Die Schließung des medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in Schramberg sorgt für Wirbel in der Ärzteschaft. Der Schramberger Kardiologe Heiko Gertsch wirft der Helios-Geschäftsführerin Cornelia Koch vor, die Unwahrheit gesagt zu haben.
Koch hatte bei einem Pressegespräch am Mittwoch erklärt, das MVZ in Schramberg müsse schließen, weil es trotz intensiver Suche nicht gelungen sei, die seit Juli 2018 nicht besetzte Gynäkologen-Stelle wieder zu besetzen. „Maßgeblich“ für das Betreiben eines MVZ sei aber, dass es von zwei Fachärzten „aus unterschiedlichen Fachrichtungen“ betrieben werde, so Koch. Die andere Facharztstelle im Schramberger Helios-MVZ hatte eine Fachärztin für Allgemeinmedizin besetzt.
Dazu stellt Dr. Gertsch fest, das frühere Kriterium „fachübergreifend“ – also zwei unterschiedliche Fachrichtungen – für ein MVZ sei mit Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes zum 23. Juli 2015 entfallen. Seither dürften auch „fachgleiche“ MVZs betrieben werden, also beispielsweise reine Hausarzt-MVZs. Man könne sogar einen Facharztsitz teilen und ein „Mono-MVZ“ betreiben, so Gertsch.
Wenn Helios den Weiterbetrieb gewollt hätte, hätte es das MVZ auch mit zwei Hausärzten betreiben können. „Helios zieht sich aus Schramberg zurück, obwohl die Ärzte hier viel Gutes geleistet haben – einfach, weil die Rendite nicht stimmt“, vermutet Gertsch.
Auf Nachfrage bestätigt Kai Sonntag, der Pressesprecher der kassenärztlichen Vereinigung in Baden-Württemberg, Gertschs Aussage. Ursprünglich habe für ein MVZ gegolten, es müssen zwei Fachärzte mit unterschiedlichen Fachrichtungen dort arbeiten. Es brauche heute immer noch zwei Fachärzte, diese könnten aber derselben Fachrichtung angehören. Wenn Helios keinen Gynäkologen finde, hätte der Konzern auch „auf eine andere Fachrichtung umswitchen können.“ Für Schramberg wären ein HNO-Arzt oder ein Kinderarzt möglich gewesen – oder ein weiterer Allgemeinmediziner. Auf Nachfrage bestätigt Cornelia Koch, dass die zwei erforderlichen Fachärzte gleicher Fachrichtung sein, beziehungsweise Sitze auch geteilt werden können. „Rein theoretisch wäre auch eine Suche nach einem weiteren Allgemeinmediziner zur Aufrechterhaltung des MVZ Schramberg in Frage gekommen.“ Leider sei es ähnlich schwierig, Allgemeinmediziner zu bekommen wie Frauenärzte.
Ein rein allgemeinmedizinisches MVZ habe Helios „aufgrund der Präsenz der Regiodocs in Schramberg sowie deren Angebot zur Weiterbetreuung von Patienten und Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter des bisherigen MVZs nicht in Erwägung gezogen“. Koch erwähnt aber die geplante Zusammenarbeit mit den Regiodocs zur Facharztausbildung Allgemeinmedizin, „um künftig einen Teil der Ausbildung in unserer Klinik zu absolvieren“.
Vorgeschichte
Nach der Übernahme der Kreis-Krankenhäuser in Rottweil und Schramberg hatte der Helios-Konzern das Schramberger Krankenhaus, wie angekündigt, 2011 geschlossen. Der Konzern hatte aber zugesichert, sich um die ambulante medizinische Versorgung zu kümmern. Im Frühjahr 2015 startete das MVZ in Schramberg. Damals hatte Helios erklärt, man denke daran, „das MVZ weiter auszubauen, falls sich für weitere Sitze von Schramberger Ärzten keine Nachfolger finden lassen.“