Nebel hüllt sich um die Michael-Balint-Klinik. Es ist still. Ein trüber Freitagmorgen. Fast scheint es, als ob die Sonne zu kraftlos ist, um sich durch die dichte Wolkendecke zu kämpfen. Vielleicht geht es ihr heute ähnlich wie einigen Patienten der Klinik: Sie sind resigniert und erschöpft. Abschied nehmen, Koffer packen, Hände schütteln heißt es für die verbliebenen Patienten der Klinik. Heute wird die Klinik offiziell geschlossen. Die letzten Patienten reisen ab.

„Die Klinik war einzigartig“
Ulrich Raisch ist einer von ihnen. Seit dem 14. August ist er Patient in der Michael-Balint-Klinik. Heute wird er der letzte Patient sein, der um 16 Uhr die Klinik verlassen und unsicheren Boden betreten wird. „Ich habe hier einen Aufschwung erlebt“, sagt der 61-Jährige. Er ist emotional. Immer wieder kämpft er gegen die Tränen an, immer wieder gelingt es ihm nicht. Zu groß ist der Schmerz über das Klinik-Aus.
„Die Klinik war einzigartig.“ Schon in mehreren Kliniken sei er gewesen, erzählt Raisch. In keiner habe er sich so gut betreut, so wohl gefühlt. „Es war für mich hier wie ein zweites Zuhause.“ Drei Monate hat Raisch in der Klinik verbracht. Das Sportangebot habe ihm besonders gut gefallen. Ausgiebige Spaziergänge, die familiäre Atmosphäre, der kurze Weg in den Ort zu der Buchhandlung, wo er sich mit Lektüre eingedeckt hat – all das wird ihm fehlen.
„Ich dachte, es wird wieder“
Raisch muss zurück nach Hause. Eine neue Klinik habe er noch nicht in Aussicht. „Das macht mich unruhig.“ Die Nachricht der Klinik-Schließung sei nicht nur ein Schock, sondern auch ein „Störfaktor“ für seine Genesung gewesen, so Raisch. „Ich dachte, es wird wieder.“ Vor einigen Wochen hat Ulrich Raisch eine Protestaktion in der Klinik organisiert. 30 Patienten haben mitgemacht, sagt Raisch. Sie haben Plakate entworfen, auf denen sie den Erhalt der Klinik gefordert und die Entscheidung angeprangert haben. Genützt hat es nichts.
Kritik an Sozialministerium
„Wir haben getan, was wir konnten“, sagt Ralf Ruchlak, Verwaltungsleiter der Klinik. Sein Unverständnis gegenüber der politischen Entscheidung ist groß: „So eine Entscheidung darf es in Baden-Württemberg nicht geben.“ Was ihn zusätzlich betroffen mache, sei, dass niemand aus dem Sozialministerium sich je schriftlich oder telefonisch erkundigt habe, was mit den Patienten passiere. „Die Klinik wurde geschlossen wie eine Imbissbude.“ Viele haben sich für den Erhalt der Klinik eingesetzt, erzählt Ruchlak.
Viele haben sich für Erhalt eingesetzt
„Es waren wenige, die es nicht wollten.“ Die Deutsche Rentenversicherung Land sei beispielsweise persönlich vor Ort gewesen, um sich ein Bild zu verschaffen. Auch regionale Politiker, niedergelassene Ärzte oder die Rehabilitationsabteilung der AOK hätten sich für den Erhalt eingesetzt. Nur von dem Sozialministerium, von Manfred Lucha und seinen Mitarbeitern, hätte er sich mehr Engagement gewünscht. Gerade ein Minister für Soziales und Integration sollte die Klinik „als ein Juwel in Baden-Württemberg sehen“, findet Ruchlak.

Für Akutbettenantrag wird weiter gekämpft
„Der Akutbettenantrag soll aufrecht erhalten werden“, sagt Ruchlak, der sich gemeinsam mit Chefarzt Wilfried Callenius weiter für die Akutbetten einsetzen will. Was die Mitarbeiter betreffe, seien die meisten mittlerweile in Kliniken in der Umgebung untergekommen, informiert Betriebsratvorsitzender Christian Schrodt. Trotzdem sei die Situation für viele Mitarbeiter schwierig, so Betriebsrätin Gabriele Patek-Irrgang. Die Kündigungsfrist werde nicht bezahlt. Mitarbeiter seien von heute auf morgen arbeitslos. „Das ist ein Schlag für alle Mitarbeiter, die über Jahre hinweg durchgehalten haben.“
Durchgehalten hat auch Ulrich Raisch das Auf und Ab der vergangenen Wochen. Gerne wäre er geblieben. Eine Wahl hatte er nicht. Raisch schiebt seinen Koffer über die Schwelle der Eingangstür der Klinik. Nicht in das Gebäude hinein, sondern hinaus. Wie es für ihn weitergeht, ist ungewiss. Sein Vertrauen in die Politik hat er gewiss verloren.