Wenn auf dem Bau mit Holz gearbeitet wird, sei es beim Bau von Holzhäusern, beim Restaurieren alter Fachwerkhäuser, beim Abbinden und Aufrichten von Dachstühlen oder wenn ein neuer Carport gebaut werden soll, dann ist der Zimmermann gefragt – oder auch die Zimmerin. Eigentlich ist dies ein traditioneller, von Männern dominierter Handwerksberuf.

Der SÜDKURIER hat mit Johanna Schmieder gesprochen, die in der Firma Brüninghoff in VS-Tannheim im dritten Lehrjahr in Ausbildung zur Zimmerin ist, kurz vor der Abschlussprüfung steht und ein klares Bild von ihrer beruflichen Zukunft hat.

Ausbildung statt Abitur

Johanna Schmieder hat mit ihren 20 Jahren schon einen spannenden Weg hinter sich. Nach der neunten Klasse am Gymnasium ging sie nach Kanada, um dort die zehnte Klasse an einer französischen Schule zu absolvieren. Wieder zurück in Deutschland, entschloss sie sich, nach der elften Klasse und gegen den Willen ihrer Eltern kein Abitur zu machen.

„Ich hatte in Kanada ein halbes Jahr Schreinerunterricht. Die Arbeit mit Holz hat mir so gefallen, und ich habe gesagt, ich möchte ins Handwerk“, erzählt Schmieder. Sie informierte sich beim Arbeitsamt über die Möglichkeiten, mit dem Ziel, möglichst bald auf eigenen Füßen zu stehen. „Der Berater sagte mir, als Zimmerer hätte man im Holzbereich die besten Verdienstmöglichkeiten“, so Schmieder.

Mädchen als Zimmerin kaum gefragt

Als Mädchen einen Ausbildungsplatz zur Zimmerin zu bekommen, habe sich als schwierig erwiesen. „Ich habe mich bei 18 Unternehmen beworben und musste erkennen, dass man in diesem Handwerk als Frau nicht gern genommen wird“, bedauert Schmieder. Mädchen könnten durchaus mit anpacken und wenn es schwere Lasten zu tragen gibt, seien Hilfsmittel auch auf den Baustellen üblich. „Es gibt auch junge Männer, die nicht schwer tragen können“, sagt Schmieder.

„Die jungen Frauen sind die besten Azubis, hier muss ein Umdenken in der Innung stattfinden.“
Andreas Wiehl, Brüninghoff-Niederlassungsleiter

Nur von vier Betrieben hat sie eine Rückmeldung bekommen, von denen zwei abgesagt haben. „Die restlichen 14 haben sich gar nicht gemeldet“, so Schmieder, die sich aber nicht davon abbringen ließ, ihr Ziel, weiter zu verfolgen. Nach jeweils zwei Wochen Probearbeit in zwei Unternehmen erhielt sie den Ausbildungsvertrag bei Brüninghoff.

„Wir hatten 2016 das erste Mädchen in der Ausbildung, das jetzt ihren Techniker macht“, sagt Niederlassungsleiter Andreas Wiehl. Auch mit Johanna Schmieder ist er sehr zufrieden. „Die jungen Frauen sind die besten Azubis, hier muss ein Umdenken in der Innung stattfinden“, fordert Wiehl. Von den männlichen Kollegen bei Brüninghoff wurde Johanna Schmieder gut aufgenommen. „Die Kollegen sind sehr tolerant und jeder hilft jedem“, sagt Schmieder. Neckereien gebe es immer, aber diese seien nett gemeint.

Betrieb fordert Umdenken bei Innung

Das Besondere in ihrer Ausbildung bei Brüninghoff sei die Vielseitigkeit. „Wir bekommen mit, wie Gebäude aus Holz in Verbindung mit Beton, Aluminium, Stahl und Glas gefertigt werden“, so Schmieder. Dies sei eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit. „Viele sagen, dass der Schreiner auf den Millimeter genau und der Zimmerer auf den Zentimeter genau arbeite, aber das stimmt so nicht“, betont Schmieder. Alles müsse genau passen.

Im dritten Lehrjahr ist sie bereits so erfahren, dass ihr eigenverantwortlich Arbeiten übertragen werden und sie Leiharbeiter mit anweist. „Ich habe eine eigene Wohnung und verdiene schon mehr als mein Freund, der als Elektroniker in der Industrie arbeitet“, sagt Schmieder zu den Verdienstmöglichkeiten.

Nach der Gesellenprüfung stehen den Absolventen alle Wege offen. Die Meisterprüfung, der Techniker, die Selbstständigkeit oder ein Studium. „Mit dem Abschluss habe ich die Hochschulreife und möchte dann ein Studium zur Bauingenieurin beginnen“, zeigt sich Johanna Schmieder zielbewusst.

Viele Bauingenieure und Architekten hätten vor dem Studium eine Ausbildung zum Zimmerer oder Schreiner absolviert. Mit den Inhalten, die man in der dualen Ausbildung im Handwerk lerne, sei man auch im Ausland sehr gefragt. „Nach dem Studium möchte ich auswandern und wieder zurück nach Kanada“, plant Schmieder. Die andere Art, mit Holz zu bauen, reizt sie: „Während in Deutschland in Holzständerbauweise gebaut wird, baut man in Kanada in Skelettbauweise“, erklärt sie.

Nur eine Auszubildende im Kreis

Zum 31. Mai gab es im Gebiet der Handwerkskammer Konstanz insgesamt 308 Zimmerer-Auszubildende, 14 davon waren weiblich, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Im Schwarzwald-Baar-Kreis gab es 87 Zimmerer-Auszubildende – darunter nur „eine Frau“.