Eigentlich waren die Stadträte bislang der Meinung, dass die Lucian-Reich-Schule nur noch einen neuen Querbau benötigt. Und dann endlich ein Strich unter Hüfingens Dauerbaustelle gezogen werden kann. Dass es nun mehr als zehn Millionen werden, anstatt der sechs bis sieben Millionen, von denen anfangs die Rede war, damit haben sie sich mittlerweile abgefunden. Doch nun kommt es ganz anders. Denn es wurden so einige Überraschungen präsentiert – baulich und finanziell.

  • Große Überraschung: Der neue Architekt Ingolf Gössel, der als Sieger aus der europaweiten Ausschreibung hervorgegangen war, und nun mit den ursprünglichen Planungen weiterarbeitet, brachte einige Überraschungen mit. Bevor der Neubau realisiert werden kann, müssen nicht nur im Bestand Maßnahmen für 575 000 Euro umgesetzt werden. Die Stadträte haben nun auch die Wahl: Wollen sie zu den rund zehn Millionen Euro noch eine weitere Millionen Euro in die Schule investieren oder soll nun nur das Nötigste gemacht werden, sodass in ein paar Jahren weitere Maßnahmen anstehen würden.
  • Die minimale Lösung: Festgelegt haben die Stadträte schon einmal, dass die minimale Lösung für 575 000 Euro realisiert werden soll. Eine Wahl hatten sie eigentlich auch nicht, denn nicht nur für die Bauzeit – in der der Querbau nicht zur Verfügung steht – werden zusätzliche Klassenzimmer benötigt. Auch wenn der Neubau dann steht, sollen zwei weitere Lerninseln dauerhaft in der Aula zur Verfügung stehen. Bloß: Die Aula wurde nie dazu gebaut, dass man sich länger dort aufhält.
    "Wir haben sie eigentlich nur überdacht, dass man da trockenen Fußes durchlaufen kann", erinnert sich CDU-Stadtrat Franz Albert. Und so ist es im Sommer zu heiß und im Winter zu kalt. Allerdings sind das nicht die einzigen Mängel: Das Dach ist undicht. Hinzu kommt, dass die Verglasung nicht den Brandvorschriften entspricht. "Eigentlich sollten sie einem Brand 30 Minuten standhalten, aktuell liegt der Wert bei null Minuten", erklärt Gössel. Weitere Mängel: Das Geländer der Galerie ist zu niedrig und entspricht nicht mehr den Sicherheitsbestimmungen. Mit der Einrichtung der beiden Lerninseln gebe es weitreichende Veränderungen, sodass der Bestandsschutz verloren gehen würde und das Gebäude wohl nicht mehr für den Unterricht genutzt werden könnte.
  • Optionale Lösung: Viel wurde zwar in den vergangenen Jahren in die Lucian-Reich-Schule investiert, doch die energetische Sanierung des West-Gebäudes wurde nie abgeschlossen. Die westliche Seite wurde damals aufgeschoben und befindet sich noch im Originalzustand. "Der Wärmeschutz ist völlig ungenügend", so Gössel. Und beim Dachanschluss wurden beim näheren Hinschauen Wärmebrücken entdeckt. Während die West-Fassade des Klassentraktes rund 300 000 Euro kosten würde, sei beim Dach mit 106 000 Euro zu rechnen. Allerdings – würden alle drei Blöcke gleichzeitig realisiert, würden die Kosten etwas niedriger liegen, weil es gewisse Synergieeffekte gibt – wie das Einrichten der Baustelle.
    Der Vorteil: "Die Schule wäre dann wirklich fertig", erklärt der Architekt.
  • Das Rätsel: "Das Bestandsgebäude West soll 2008/2010 saniert worden sein", sagte Gössel. Eine Wortwahl, die die Gemeinderäte in Erstaunen setzt, schließlich sind sie sich ganz sicher, dass damals saniert wurde. Doch im Rathaus gebe es aufgrund von Personalwechsel keine detaillierten Akten, was eigentlich genau gemacht wurde.
  • Die Schülerzahlen: Braucht die Lucian-Reich-Schule wirklich so viel Platz? "Es wird bei uns nie leerstehende Räume geben"; sagt Rektor Franz Dury, der von einer komplett durchgängigen Dreizügigkeit ausgeht und ab dem kommenden Schuljahr von zwei zehnten Klassen. Unsicherheiten gebe es nur im Bereich der Grundschule, wo einmal ein geburtenschwacher Jahrgang dabei sein könnte, oder bei den Zehntklässlern, deren Zahl von der Entscheidung der Schüler abhängt.
  • Die Weichenstellung: Eigentlich hätten die Stadträte gern diskutiert. Adolf Baumann (FW/FDP/UWV) sprach sich dafür aus, gleich die ganzen Maßnahmen auf einmal in Angriff zu nehmen, während Markus Leichenauer (CDU) das Ganze lieber erst einmal verdaut hätte. Richtungslenkend griff Bürgermeister Michael Kollmeier ein: "Die Verwaltung hat einen Vorschlag gemacht und wohlgemerkt nur einen." Denn für lange Diskussionen ist keine Zeit: Die Arbeiten am Bestandsbau müssen abgeschlossen sein, bevor der Querbau abgerissen werden kann.
    Eine Übergangslösung mit Container würde die Stadt schnell eine ähnliche Summe kosten – dann würden aber zukünftig trotzdem die beiden Lerninseln fehlen. Allerdings soll in einer der nächsten Sitzungen noch einmal über die optinalen Lösungen diskutiert werden.
  • Der Querbau: "Wir haben den Entwurf, der uns vorlag, verfeinert und verbessert", erklärt der neue Planer. So wurde beispielsweise die große Glasfassade in Richtung Süden reduziert. Denn dadurch, dass auch keine Lüftung eingeplant war, hätten sich die dahinterliegenden Klassenzimmer im Sommer extrem aufgeheizt. Oder beispielsweise die Treppenhäuser. Diese waren bislang ohne natürliche Lichtquelle geplant, durch Schlitze in der Fassade soll nun auch Tageslicht einfallen.
  • Die Fassade: Eine größere Herausforderung ist es, den Neubau auch optisch in die Bestandsbebauung, die sich rund um den Schulhof befindet, anpasst. Doch es mischen sich bereits unterschiedliche Stile und auch Farben. Gössel verwies auf die Marktplätze von Städten. Auch hier würden sich rundherum Gebäude unterschiedlicher Epochen und Farben befinden, doch durch ihre Höhe und Größenverhältnisse ein harmonisches Bild abgeben. Die ursprünglichen Planungen des Vorgängers hatten eine Fassade aus Klinkerriemchen vorgesehen. Allerdings sei diese Variante aus energetischen Gesichtspunkten nicht zu empfehlen, denn die alten Planungen hätten die Wärmeschutzanforderungen nicht erfüllt. Nun soll es eine wartungsfreie Fassade aus Phenolharzplatten geben.
    Der Vorteil: Sie besitzen eine große Festigkeit, Zähigkeit und sind biegbar. Außerdem sind sie sogar graffitiresistent. Das Fassadenmaterial soll im Inneren des Gebäudes ebenfalls zur Akzentsetzung verwendet werden. Der Farbton soll bei einem Vorort-Termin festgelegt werden.
  • Der Zeitplan: Architekt Ingol Gössel wird die Planungen – auch für den neuen Querbau – verfeinern. In einer der nächsten Gemeinderatssitzungen werden dann die Aufträge vergeben. Für den Erweiterungsbau ist der Zeitraum September 2018 bis Juli 2020 vorgesehen. Die Maßnahmen im Bestandsbau müssen aber zuerst realisiert werden.