Nicolas Held hält die Luft an und wird kräftig in den Holz-Zuber mit kaltem Wasser getunkt. Als er wieder auftaucht, ist das Prozedere noch nicht vorbei. Er bekommt einen Stock, an dessen Ende mehrere Schwämme gebunden sind, ins Gesicht gedrückt. Er lacht. Es scheint nicht weh getan zu haben.
Das alles passiert auf der Fläche vor der Firma Bromberger Packungen in Allmendshofen. Nicolas Held gehört zu jenen Mitarbeitern des Familien-Unternehmens, die an diesem Tag gegautscht werden. So nennt sich das, was er gerade erlebt. Und die Konstruktion mit den Schwämmen wird als Gautsch-Pinsel bezeichnet.

Das alles findet im Rahmen einer größeren Familienfeier bei Bromberger statt: „Wir hatten in kurzer Zeit viele Investitionen“, sagt Geschäftsführer Christof Bromberger. Eine neue Druckmaschine, neue Lüfter-Anlagen und den Wareneingang umgebaut. „Von hochmoderner Technik geht es heute aber auch zur uralten Tradition“, so Bromberger weiter.
Ein Brauch der schwarzen Kunst
Das Gautschen ist ein Brauch der Drucker, sie sind Angehörige „der schwarzen Kunst“, erklärt Bromberger. Das hat nichts mit dunkler Magie zu tun, seit Jahrhunderten werden Drucker als angehörig zur schwarzen Kunst bezeichnet. Wohl, weil sie früher noch voll mit Druckertinte bespritzt waren.
„Gegautscht wird eigentlich, wer seine Lehrzeit erfolgreich hinter sich gebracht hat“, sagt Bromberger. Früher habe man dafür die Täuflinge während der Arbeit überrascht und das Ritual vollzogen – „danach ging es in die Kneipen.“
Heute werde es nicht mehr so häufig gemacht. Bei Bromberger selbst war es 2014 das letzte Mal der Fall. Danach habe man sich gemeinsam ein Spiel der Fußball-Weltmeisterschaft angeschaut.
Eine richtige Gautsch-Urkunde, die es im Anschluss gibt, ist auch nicht mehr an vielen Stellen zu bekommen. Die Firma Bromberger lässt ihre in Radolfzell anfertigen.

Es gibt auch einen Gautschbrief
Die Urkunde ist nicht wie eine Spaßauszeichnung zu sehen. Sie wird edel dekoriert, gerahmt – und besitzt einen Wert: „Der Gautschbrief hat einen Sinn“, erklärt Willibald Neininger, der viele Jahre für Bromberger gearbeitet hat, mittlerweile allerdings im Ruhestand ist: „Geht man in eine neues Unternehmen und kann dort keinen Gautschbrief vorweisen, dann kann es passieren, dass man dort gegautscht wird“, so Neininger.
Neben Nicolas Held landen an diesem Tag auch Zivojin Sancanin und – sehr überraschend – Uwe Kern im eiskalten Bottich. „Damit sie von allem aus der Lehrzeit gereinigt werden“, sagt der Gautschmeister Wolfram Hauser, der durch die Zeremonie führt. Ab jetzt dürfe es bei der Arbeit keine Fehler mehr geben.

Arbeit gibt es auch bei Gautschmeister, Schwammmeister und den vier Packern, die sich um die Täuflinge kümmern. Die werden jeweils in die Luft gehoben, in den Zuber gepackt – und dort ordentlich durchgewaschen. Wasser wird über sie geleert, die Schwämme ins Gesicht gedrückt. „Eine schöne Abkühlung“, lacht Nicolas Held im Anschluss. „Es wurde mir zwar angedroht, geglaubt habe ich das allerdings nicht“, sagt Uwe Kern.