Wer auf der Baar unterwegs ist, der wundert sich vermutlich kaum mehr, wenn er irgendwo in der Gegend eine Lama zu Gesicht bekommt. Die Tiere sind im Trend. Sie sind Begleiter bei Kinderfreizeiten oder einfach beliebte Haustiere. Nun kommt allerdings noch ein weiteres Einsatzfeld dazu: Im Mediclin Zentrum für Psychische Gesundheit und der Mediclin Klinik am Vogelsang in Donaueschingen, werden die Tiere zu therapeutischen Zwecken eingesetzt. Seit Juni wird ganzjährig eine tiergestützte Therapie mit vier Lamas für alle Abteilungen angeboten.

Bereits seit drei Jahren habe man eine Kooperation mit den Bräunlinger Geländespielern, denen die Tiere gehören, erklärt Matthias Holzapfel, Leitender Psychologe des Zentrums für Psychische Gesundheit. Zuerst erfüllte das reine Freizeit-Zwecke, dann bemerkte man die positive Wirkung des tierischen Kontakts auf die Patienten.
Emil, Fridolin, Karl und Alois
Mittlerweile gibt es für die vier Lamas Emil, Fridolin, Karl und Alois auf dem Klinik-Gelände ein eigenes Gehege mit Stall und ausreichend Auslauf. „Montag bis Donnerstag sind sie bei uns. Gemeinsam mit den Patienten holen wir sie aus Bräunlingen ab, am Donnerstag bringen wir sie wieder zurück. Am Wochenende kümmern sich die Geländespieler um die Tiere“, sagt Holzapfel. Die Lamas werden dort auch gerne mal als Co-Therapeuten bezeichnet.
Wann das Tier streikt
Aber warum gerade Lamas? „Lamas sind nicht so gut zu dominieren wie andere Tiere, die zu Therapiezwecken eingesetzt werden. Will man sie mit roher Gewalt führen, dann streikt das Tier“, erklärt Holzapfel. Aus diesem Naturell gibt es für die Patienten viel zu lernen: „Man muss den Beziehungsaufbau üben und die Grenzen erkennen. Die Lamas sind da nicht wie eine dressierter Hund.“ Sie seien keine Kuscheltiere, die man auf Anhieb in den Arm nehmen könne. In Kombination mit dem entspannten Wesen fördert der Kontakt mit den Tieren das Selbstwerterleben, die Wahrnehmung der Identität sowie Verbundenheitsgefühl und Achtsamkeit. Das eignet sich besonders bei Menschen mit depressiven Erkrankungen, Ängsten oder auch Traumatisierungen. „Besonders belastete Patienten, die in sich gefangen sind, kommen durch den Lama-Kontakt wieder aus sich heraus. Gerade jene, die verbal kaum aktiv sind, sprechen ihre ersten Worte wieder zu den Tieren“, erklärt Holzapfel.
Acht von zehn machen mit
Bei den Patienten kommt das Angebot an. Sie werden bei Ankunft in der Einrichtung über die Möglichkeit informiert und könne sich dann zu einem späteren Zeitpunkt auch dafür anmelden. „Von zehn melden sich schließlich auch acht dafür an“, erklärt Psychologin Larissa Bär. Sie befasst sich wissenschaftlich mit der tiergestützten Therapie mit Pferden und integriert dabei auch Daten von der Lama-Therapie, zu der es bisher noch kein auswertbares Material gibt.
Unterschiedliche Charaktere
Die vier Neuwelt-Kameliden, wie Lamas auch genannt werden, haben dabei alle unterschiedliche Charaktereigenschaften. Ist das eine Tier eher entspannt und trödelt, kümmert sich das andere darum, dass die Herde zusammenbleibt. Lamas benutzen etwa immer ein- und denselben Toilettenplatz in ihrem Gehege. Geht einer der Hengste aus der Gruppe dorthin, reckt Karl seinen Kopf und passt auf, dass alles seine Ordnung hat.
„Sogar Medikamenten überlegen“
„Eine Anbindung an die Natur ist wichtig für viele Patienten. Es ist eine positive menschliche Grunderfahrung, mit etwas Natürlichem in Kontakt zu treten“, erklärt Holzapfel. Um eine Zugang zum Lama zu bekommen, fordere das Tier Aufmerksamkeit. „Es handelt sich dabei um eine ernst zu nehmende Therapie, die auch eine Vor- und Nachbereitung hat.“ Sie sei teilweise sogar den Medikamenten überlegen.
„Wir haben auch schon von Patienten gehört, die nach der Therapie sagten, dass der Kontakt mit den Lamas geholfen hat und allein ausgereicht hätte“, so Miriam Pirch, Therapeutin für tiergestützte Therapie. Aber wie sieht es denn mit dem Spucken aus? „Sie spucken nur, wenn sie untereinander Konflikte austragen, um etwa die Rangfolge zu regeln. Menschen spucken sie nur dann an, wenn sie mit ihnen schlechte Erfahrungen gemacht haben“, so Pirch.
Therapieformen mit den Lamas
In Donaueschingen werden bei der tiergestützten Therapie mit den Lamas drei verschiedene Formen angeboten. Die Patienten können sich eine davon aussuchen. Um Vertrauen zum Lama aufzubauen ist es wichtig, die Therapie zweimal anzubieten.
- Outdoor-tiergestützte Wanderung: Reha-Patienten holen die die Tiere montags zu Fuß in Bräunlingen ab und laufen mit ihnen bis an die Klinik. Am Donnerstag werden sie auch wieder von den Patienten zu Fuß zurückgebracht. Die Wanderung dauert etwa drei bis dreieinhalb Stunden.
- Lama-Spaziergang: Die Patienten gehen mit den Lamas auf einen zweistündigen Spaziergang in der Region. Therapeutische Themen bei Wanderung und Spaziergang sind der Beziehungsaufbau, Achtsamkeit, Vertrauen, Entschleunigung, Durchsetzungsfähigkeit, Nähe und Distanz.
- Lama-Versorgung: Dazu gehören das morgendliche Füttern und Tränke der Lamas. Außerdem das Ausmisten des Stalles und die Pflege des Geheges. Therapeutisches Thema ist hier das strukturierte Arbeiten, das Planen von Arbeitsabläufen, Arbeitseinteilung, Verantwortung und Fürsorge.