dem die Tiere frei umher laufen konnten und nicht wie vielerorts noch üblich, angebunden im Stall stehen mussten. Das nächste Projekt war der Bau von Silos, um zur Silagefütterung der Kühe übergehen zu können.
Bürokratie und Zuschüsse – ein Geben und Nehmen
Für Karlheinz Kiefer, der aus einer Weinbaufamilie am Kaiserstuhl stammt und eine dreijährige Winzerlehre absolviert hat, begann der Bürokratieausbau in der Landwirtschaft mit der zunehmenden Zentralisierung der EU in Brüssel. In diesem Zusammenhang erwähnt Karlheinz Kiefer aber auch die damit einhergehende Gewährung von Unterstützungen und Prämien für Ackerbau, Flächenbewirtschaftung und die Schwarzwaldbauern. Den Förderungen folgten steigende Anforderungen an die Dokumentationspflicht. Man könne also von einem gewissen Geben und Nehmen sprechen, so der 83-Jährige.
Harald Kiefer war der einzige Sohn von Margarete und Karlheinz Kiefer. Mitte der 90er-Jahre übernahm er im Alter von 29 Jahren den Bauernhof Mühle in neunter Generation. Damals war der Hof ein Milchviehbetrieb mit 30 Kühen. Harald absolvierte eine dreijährige Landwirtschaftslehre auf dem elterlichen Hof und besuchte zwei Jahre die Berufsschule. Anschließend folgte noch die Fachschule in Donaueschingen, um den elterlichen Betrieb leiten zu können.
Erster Hofladen bestand 18 Jahre
Als einziger Sohn des Hauses war damals klar, dass er den Hof übernehmen würde. Er entwickelte nie andere Berufswünsche. Mutter Margarete betrieb zusätzlich einen Hofladen mit Bedientheke und verschiedenen Eigenprodukten vom Hof. So konnte man neben Eiern auch selbstgebackenes Brot, Nudeln und Fleisch aus eigener Herstellung verkaufen. Der Hofladen bestand rund 18 Jahre und wurde 2003 aus Altersgründen aufgegeben.
1998 wird eine Biogasanlage gebaut
Da eine Erweiterung des Hofs aus infrastrukturellen Gründen und aufgrund des begrenzten Milchkontingents Mitte der 90er Jahre unmöglich war, fing Harald Kiefer an, sich über die Möglichkeiten einer Biogasanlage zu informieren und besuchte Fachvorträge zum Thema. Auch der schwache Getreidepreis, welcher den Verkauf von Getreide unrentabel machte, begünstigte eine Investition in diese Form der Energiegewinnung. 1998 folgte der Bau einer Biogasanlage im großen Tal. Es war im Schwarzwald-Baar-Kreis die dritte dieser Art und die Anlage nahm somit eine Vorreiterrolle ein.

Neben Kuhmist, werden dort auch Gras und Sonnenblumen zur Stromherstellung verwendet. Mittlerweile stamme in Brigachtal rund 85 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien, so Harald Kiefer. Neben der Energie aus Biogas spielt dabei vor allem die Solarenergie eine Rolle, welche jedoch mehrheitlich privat erzeugt wird. Was von der selbsterzeugten Energie auf dem Bauernhof Mühle nicht verbraucht wird, geht an den Energieversorger.
Harald Kiefer empfand in den 90er-Jahren eine massive Zunahme an bürokratischen Anforderungen. So begann zum Beispiel bei den Düngemengen die Dokumentationspflicht. Es musste dokumentiert werden, welche Art Dünger und in welcher Menge und auf welchem Feld ausgebracht wurde. Jedoch waren den Landwirten zu dieser Zeit die Richtwerte schon lange bekannt und wurden von den meisten bereits strikt eingehalten. Es entstand das Gefühl der Überreglementierung.
Pässe für jedes Tier
Es wurden außerdem auch die sogenannten Tierpässe eingeführt, womit jedes Tier neben einer Ohrmarke auch einen eigenen Pass erhielt. Dafür musste innerhalb der ersten sieben Tage nach Anschaffung eine Meldung gemacht werden. Dies dient auch heute noch der Nachvollziehbarkeit, woher ein Tier stammt und wohin es verkauft wird. Wenn ein Tier erkrankt, müssen die entsprechenden Medikamente gemeldet werden, sodass nachvollzogen werden kann, wann beispielsweise Antibiotika eingesetzt werden musste. Einerseits unverzichtbar, andererseits unbestritten eine Zunahme an bürokratischem Aufwand für den Landwirt. Kurz nach der Hofübergabe heiratete Harald Kiefer seine Frau Sonja und Sohn Simon kam zur Welt.
Die bislang letzte Generation
Jungbauer Simon begann nach dem Besuch der Werkrealschule in Bad Dürrheim eine Ausbildung zum Landmaschinenmechaniker, brach diese jedoch ab, um seine große Leidenschaft, die Landwirtschaft, zur Profession zu machen. Die Ausbildung zum Landwirt umfasste ein Jahr Vollzeitschule und zwei Jahre praktische Ausbildung auf drei verschiedenen Höfen. So konnte Simon Einblick in eine Pferdepension, Milch- und Mastviehbetriebe und einen Betrieb mit Legehennen gewinnen. Im Gegensatz zu seinem Vater und Großvater musste Simon keine spezielle Fachschule zum Betriebsleiter absolvieren, da die duale Ausbildung aus praktischen Erfahrungen auf fremden Höfen und theoretischem Lernen an der Berufsschule die Jungbauern bereits auf die Führung eines Hofes vorbereitet.
Eigene Hühner und Alpakas
Für den elterlichen Betrieb entwickelte Simon bereits früh Ideen. So hegte er jahrelang den Wunsch, eigene Hühner zu halten. Diese Idee setzte der 21-Jährige im Herbst 2019 um. Auch seine Idee der Alpaka-Haltung und das Angebot verschiedener Wanderungen und Events mit den Tieren setzte er vergangenes Frühjahr um. Die Resonanz ist enorm: Neben vollen Terminbüchern für Wanderungen, kann sich Simon Kiefer auch bereits über Stammgäste freuen, die regelmäßig mit der ganzen Familie auf Alpakatour gehen. Auch den Hofladen der Großmutter reaktivierte er in neuem Gewand. Eigene Eier, Honig, Nudeln und verschiedenen Fleischwaren erwarten die Kundschaft nun an der Bondelstraße in Überauchen.

Selbstverständlich werden dort auch Produkte aus der eigenen Alpaka-Wolle verkauft. „Zum Glück“, so der junge Landwirt, „ist die regionale Eiervermarktung bei uns noch möglich.“ Um Hühner halten zu dürfen, müssen einige Dokumentationspflichten erfüllt sein. So brauche es zu Beginn selbstverständlich eine Genehmigung zur Tierhaltung. Es müsse dokumentiert werden, wo und dass die Hühner genug Auslauf haben. Täglich müssten die gelegten Eier gezählt, dokumentiert und einmal pro Jahr ans Veterinäramt beziehungsweise die Seuchenkasse gemeldet werden.
Sinnstiftende Arbeit mit Mehrwert
Für Simon Kiefer ist die Frage, warum ein junger Mensch heute noch Landwirt werden solle, einfach zu beantworten. Er liebe am Beruf des Landwirts die Arbeit in und mit der Natur sowie den Tieren. Er empfinde seinen Beruf als sinnstiftend und könne trotz der ständig steigenden administrativen Anforderungen dem Beruf einen entscheidenden Mehrwert abgewinnen. Einen Teil der Bevölkerung tatsächlich zu ernähren, Strom zu erzeugen und die Natur durch nachhaltige Bewirtschaftung von Flächen zu bewahren, seien für ihn genug Gründe, um eine Zukunft in diesem Beruf zu sehen.