Stein für Stein ist abgetragen. Dort, wo bis vor ein paar Monaten das imposante Gebäude der Villinger Jugendherberge stand, bleibt eine leere Fläche.

Die früheren Jugendherbergseltern Marianne und Manfred Huger waren zwei Jahrzehnte für die Villinger Herberge verantwortlich. Sie erinnern sich an die Glanzzeit der Einrichtung, an die Geschichte des Männles und an einen Messerangriff.

„Keinen Cent von der Stadt“

Ein paar Tränen sind bei Marianne Huger tatsächlich geflossen, als das alte, 1963 gebaute Jugendherbergsgebäude abgerissen wurde. Allerdings war es ein Ende auf Raten. Spätestens als der damalige Oberbürgermeister Rupert Kubon dem Geschäftsführer des Deutschen Jugendherbergswerkes (DJH) erklärte, für die Sanierung des Villinger Gebäudes gibt es von der Stadt „keinen Cent“, sah es nicht gut aus. Als dann noch die modern hergerichtete Rottweiler Jugendherberge im Januar 2013 eröffnete, war das Ende besiegelt.

Die ehemalige Jugendherberge in Villingen am Tag nach dem Brand im August 2023.
Die ehemalige Jugendherberge in Villingen am Tag nach dem Brand im August 2023. | Bild: Susanne Rothweiler

Manfred Huger (75) erinnert sich noch deswegen so gut daran, weil der DJH-Geschäftsführer nach seiner Kubon-Visite recht verdattert in der Villinger Jugendherberge stand. Andere Städte im Land hätten Unterstützung angeboten, die Doppelstadt verweigerte sie.

2013 war dann für die Hugers Schluss, die Herbergseltern hörten auf. Nun, zwölf Jahre später, erinnern sie sich nach dem Abriss wieder an die „immer interessante, manchmal aufreibende, anstrengende und auch öfter mal turbulente Zeit zurück“.

Brutaler Messerangriff

Gerade, wenn viele Mädchen im Haus untergebracht waren, zog dies junge Männer aus der Umgebung an, erzählt Manfred Huger. Gleich zu Beginn der Dienstzeit des Ehepaars kam es dabei zu einem schweren Zwischenfall.

An einem Abend wollten Lehrerinnen Villingen besuchen. Sie baten einen Sportlehrer, die Aufsicht zu übernehmen. Der willigte ein, doch als er die Gruppe junger Männer von außerhalb in die Schranken weisen wollte, griff ihn einer mit einem Messer an. Im Gesicht schwer verletzt, ging der Sportlehrer zu Boden. Einem in der Jugendherberge anwesenden Rot-Kreuz-Helfer verdankte er vermutlich sein Leben. Später sei es sogar zu einem Prozess vor dem Villinger Amtsgericht gekommen.

Die Jugendherberge Villingen nach der Fertigstellung noch mit Flachdach. In den 1970er Jahren erhielt das Gebäude ein drittes Stockwerk.
Die Jugendherberge Villingen nach der Fertigstellung noch mit Flachdach. In den 1970er Jahren erhielt das Gebäude ein drittes Stockwerk. | Bild: Sammlung Manfred Hildebrandt

Willingen ist nicht Villingen

Das sei eine, der ganz wenigen negativen Begebenheiten gewesen, erinnern sich die Hugers. Es überwogen die positiven, oft sogar lustigen Episoden: beispielsweise als eine Gruppe aus Lettland abends vor der Tür stand. Die Villinger Jugendherberge war gut gefüllt, die Letten wurden gar nicht erwartet.

Doch, betonen sie, sie hätten sich angemeldet. Großes Rätselraten bei den Herbergseltern. Die lettische Gruppe sollte den Vertrag zeigen. Der war allerdings auf die Jugendherberge im hessischen Willingen, nicht auf die in Villingen ausgestellt. Eine Nacht konnten die Besucher aus dem Baltikum bleiben, ein paar freie Betten gab es noch. Für den Rest wurden vom Speicher Matratzen in den Speisesaal geholt.

Eishockeyvereine zu Gast

Sehr beliebt war die Villinger Jugendherberge bei Schulklassen, Studentengruppen, Musik- und Sportvereinen. Die Musiker kamen zu Wertungsspielen nach Villingen. In den zwei Jahrzehnten waren übende Musiker auch das einzige Mal der Anlass, dass sich Nachbarn beschwerten. Ansonsten sei das Verhältnis ausgezeichnet gewesen.

Das neue Wohnviertel an der St. Georgener Straße in den 1960er Jahren, ganz hinten steht die Jugendherberge.
Das neue Wohnviertel an der St. Georgener Straße in den 1960er Jahren, ganz hinten steht die Jugendherberge. | Bild: Sammlung Hildebrandt

Wenn der SERC zu Eishockeyturnieren für die Jugend rief, nutzten die eingeladenen Vereine die Jugendherberge oft für Übernachtungen. Marianne Huger quartierte zwei bayrische Vereine auf einem Stock ein. Das passt, dachte sie, die sind Nachbarn. Von wegen. Es handelte sich um zwei Konkurrenten, die sich nicht ausstehen konnten. Schon die Trainer drangsalierten sich mit bayrischen Flüchen.

In guten Zeiten zählte die Villinger Jugendherberge bis zu 16.000 Übernachtungen im Jahr. Anfangs sei das Verhältnis zur Stadtverwaltung gut gewesen, vor allem unter Verkehrsamtsleiter Ulrich Schlichthaerle. Doch als das Verkehrsamt zur MTVS wurde, von der Jugendherberge sogar eine Bettensteuer erhoben wurde, was diese nicht bezahlte, trübte sich die Beziehung ein.

Das umgemalte Männle

Ein Markenzeichen der Villinger Jugendherberge blieb das Männle. Als jetzt der Villinger Historiker Wolfgang Heitner die Geschichte der Holzfigur und die Wandlung des ursprünglichen Hitlerjungen zum Wanderburschen nachzeichnete, erinnerte sich Manfred Huger sofort daran – hauptsächlich an ein interessantes Detail.

Das Männle der Villinger Jugendherberge.
Das Männle der Villinger Jugendherberge. | Bild: Wolfgang Heitner

Nach dem Krieg musste die Figur auf dem Dachboden der früheren Jugendherberge in der Kanzleigasse entsorgt worden sein. In dem Gebäude hatten inzwischen die Grenadiere einen Raum erhalten. Später wurde die Figur entdeckt, der damalige Kommandant Kurt Kunle kannte den Aufbewahrungsort. Er zeigte Huger das Versteck, der Villinger Maler Haugg bearbeitete das Männle dann, das so den Weg in die Jugendherberge am Goldenbühl fand.

Kaum Urlaub

Marianne Huger hatte schon vor Übernahme der Leitungsfunktion dort als Köchin gearbeitet. Manfred Huger war zuvor Buchdrucker gewesen. Heute, über zwölf Jahre nach ihrer Zeit in der Jugendherberge, bleiben sie dabei: Es sei eine „tolle Zeit“ gewesen.

Urlaub gab es kaum, so gut wie immer waren die Hugers, die jetzt in Königsfeld leben, im Einsatz. Sogar an Silvester. Jahrelang gastierte ein Orchester aus Minsk in der Region – mit verschiedenen Auftritten. Wo? Natürlich auch am Jahreswechsel in der Villinger Jugendherberge.

Das könnte Sie auch interessieren