Sie kennen das? Kaum hat die Apothekerin das Rezept gelesen, liegt das verordnete Medikament auf der Ausgabetheke. Die Zeitspanne beträgt wenige Sekunden und was wie Zauberei anmutet, ist der vorletzte Punkt eines hochmodernen Ordnungs- und Verteilsystems, das in Apotheken zum Tragen kommt.
Ein Lager wie in der Industrie
Kommissionierautomat heißt der Alleskönner, der prüft, sortiert, einräumt, umräumt und Medikamente zu Bedienplätzen transportiert. Peter Meess, der mit seinem Sohn Florian die Hofapotheke in Donaueschingen führt, hat sich so ein „kleines Hochregallager wie in der Industrie“ im vergangenen Jahr angeschafft. Was es genau gekostet hat, erzählt der 64-jährige Apotheker nicht.
Aber 100 000 Euro müsse man für ein gutes System schon investieren. Weil der Automat im Zuge des Apotheken-Umbaus im vergangenen Jahr einen mehrere Jahre alten Vorgänger ersetzte, darf man eine Optimierung voraussetzen. Und die Investition zahlt sich in anderer Hinsicht aus. Personal wird vom Materialdurchlauf entlastet und kann in Beratung und Verkauf eingesetzt werden.
Der Weg der Medikamente durch die Hofapotheke beginnt an einer Hintertür. Mehrmals während der Geschäftszeiten klingeln Lieferanten. Dimitrios Dimitriadis bringt gegen halb zwölf die bis zehn Uhr getätigten Bestellungen. Die blauen Kisten führt er mit einer Sackkarre in einen Nebenraum. Aus Sicherheitsgründen begegnen sich Ausfahrer und Apothekenpersonal nicht direkt.
Ein paar Meter weiter entfernt „füttert“ Apothekerin Edith Bauer den Automat. Sie setzt den Inhalt eines ganzen Kartons Baby-Nasensprays in einen Schacht.
Auf einem Förderband laufen die Fläschchenpackungen einer Lichtschranke entgegen. Dort werden sie gescannt und schon beim Eingang auf Haltbarkeit und Herkunft geprüft.
In Sekundenbruchteilen erfolgt der Abgleich mit dem Zentralcomputer. Seit Medikamente von Herstellung bis Verkauf eine durchgängige Produktionsnummer aufweisen müssen, macht das Fälschungen deutlich schwerer.
Was hinter den Lichtblitzen stattfindet, sieht man von außen nicht. Edith Bauer kann sich anderen Aufgaben zuwenden. Oder einfach weitere Packungen in den Schacht schütten. Auch andere Medikamente? Der Automat lässt sich nicht verwirren. Wie er zwischen den beiden etwas sechs Meter langen Regalreihen arbeitet, lässt sich durch die Frontscheibe beobachten. Ein Greifarm, der auf einem schienengebundenen Läufer sitzt, flitzt in allen Höhen und sorgt für sorgen für die Ein- und Auslagerung.
Was er gerade macht, lässt sich durch die getönte Scheibe gar nicht so genau erkennen, aber er arbeitet Prioritäten ab. Vorrang haben Anforderungen von den fünf Bedienplätzen der Apotheke, dann folgt das Einlagern und das Umräumen. Das System optimiert die Lagerung ständig und merkt sich alle Ablageplätze. Je nach Jahreszeit 9.000 bis 12.000 Artikel umfasst das automatisierte Lager.
Und wenn der Strom ausfällt? Dann springt ein Akku an, sagt Peter Meess. Aber auch eine als Datensatz hinterlegte Positionsbeschreibung würde im Notfall zum gewünschten Medikament führen.
Automat bestellt selbst – aber nach Vorgaben
Nachbestellungen tätigt der Automat selbständig nach Vorgaben. Häufig nachgefragte Medikamente sind in höherer Stückzahl vorhanden als selten gehandelte. Aber auch der Abgleich mit den an der Kasse getätigten Verkäufen wirkt sich auf die Bestellquote aus. Automatisch handhabt das System auch das Aussortieren. Das Haltbarkeitsdatum ist dabei einer von mehreren möglichen Parametern.
Gegenüber dem tiefer gelegenen Anlieferungsschacht liegt auf Höhe der Computertastatur ein Eingangsmodul, über das händisch Ein- und Ausgänge gesteuert werden können. Etwa Medikamente, die aus dem Verkaufsraum zurückkommen.
Dort können maximal fünf Kunden zur gleichen Zeit bedient werden. Und jeder Angestellte muss sich vom Kassenterminal nur einen Schritt nach hinten bewegen, um das gerade georderte Präparat aus dem Auswurfschacht zu nehmen. Kurz zuvor hat das System das Rezept eines Kunden gescannt.
Das vom Arzt verordnete Medikament und der Name der Krankenkasse mischen sich zum Ergebnis, das der Kommissonierautomat über ein verschachteltes System auf die Bahn bringt, das an die Rohrpost früherer Tage erinnert.
Denn die Apotheken sind an die Rabattvorgaben der Krankenkassen verbunden. Im Verkauf bei den Apotheken, so erklärt das Peter Meess, sind in der Regel Generika, also Nachahmerprodukte. Dabei bevorzugen die Krankenkassen bestimmte Hersteller und räumen beim Kauf Rabatte ein.
Die müsse der Apotheker berücksichtigen. Allerdings erkenne und respektiere das System auch das Kreuzchen, das der Arzt auf dem Rezept hinterlassen hat: Wo aus medizinischer Sicht das Original erforderlich ist, geht auch das Original über den Ladentisch.
Der letzte „Job“
Ob bei Original oder Generikum: Ist der Kassenvorgang abgeschlossen, folgt der letzte „Job“ des Kommissionierautomats: Der Auftrag zur Nachbestellung wird übermittelt.