Tauben haben es nicht leicht. Verpönt als Ratten der Lüfte werden sie ihren weithin schlechten Ruf einfach nicht los. Doch für Institutionen wie den Tierschutzverein Villingen-Schwenningen sind Tauben wertvolle Mitglieder der artenreichen Vogelwelt. So kommt es, dass sich die aktiven Mitglieder Thorsten Kuchenbecker und Susanne Kleinekorte aktuell am Donaueschinger E-Center um schutzbedürftige Tauben kümmern. Dort versuchen einige Tiere, zwischen Spikes zu brüten und ihre Jungen großzuziehen. „Wir sind durch Kundschaft darauf aufmerksam geworden, dass tote Küken und Eier auf dem Boden liegen. Weil Tauben zunächst primitive Nester bauen, fallen diese nicht selten herunter“, sagt der 35-Jährige.

Um sich vor Taubenansammlungen zu schützen, bringen Lebensmittelhändler häufig Spikes an. An beliebten Anflugstellen werden Vögel durch diese Maßnahme mit spitzen Gitterdrähten abgeschreckt. Das ist nicht unüblich, wie Kuchenbecker erklärt: „Bei Lebensmittelgeschäften, ob innen oder außen, ist immer das Gesundheitsamt präsent. Händler müssen gewisse Auflagen erfüllen. Um sich etwa vor Taubenkot zu schützen, arbeiten sie mit Spikes. So werden die Tiere abgewehrt.“ Es komme jeweils auch darauf an, ob die Tiere beispielsweise direkt am Kundeneingang zugange sind oder hinten am Lager, also einem Bereich, der weniger stark frequentiert ist.

Der Filialleiter des E-Center in Donaueschingen sei kooperativ. „Wir dürfen nach den Tieren schauen und kontrollieren“, so Kuchenbecker. Andere Geschäfte, etwa in Villingen und Schwenningen, hätten ebenfalls Probleme mit Tauben.
Problem ist menschengemacht
Woher rührt überhaupt die große Abneigung in der Gesellschaft gegenüber Tauben? Um diese Frage zu beantworten, muss man tief in die Historie blicken. Tierschützer Thorsten Kuchenbecker sagt: „Sie sind keine Wildtiere, sondern verwilderte ehemalige Haustiere. Stadttauben sind sehr menschenbezogen und Nachkommen der Brieftaube, die früher – vor Zeiten des Telefons, aber auch während der Kriege – zur Kommunikation eingesetzt wurde.“ Man hat die Tiere ihm zufolge stark gezüchtet, da viele benötigt wurden. „Die Verlustrate war vor allem wegen Greifvögel-Attacken hoch.“ Damals habe man den Tauben deshalb einen Bruttrieb über das ganze Jahr angezüchtet. Dadurch hätten sie keinen natürlichen Instinkt für Anpassungen an klimatische Veränderungen im Zuge der Evolution entwickelt.
„Irgendwann hat die Brieftaube wegen des technischen Fortschritts in ihrer Funktion an Wert verloren, sie wurde nicht mehr gebraucht“, so Kuchenbecker. Durch diese Historie fehle der Stadttaube heutzutage ein Stück weit die Selbstständigkeit. Also suche sie die Nähe zum Menschen. „In den Innenstädten haben sie meist Erfolg, finden viele Essensreste. Diese Nahrungsquelle ist aber keine gesunde. Sie sind darauf angewiesen, was ihnen vor den Schnabel kommt: Pommes, Wurst, sogar Erbrochenes von Menschen und Hundekot fressen sie aus der Not heraus.“ Als Folge dieser Fehlernährung würden Tauben häufig Durchfall bekommen. Das wiederum führe zum schlechten Image. Kuchenbecker: „Sie seien viele und sie würden stinken, doch das stimmt so nicht.“ Dennoch könne er beide Seiten verstehen: Fürsprecher und Gegner von Tauben.
Häufig falsche Ernährung
Eigentlich seien Stadttauben ohnehin Getreidefresser. An artgerechte Nahrung gelangen sie aber laut Thorsten Kuchenbecker nur zweimal im Jahr: im Frühjahr, wenn die Bauern ihre Felder einsäen, und im Herbst, wenn die Felder abgemäht werden und Restgetreide herumliegt. Folglich müssten sie auf andere Orte ausweichen, wie zum Beispiel Lebensmittelgeschäfte. Und das, obwohl „solch ein Hof wie am E-Center in Donaueschingen eigentlich uninteressant für Tauben ist, da hier in der Regel keine Essensreste liegen“, so der 35-Jährige. Er vermutet, dass sie sich unter anderem wegen der Nähe zur Stadt dort niederlassen: „Tauben sind Schwarmtiere und in Gruppen unterwegs. Sie haben einen Drang dazu, Nester zu bauen.“ Dort würden sie ihre Küken bis zur fünften oder sechsten Woche großziehen. „Das Weibchen beginnt dann damit, neue Eier zu legen. Durch die starke Vermehrungsrate haben Tauben sieben bis neun Gelege pro Jahr, nicht wie Wildvögel zwei.“

Geschwächte Tiere nimmt der Verein in seiner Station auf. Vor allem mit Knochenbrüchen, Anflugtraumata und durch Greifvögel zugefügte Verletzungen haben die Ehrenamtler zu tun, wie Thorsten Kuchenbecker berichtet. Diese Tauben würden dann tierärztlich versorgt. „Wir bekommen viele Küken rein, die wir von Hand füttern, großziehen oder in Gruppen integrieren. Sobald sie selbst fressen, kommen sie in die Jugendtaubengruppe, wo sie zwei bis drei Monate lang größer werden, also zum Beispiel Muskulatur aufbauen“, erklärt er. Sie sollen auf Selbstständigkeit und ein Leben in der Natur vorbereitet werden. Auch das Freifliegen zu üben gehöre dazu, bis sie schließlich freigelassen werden. „Davor werden die Tiere noch gesundheitlich untersucht. Jedes Tier, das in unserer Station war, bekommt einen Ring, der mit einer Notfall-Telefonnummer versehen ist.“

Den leidenschaftlichen Einsatz für die Tauben setzt der Tierschutzverein um Thorsten Kuchenbecker auch in Zukunft fort – dem schlechten Ruf der Vögel zum Trotz.