Der Honberg-Sommer ist am Sonntag, 27. Juli, zu Ende gegangen. Das Festival auf dem Tuttlinger Hausberg gibt es seit 30 Jahren. Michael Baur, Geschäftsführer der Tuttlinger Hallen, blickt zurück und spricht darüber, mit welchen neuen Herausforderungen Veranstalter konfrontiert sind.

Der Honberg-Sommer 2025 bot wieder eine bunte Mischung aus jüngeren und älteren Künstlern, aus Konzerten, Varieté und Comedy. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Michael Baur: Insgesamt positiv. Wir sind mit der 29. Auflage des Festivals zufrieden, ohne Grund für Überschwänglichkeit zu haben. Aber alleine, dass wir ein friedlich-fröhliches Festival ohne Zwischenfälle feiern konnten, ist schon erfreulich. Der Fassanstich mit den Hooters war großartig, ebenso deren Auftritt! Die Veranstaltungen boten in der Folge zahlreiche Highlights, wenn ich an Suzi Quatro, den Krähe-Jubiläumsabend, die No Angels, Alexander Eder oder Melissa Naschenweng denke. Durchgefallen ist keiner, der auf der Bühne stand. Das Wetter spielte leider nicht immer mit, verschonte aber die Konzerte. Und die Resonanz vom Publikum war ganz überwiegend begeistert.
Wie viele Besucher kamen in diesem Jahr, und wie ist die Publikumsresonanz im Vergleich zu den Vorjahren?
Michael Baur: Wir haben noch keinen Kassensturz gemacht, dürften aber bei rund 14.000 zahlenden Besuchern landen. Auch mit den sieben ausverkauften Events liegen wir im Rahmen der letzten Jahre. Man muss allerdings sagen, dass wir von den über 90 Prozent Auslastung in der Zeit vor Corona weiterhin nur träumen können. Die werden wir auch in diesem Jahr nicht schaffen.
Wie viele Besucher kamen in den Biergarten?
Michael Baur: Gesamtbesucher dürften es über die 17 Tage rund 30.000 bis 35.000 gewesen sein, wobei uns und vor allem die Gastronomie das unfreundliche Wetter der zweiten Festivalwoche und die große Zahl von Konkurrenzveranstaltungen traf, aber auch die spürbare Konsumzurückhaltung vieler Leute.

Gelingt es, ein jüngeres Publikum für das Festival mit seiner über 30-jährigen Tradition zu gewinnen?
Michael Baur: Das ist, zugegeben, eine der schwierigsten Aufgaben in der Programmgestaltung. Vor allem deshalb, weil die jüngere Generation – da meine ich die bis 25-Jährigen – einen extrem divergierenden Musikgeschmack hat. Es gibt viele, sehr viele spannende Künstler, die 200 bis 400 Besucher anlocken würden, was aber für uns deutlich zu wenig ist, während die Acts, die das Zelt verlässlich füllen würden, die gehypten und für uns unbezahlbaren Stars sind. Aber mit Acts wie Lotte, HE/RO, Kaffkiez oder Alexander Eder hatten wir zuletzt einige Künstler, die super beim jungen Publikum ankamen. Und es war schön zu sehen, dass auch die No Angels oder Suzi Quatro viele junge Leute anlockten.
Wie sind Ihre Erfahrungen? Welche Acts ziehen beim Honberg-Sommer, welche weniger?
Michael Baur: Traditionell ist Tuttlingen ein gutes Pflaster für Rock und Blues. Das war schon in der Alten Festhalle so. Über die Jahre haben wir außerdem Varieté, Comedy und A Cappella gut im Festival etabliert, diese Veranstaltungen sind heute eigentlich immer ausverkauft. Wir scheuen uns auch nicht vor Wiederholungen, wenn es Künstler und Bands sind, die uns qualitativ überzeugt haben und vom Publikum wieder gewünscht werden. Und eine schwarze Nacht mit Bands aus der Mittelalterrockszene passt einfach blendend zur Location. Weniger gute Erfahrungen haben wir eigentlich nur mit Jazz gemacht.
Die Zahl der Sommerfestivals nimmt seit Jahren zu. Gefühlt findet derzeit an jeder Milchkanne ein Festival statt. Ist es vor diesem Hintergrund schwieriger geworden, Künstler nach Tuttlingen zu bringen und weiter ein hochkarätiges Programm zu präsentieren?
Michael Baur: In der Tat wird das Booking der Künstler von Jahr zu Jahr schwieriger, weil viel mehr Nachfrager beteiligt sind. Wir können uns da glücklich schätzen, dass wir uns über die Jahre ein gutes Standing in der Festivalszene erarbeitet haben und gute Kontakte zu vielen Agenten und Künstlern pflegen. Aber ja, das Geschäft ist deutlich schwieriger geworden.

Wie groß ist das Einzugsgebiet des Honberg-Sommers? Haben Sie Erkenntnisse darüber, woher die Festivalbesucher anreisen?
Michael Baur: Da wir selbst den größten Teil des Kartenverkaufs abwickeln, kennen wir die Zuschauerströme recht gut und wissen, wohin wir die Tickets versenden. Das Einzugsgebiet ist von der Zugkraft der Künstler abhängig und reicht in der Regel bis zu 100 Kilometer um Tuttlingen, wobei wir das Gros der Karten in der Region verkaufen. Aus Villingen-Schwenningen oder Rottweil kommen viele, aber auch aus der Bodenseeregion finden viele den Weg zu uns. In Einzelfällen versenden wir auch schon mal Tickets an Fans von weiter her – in diesem Jahr unter anderem nach Köln, München, Salzburg, Hamburg oder Celle. Es gab auch schon Fans, die „ihren“ Künstlern aus Großbritannien, Spanien oder Italien hinterher gereist sind. Und den Rekord hält immer noch der Japaner, der aus Tokyo kam, um in Tuttlingen Jeff Beck zu sehen.
Die Gagen der Künstler sind gestiegen, weil die CD-Verkäufe für die Künstlerinnen und Künstler eine immer geringere Rolle spielen und die Einnahmen durch Spotify und Co. diese Ausfälle oft nicht adäquat ersetzen können. Wie gelingt es trotz dieser Entwicklung, weiterhin attraktive Programme zu entwickeln?
Michael Baur: Sie beschreiben das Problem korrekt. Während die Künstler früher etwa 85 Prozent ihrer Einnahmen über den Tonträgerverkauf generierten und 15 Prozent über das Live-Geschäft, hat sich das Verhältnis heute etwa umgekehrt. Das führt, verbunden mit Kostensteigerungen in vielen anderen Bereichen wie Hotels, Technik oder Personal, zu explodierenden Gagen und leider auch zu höheren Kartenpreisen.
Auch das Publikum ist anspruchsvoller geworden.
Michael Baur: Ja, das Publikum reagiert sehr unmittelbar auf Veränderungen beim Niveau des Programms – und damit meine ich hier die Bekanntheit der Künstler und Bands. Da muss man mit Neuerungen im Programm – die ja fast nur darin bestehen können, spielfreie Tage oder Veranstaltungen mit günstigeren und deshalb weniger bekannten Acts anzubieten – extrem vorsichtig sein.
Das Honberg-Zelt fasst um die 1200 Besucher. Würden Sie sich manchmal etwas mehr Spielraum nach oben wünschen, um attraktiv für Künstler zu werden, die ein noch größeres Publikum anziehen?
Michael Baur: Keine Frage, mit mehr Kapazität im Zelt täten wir uns bei manchen Künstlern leichter die Gagenvorstellungen zu erfüllen. Aber die Frage stellt sich nicht, denn noch wichtiger als die Kapazität ist für die Attraktivität des Honberg-Sommers seine Atmosphäre. Und die lebt ganz maßgeblich auch vom Baumbestand in der Ruine. Und wir hätten überhaupt keinen Platz für ein größeres Zelt, ohne massiv in den Baumbestand einzugreifen. Die Grundsatzentscheidung, nicht weiter zu wachsen, haben wir vor wenigen Jahren mit dem Kauf des neuen Festivalzelts getroffen. Damals hatten wir außerdem festgestellt, dass uns mehr Besucher auch beim Shuttlebus-Transport auf den Berg vor erhebliche Probleme stellen würden.
In Villingen-Schwenningen wird immer wieder Kritik laut, dass die städtische Kultur dort kein mehrwöchiges größeres Sommerfestival entwickelt. Es gibt jetzt den Sommersound, der allerdings nur drei Konzerte umfasst. Verträgt die Region überhaupt noch ein weiteres Festival, nachdem es beispielsweise in Tuttlingen, Rottweil und Singen entsprechende Angebote gibt?
Michael Baur: Die Zahl an Konzerten und Festivals in der Region ist heute meines Erachtens schon eher hoch. Rottweil mit dem Ferienzauber, das Hohentwielfestival in Singen und unser Tuttlinger Honberg-Sommer sind seit 30 Jahren gut eingeführt und haben sich viel Stammpublikum erspielt. Man muss dazu ja auch sehen, wie viele Festivals – etwa in Salem, Meersburg, Friedrichshafen, Überlingen, Tettnang, Konstanz, Neuhausen, Lörrach, Freiburg und Balingen – das heute sehr mobile Publikum auch in der näheren Umgebung noch findet. Man hört schon heute öfter, dass die Vielzahl der Angebote zu einer Kannibalisierung führe.
Wie sehen Sie die Chance, ein neues Festival einzuführen?
Michael Baur: Neue Venues zu etablieren ist keine ganz einfache Aufgabe und mit nicht unerheblichen Risiken verbunden, vor allem wenn sie kein Alleinstellungsmerkmal haben. Ob man in Villingen-Schwenningen das finanzielle Risiko eingehen möchte, daneben eine weitere neue Veranstaltung aus der Taufe zu heben, müssen andere beurteilen. Es gibt allerdings viele gute Gründe, die dagegen sprechen.