Ein Anruf war der Auslöser. Nach über acht Jahrhunderten gibt es wieder Rotwein aus Grüningen. Am 15. Februar wurden im Hexenhisli der Rebberghexen 33 Flaschen des edlen Tropfens abgefüllt, die an der kommenden Fasnet als besondere Kostbarkeit unters Volk gebracht werden sollen.
Verlockendes Angebot
Im September 2021 klingelte bei Gründungsmitglied Manfred Storz das Telefon. Am anderen Ende war Doris Hellstern, die auf dem Rebberg wohnt und deren Familie schon seit vielen Jahren Reben im Garten hat. Sie habe dieses Jahr sehr viele Trauben, könne nicht so viel Traubensaft machen, ob die Hexen nicht Lust hätten, Wein daraus zu machen.
Storz nahm die Anregung zum nächsten Rentner-Stammtisch mit, der jeden Samstag, soweit es die aktuellen Corona-Bestimmungen erlauben, um 16 Uhr im Hexenhisli stattfindet.
Franz Schnurr war sofort Feuer und Flamme und so fanden sich die beiden Rentner Mitte Oktober auf dem Rebberg zur Weinlese ein.
Bereits am Nachmittag wurden die Trauben von Franz Schnurr entstielt. Dann ging es nach Gottmadingen zu Franz Horn, einem ehemaligen Arbeitskollegen, der eine Weinpresse besitzt und sich mit Wein auskennt.
Die Trauben wurden gepresst und der Oechslegrad gemessen. Dieser konnte mit einigen Zutaten von 80 auf 92 gesteigert werden. Der Wein ruhte dann zunächst bei Kellertemperatur in Gottmadingen. Im Dezember wurde er dann gefiltert und nach Grüningen überführt, wo er bis zur Abfüllung im Keller von Franz Schnurr in einem Fass mit Gärspund reifte.
Natürlich musste auch ein geeignetes Etikett für die Rebberg-Auslese her. Was gab es besseres als das Bild von drei Rebberghexen im Häs in einem Weinberg, aufgenommen bei einem Ausflug in den Kaiserstuhl vor einigen Jahren? Ergänzt wird es auf der Rückseite mit Bildern von der Weinlese und der Herstellung. Auch die Rebsorte Robusta-Rebe Buffalo sowie ein Verweis auf den Wein, der im zwölften Jahrhundert auf dem Rebberg wuchs, bleiben nicht unerwähnt.

Und damit sind die Rebberg-Hexen eng verbunden. 1975 planten Manfred Storz und Franz Schnurr mit einem weiteren Mitstreiter die Gründung eines Narrenvereins in Grüningen und suchten nach Themen. Alles wollten Sie damals machen, nur keine Hexe und keinen Hansel.
Nachdem mehrere andere Ideen verworfen worden waren, konnten sie den Holzbildhauer-Meister Hermann Schlenker für sich gewinnen. Dieser nahm den Bleistift an und machte eine Handskizze. „So stelle ich mir Eure Hexe vor“, sagte er. „Ich mache Euch eine Urscheme, dann könnt Ihr sagen, ob Ihr noch etwas ändern möchtet“.
SÜDKURIER liefert die zündende Idee
Die zündende Idee hatte dann der ehemalige Ortsvorsteher Hermann Winterhalder, der von dem Vorhaben Wind bekommen hatte. Er kam mit einem SÜDKURIER-Artikel mit einer Buchbeschreibung. Dieses Buch handelte vom Weinbau im Brigachtal.
In Überauchen und Grüningen wurde im zwölften Jahrhundert Wein angebaut, weil es das Kloster St. Georgen es verlangte. Hierfür musste der Zehnte abgegeben werden. So gibt es in Grüningen noch heute das Gewann Rebberg. Der Wein soll aber nicht so gut gewesen sein, sehr sauer. Bei allen Unglücken wurde damals eine Hexe verantwortlich gemacht, so auch für den sauren Wein.
Grüninger tricksen St. Georgener Kloster aus
So hat die Maske der Rebberg-Hexen auf einer Seite eine saure Traube im Mund, das Gesicht wird verzogen. Die andere Seite aber lacht verschmitzt, denn den guten, süßeren Wein haben die Grüninger damals stets behalten, während der saure nach St. Georgen ging. Die Hexen haben feste Schuhe, um in den Weinberg zu gelangen, das Kopftuch ist grün, Rock und Schurz tragen die Farben des Grüninger Wappens.

Von dem neuen Grüninger Wein gibt es 33 Flaschen mit 0,3 Liter Inhalt, etwa zehn Liter, also eine echte Rarität. Und eines darf man noch verraten: Dieser Wein wäre im zwölften Jahrhundert nicht nach St. Georgen gegangen, er wäre vermutlich in Grüningen geblieben.