Ferdinand Harich

Der Berliner „Circus Sonnenstich“ ist ein tolles Beispiel für erfolgreiche Inklusion. Dort lernen Menschen mit Behinderung zum Beispiel, am Trapez zu schwingen und mit Keulen zu jonglieren. Durch dieses Projekt entwickeln sie ihre soziale und künstlerische Persönlichkeit. Der gebürtige Donaueschinger Michael Pigl-Andrees hat den Zirkus vor 22 Jahren gemeinsam mit seiner Frau Anna-Katharina Andrees gegründet. Am 27. Mai wird ihm das Bundesverdienstkreuz in Berlin verliehen.

Michael Pigl-Andrees (hinten) und zwei Helfer unterstützen ein Ensemblemitglied bei den Proben.
Michael Pigl-Andrees (hinten) und zwei Helfer unterstützen ein Ensemblemitglied bei den Proben. | Bild: Sandra Schuck

In der Siedlung, im Fuchsweg 20, wohnte Michael Pigl-Andrees bis zu seinem 22. Lebensjahr. Am Fürstenberg-Gymnasium legte er seine Abiturprüfung ab. An der Schule spielte er Basketball und coachte die Mädchen-Basketballmannschaft. Beim Spiel auf die zwei Körbe hat ihn schon damals das Jonglieren mit dem Ball in den Bann gezogen. Nachdem er sein Abiturszeugnis in der Tasche hatte, absolvierte er seinen 20-monatigen Zivildienst an der Karl-Wacker-Schule. Im Anschluss daran war er für vier Monate als Praktikant in einem Kindergarten tätig. „Ich komme noch ab und zu nach Donaueschingen„, erzählt Pigl-Andreas. Seine Mutter und seine Großmutter wohnen noch in der Stadt.

Michael Pigl-Andrees stellt seine Artisten mit Handicap dem Publikum vor.
Michael Pigl-Andrees stellt seine Artisten mit Handicap dem Publikum vor. | Bild: Sandra Schuck

Im Alter von 22 Jahren zog es ihn dann nach Berlin. Im Januar 1990 wagte er den Schritt in die Hauptstadt. „Ich wollte in eine Stadt ziehen, in der alles möglich ist“, erinnert er sich. Das erste halbe Jahr schlug er sich als Briefträger durch. Anschließend besuchte er eine Jahr lang eine Schauspielklasse bis er schließlich ein Studium für Soziale Arbeit begann.

Michael Pigl-Andrees: „Es ist eine sehr komplexe Tätigkeit.“

Während des Studiums kam er mit dem „Ramba-Zamba-Theater“ in Kontakt. Das Berliner Theater setzt sich schon länger für Menschen mit Behinderung ein. So kam Pigl-Andrees auf die Idee, den „Circus Sonnenstich“ zu gründen. Die Besonderheit des Zirkus: Alle Artisten, die bei den Aufführungen in der Manege stehen, haben eine Behinderung beziehungsweise ein Handicap. Die Verbindung der künstlerischen und pädagogischen Arbeit gefalle ihm besonders gut, berichtet der ehemalige Donaueschinger. „Es ist eine sehr komplexe Tätigkeit.“

Rosen für die Artisten: die Mitglieder des Berliner „Circus Sonnenstich“. Eine Auslandsreise hat den Zirkus der etwas ...
Rosen für die Artisten: die Mitglieder des Berliner „Circus Sonnenstich“. Eine Auslandsreise hat den Zirkus der etwas anderen und besonderen Art bis nach Prag geführt. | Bild: Sandra Schuck

Neben seiner Arbeit mit den Artisten und deren Familien entwickelt Pigl-Andrees eigene didaktische Programme oder er veröffentlicht in Fachmagazinen. Die Finanzierung des Zirkusprojekts sei nicht gerade einfach. Wenn man die Arbeit mit den Behinderten ernst nehme, müsse man sie verantwortungsvoll begleiten. Dazu brauche der Zirkus ein großes Team. Allerdings bedeute das auch, dass sich das Projekt nicht allein durch die Ticketerlöse finanzieren könne. „Es ist ein Erfolg, wenn die Einnahmen die Ausgaben decken.“ Projektanträge bei Stiftungen, monatliche Beiträge der Artistenfamilien sowie Sponsoren helfen dem „Circus Sonnenlicht“, über die Runden zu kommen.

Einzigartige und berührende Bühnenerlebnisse

Die Artisten seines inklusiven Ensembles schaffen in ihren Zirkus-Aufführungen einzigartige und immer berührende Bühnenerlebnisse. Ein Auftrittsort ist in Berlin das Chamäleon-Theater. Gastspiele führen die Truppe aber auch ins Ausland, wie jüngst nach Prag. Ein großer Erfolg sei es zudem, eine Einladung für das diesjährige „Berlin-Circus-Festival“ erhalten zu haben. „Wir treten neben allen anderen großen Zirkussen auf. Und zwar ohne dass darauf hingewiesen wird, dass unsere Artisten eine Behinderung haben.“

Im Jahr 2011 gründete Michael Pigl-Andrees mit seiner Frau außerdem noch das „Zentrum für bewegte Kunst“. Der Verein entwickelt die pädagogisch-künstlerische Arbeit mit Menschen mit Behinderung weiter und will das Thema Inklusion weiter in der Gesellschaft verankern.

Selbstvermarktung gehört zum Geschäft

Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes bringe leider nicht so viel Aufmerksamkeit, sagt der Sozialpädagoge. „Man muss das schon selber promoten.“ Deshalb habe er einige TV-Sender darum gebeten, über die Preisverleihung zu berichten. Glücklicherweise habe das geklappt. Schlussendlich profitiert das Zirkusprojekt also von der Verleihung des Verdienstordens. „Allerdings muss man sehr viel dafür tun“, resümiert der Berliner Pädagoge mit Donaueschinger Wurzeln.