Pfleger und Erntehelfer sind auf dem Arbeitsmarkt aktuell begehrt. Können da Flüchtlinge aus der Ukraine in der Region schnell Entlastung bringen? Wir haben bei der Arbeitsagentur Villingen-Schwenningen/Rottweil nachgefragt.
Meist sind es Ukrainerinnen, die nach dem russischen Angriff aus ihrer Heimat flüchteten. 1243 Arbeitslose mit ukrainischer Staatsangehörigkeit sind derzeit gemeldet. Davon seien 285 Männer und 958 Frauen, berichtet die Sprecherin der Arbeitsagentur, Elena Niggemann.
„Hoher Anteil der Geflüchteten ist ungelernt.“Elena Niggemann, Sprecherin Arbeitsagentur
Im Vordergrund für die Arbeitsagentur stehe vor allem, dass es sich um Kriegsflüchtlinge handele, die oft traumatische Erlebnisse hinter sich hätten, betont Niggemann. So sollen sie sich nicht als Notnagel fühlen, „es muss passen“. Und sie sollen vor allem entsprechend ihrer Qualifikation vermittelt werden.
Doch wie sieht es damit überhaupt aus? Zum Qualifizierungsstand der Geflüchteten aus der Ukraine könne die Arbeitsagentur zum jetzigen Zeitpunkt erst wenige Angaben machen. „Anhand der Beratungsgespräche erkennen wir aber, dass ein hoher Anteil der geflüchteten Menschen ungelernt ist“, erklärt Niggemann.
Oft ohne Berufserfahrung
Viele geflüchtete Frauen kämen aus einer familienorientierten Phase, zum Beispiel Familienpause oder Teilzeit-Beschäftigung. Eine aktuelle Berufserfahrung besonders in den zurückliegenden Jahren, liege oftmals nicht vor.
Schlechte Deutschkenntnisse
Hinzu kommen Sprachbarrieren. Das gängige Sprachniveau sei A0 (keinerlei Kenntnisse) oder A1 (Anfänger), zudem liegen kaum Englischkenntnisse vor, berichtet Niggemann.
Die Ukraine verfüge nicht über ein duales Ausbildungssystem, das mit dem deutschen System vergleichbar sei. Nach elf Schuljahren beginnen viele ein Studium oder wechseln direkt in den Beruf. Die Herausforderung – zum Beispiel bei der Pflege, die in der Ukraine Studienberuf sei – bestehe in der Anerkennung. Hierzu ist in der Regel ein Deutschsprachniveau von B2 aufwärts notwendig. Oder die Mitarbeiter müssten die tatsächlichen beruflichen Kenntnisse, die für den Arbeitsmarkt verwertbar seien, feststellen.
Ziel sei es, die Menschen entsprechend ihrer Kompetenz nachhaltig zu integrieren, betont Niggemann.
Doch was sagen die Praktiker vor Ort? Caritas-Vorstandsvorsitzender Michael Stöffelmaier glaubt nicht, dass es bei den Pflegerinnen zu einer nennenswerten Entlastung kommt. Meist sagen die Kriegsflüchtlinge ja, „dass sie gar nicht länger hierbleiben wollen“, dann lohne sich eine aufwendige Qualifikation oft leider nicht.
Es sei tatsächlich so, dass einige wieder zurück in ihre Heimat möchten und zum Teil auch schon gegangen sind, erklärt SPD-Stadtrat Nicola Schurr, der in Villingen-Schwenningen in der Ukrainehilfe aktiv ist. Die Gründe seien unterschiedlich: Manche Teile der Ukraine seien wieder ruhig, einige der Frauen sähen es sogar als patriotische Pflicht an zurückzukehren, um so ihrem Land zu helfen.
„Das größte Problem ist, dass Kindergartenplätze fehlen.“Nicola Schurr, Ukrainehilfe VS
Für die Frauen, die in Villingen-Schwenningen blieben, sei – wie auch für deutsche Familien – das größte Problem, dass Kindergartenplätze fehlen, betont Schurr. Es gebe zwar im früheren Heilig-Geist-Spital eine Kinderbetreuung, die unter großem Engagement bereitgestellt werde, lobt Schurr. Dennoch ersetze das Angebot keinen Kindergarten.
Manchmal fragen die Ukrainerinnen in Einrichtungen auch aktiv nach. Denn wenn sie einen Platz erhielten, könnten sie auch beruhigt einer Arbeit nachgehen, so Schurr.