Eine anerkannte Fachklinik steht vor dem Aus: In der Michael-Balint-Klinik in Königsfeld (Schwarzwald-Baar-Kreis), Schwerpunktklinik für Traumatologie und muttersprachliche psychologische Behandlung, wurden vor allem Jesidinnen aus dem baden-württembergischen Hilfsprogramm behandelt. Doch die Klinik stellt Mitte November den Betrieb ein.
Klinik vor dem Aus
Nach jahrelangem, nach außen schwer verständlichen juristischem Ringen um die Zukunft der seit 2010 im Insolvenzverfahren steckenden Klinik und die Übernahme der 42 psychosomatischen Vertragsbetten durch andere Betreiber erhielten nun vergangene Woche alle 100 Beschäftigten ihre Kündigung. Der zuständige Verband der Ersatzkassen (VdEK) will die Betten künftig an eine Rottweiler Klinik geben, sie sollen auf die Standorte Rottweil und Tuttlingen verteilt werden. Aber nicht nur die Zukunft der Mitarbeiter in Königsfeld ist nun offen – auch die Frage, wie die Betreuung der Jesidinnen und der anderen Patienten künftig fortgeführt werden kann. Allein die Warteliste der Klinik umfasst 175 Namen.
Personal betrauert die Schließung
Mit aufgebaut hat den Schwerpunkt an der Michael-Balint-Klinik der Traumatologe und Psychologe Jan Ilhan Kizilhan, der maßgeblich am Jesidinnen-Programm des Landes beteiligt war und inzwischen in Donaueschingen tätig ist. „Das ist sehr traurig“, sagt Kizilhan. „Wir brauchen mehr solcher Kliniken, nicht ihre Schließung. Das wird uns auf Dauer viel mehr kosten, denn psychische und physische Gesundheit ist die Voraussetzung für Integration.“ An der Balint-Klinik sei exzellente Arbeit geleistet worden. Viele junge jesidische Frauen hätten durch sie den Weg in ein eigenes Leben gefunden. „Sie haben zum Teil Familien gegründet, gehen einer Arbeit nach“, sagt Kizilhan. Dennoch brauchen sie weiter Unterstützung – zum Teil noch jahrelang, glaubt der Psychologe.
Mangelnde Alternativen für Patienten
Der Königsfelder Bürgermeister Fritz Link, der gemeinsam mit Beschäftigten und regionalen Amts- und Mandatsträgern schon seit Jahren um den Erhalt der seit 2010 im Insolvenzverfahren befindlichen Klinik ringt, will trotz scheinbar vollendeter Tatsachen nicht aufgeben. „Für uns als Standort ist diese Klinik entscheidend, wir kämpfen um diese Einrichtung. Hier wurden Millionen in die Infrastruktur investiert, wir haben 600 bis 700 Patienten im Jahr, rund 25.000 Übernachtungen“, sagt Link. Dass funktionierende Strukturen zerschlagen würden, obwohl es Konzepte für eine wirtschaftliche Weiterführung der Klinik gebe, will ihm nicht in den Kopf. „Für die 40 bis 50 Jesidinnen, die derzeit hier behandelt werden, gibt es keine Auffanglösung, auch nicht für die Patienten“, sagt er. „Mit der einen Hand zerstört man dieses funktionierende Zentrum, mit der anderen gibt man uns fünf Millionen Euro an touristischer Förderung.“
Komplizierte Rechtslage für Schließung verantwortlich
Die Verantwortung für die Schließung der Michael-Balint-Klinik schieben derweil Sozialministerium und VdEK mit Verweis auf die hochkomplexe Rechtslage zwischen sich hin und her. „Die Schließung ist bedauerlich,
es wird intensiv nach Lösungen gesucht, um die Versorgung der betroffenen Patienten kurzfristig sicherzustellen“, teilt der VdEK auf Anfrage mit.
Das Sozialministerium wiederum sieht die Versorgung der Jesidinnen nicht infrage gestellt, „da sie entweder von anderen stationären Einrichtungen aufgenommen oder in die ambulante Versorgung überführt werden“, teilt das Haus mit und verweist im Übrigen auf die Rechtslage.
Landtagsabgeordneter sichert Unterstützung zu
Link setzt nun auf die an diesem Mittwoch stattfindende nächste Sitzung des Landeskrankenhaussausschusses, bei der die Michael-Balint-Klinik angesprochen werden soll. „Wenn man den politischen Willen hat, diese Betten zu erhalten, dann kann man das auch tun“, glaubt er.
Unterstützung hat Link auch vom örtlichen CDU-Landtagsabgeordneten Karl Rombach: „Ich habe die Erwartungshaltung, dass der Ministerpräsident eine klare Ansage macht“, sagt Rombach. Regierungschef Winfried Kretschmann selbst habe schließlich den Bund erst im Sommer aufgefordert, selbst ein Jesiden-Hilfsprogramm aufzulegen. Die Unterstützung Baden-Württembergs habe er zugesagt.
Land fährt Hilfe zurück
Zwischen 2015 und 2016 nahm die Landesregierung in einem Sonderprogramm rund 1100 Jesidinnen aus dem Nordirak auf, die dort vom IS verfolgt worden waren, darunter auch die spätere Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murat. Bis Ende 2021 übernimmt das Land die Kosten für die medizinische und psychiatrische Behandlung. Die „erhöhte Betreuungspauschale“ für die Kommunen läuft jedoch aus.