Kariertes Hemd, Jeans, ein gewinnendes Lächeln. Der bärtige, kleine Mann wirkt nicht wie ein Pfarrer. Flugs lotst Klinikseelsorger Jörg Makarinus-Heuß in sein Büro: Nur ein paar Schritte von der Rezeption des Klinikums Donaueschingen liegt es entfernt. Zwischen Behandlungsräumen der Handchirurgie und der Krankenhauskapelle, ein lang gezogener Raum. „Früher war das ein Fluchtweg, aber der führt jetzt durch die Kapelle“, erklärt der 61-Jährige. Der funktionale Charakter stört ihn nicht. Er ist ohnehin lieber unterwegs im Haus.

Krankenschwestern kennen sich aus

Stets nimmt er die Treppen. Offen für jedes Gespräch. Der Klinikpfarrer darf aber auch in die Patientenliste am Empfang schauen. Die meisten Anregungen für den intensiven Austausch mit Patienten kommen über das Pflegepersonal. „Da frage ich einfach, wer schon länger da ist, oder ein Gespräch brauchen könnte.“ Die Krankenschwestern kennen den Allgemeinzustand der Patienten oft besser als die Ärzte, aber auch diese setzten den der Schweigepflicht unterbundenen Pfarrer bei Bedarf in Kenntnis zum Gesundheitszustand.

Ein abgegriffenes, aber wichtiges Arbeitsmittel: Jörg Makarinus-Heuß zeigt sein Losungsbuch.
Ein abgegriffenes, aber wichtiges Arbeitsmittel: Jörg Makarinus-Heuß zeigt sein Losungsbuch. | Bild: Wursthorn, Jens

„In neun von zehn Fällen gehe ich aktiv auf die Patienten zu“, sagt er. Das gelte natürlich auch, wenn es sich um einen Menschen handelt, der zum wiederholten Mal im Klinikum ist. Selten werde er über das Personal direkt gerufen. Aus einer kurzen Begrüßung ergäbe sich oft ein viel intensiveres zweites Gespräch. Was dann kommt, „geht ans Eingemachte„.

Psychische Belastungen häufiger Gesprächsthema

Klinikseelsorge ist Ausnahmezustand. „Diese Menschen kennen mich nicht und sind nur einen beschränkten Zeitraum da“, sagt er. Und sie schütten ihm ihr Herz aus. Zwischen Geburt und Unfalltod drehen sich die intensiven Gespräche, aber auch Vergewaltigung, Kinderlosigkeit oder Scheidung sind Themen der in der Regel 20- bis 45-minütigen Dialoge. Relativ häufig gehe es um Missbrauch: manchmal müsse sich der Klinikseelsorger mehrmals in der Woche mit diesen Seelenleiden beschäftigen. Häufiger als früher öffneten sich Menschen mit psychischen Belastungen.

Schwarzwald-Baar-Klinikum, Standort Donaueschingen
Schwarzwald-Baar-Klinikum, Standort Donaueschingen | Bild: Wursthorn, Jens

Seit sieben Jahren arbeitet Makarinus-Heuß im Klinikum. Seit die katholische Klinikseelsorgerin Margarete Lorenz vor 15 Monaten in Ruhestand ging, betreut er alle Konfessionen. „Was für ein Pfarrer ich bin, sage ich eingangs gar nicht. Wenn dann die Frage kommt, zeige ich auf meinen Ehering“, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln. Augenhöhe ist dem Mann, der bewusst aufs Auftreten im Anzug verzichtet, ganz wichtig, um ins Gespräch zu kommen. „Ich habe Zeit“, öffnet er Gespräche, die nie kalt lassen, aber im Ansatz Grenzen haben. Er sei weder ein Therapeut, noch müsse er die Menschen in irgendeiner Form bewerten, betont Makarinus-Heuß.

Schon Beichten abgenommen und Hostien verteilt

Seelsorgerisch holt er ganz selbstverständlich auch katholische Patienten ab. „Ich habe schon die Beichte abgenommen und mit Absprache mit dem katholischen Pfarrer Hostien verteilt.“ Die geweihten Hostien werden in einem Tabernakel in der Krankenhauskapelle aufbewahrt. Der stets zugängliche Ort grüßt mit Koranen und Gebetsteppichen im Bestand und einer griechisch-orthodoxen Ikone an der Wand alle Religionen.

Die Krankenhauskapelle ist immer zugänglich und interkonfessionell ausgerichtet. Neben einer Ikone gehören der Koran und Gebetsteppiche ...
Die Krankenhauskapelle ist immer zugänglich und interkonfessionell ausgerichtet. Neben einer Ikone gehören der Koran und Gebetsteppiche gehören zum Fundus. | Bild: Wursthorn, Jens

Besonders schwer zu verkraften ist es für ihn, wenn Eltern ihm über den Tod ihrer Kinder erzählen. „Das ist eine ganz andere Situation, als wenn Kinder ihre betagten Eltern auf dem letzten Weg begleiten“ Aber auch dann, wenn mitten im Leben stehende Patienten mit einer unheilbaren Lungenkrankheit kämpfen. Diese extremen Herausforderungen bringen dem gebürtigen Thüringer umgekehrt eine Reaktion ein, die er durchaus als Dank bezeichnen würde. „Bei diesen Menschen erlebe ich erstaunliche Tapferkeit gegenüber dem Unvermeidlichen.“ Der Klinikseelsorger fühlt sich da mitgetröstet, weiteren Abstand zu seiner emotional belastenden Tätigkeit bringen ihm am Abend die Heimfahrt, Gespräche mit seiner Frau oder Spaziergänge mit dem Hund.

Klinikleitung schätzt seine Arbeit

„Ich fühle mich im Klinikum als Kollege aufgenommen und wertgeschätzt“, weist er auf das gute Miteinander im Haus. Das bestätigt ihm auch die Klinikleitung. „Die Klinikseelsorger leisten einen sehr wertvollen Beitrag im Klinikum. Sie haben ein offenes Ohr und sind auf Wunsch Ansprechpartner, Ratgeber oder Begleiter für unsere Patienten, aber oft auch für die Angehörigen“, sagt Pressesprecherin Sandra Adams.

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Und wenn der Seelsorger zu spät kommt? Unlängst habe er in einem Patientenzimmer nur noch die Angehörigen angetroffen. Ihr Verwandter war kurz zuvor gestorben. Er sei erst bestürzt gewesen und habe dann die Situation gerettet, indem er die Gruppe zum Gebet einlud, erinnert er sich. Was folgte, sei ein faszinierender Austausch gewesen. Ob da ein höherer Wille im Spiel war? Makarinus-Heuß lächelt.

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