St. Georgen Trotz Feuerwehrhauptprobe und Weltgebetstag der Frauen kamen zahlreiche Zuhörer zur Lesung von Clemens Tangerding aus seinem Buch „Rückkehr nach Rottendorf“. Das Team des Theaters am Deutschen Haus hatte den Professor für Geschichte gemeinsam mit der Projektgruppe „Das Dritte Reich und wir“ nach St. Georgen eingeladen.
„Es ist besonders, hierher zukommen“, erklärte der Autor bei der Begrüßung der rund 30 Besucher. Schließlich kennt er St. Georgen als eine von vierzehn Gemeinden, die er im Jahr 2022 im Rahmen des Geschichtsprojekts „Wir und das Dritte Reich“ begleitet hat. Dank der Mithilfe zahlreicher Bürger, die die Geschehnisse entweder anhand von Schilderungen ihrer Großeltern und Eltern mitteilten oder Erzählungen von Zeitzeugen, die sich noch persönlich erinnerten, konnte damals ein umfangreiches Bild aus jener Zeit rekapituliert werden. Neben einer Ausstellung mit Gegenständen, Fotografien und Dokumenten von Privatleuten aus St. Georgen veröffentlichte die Arbeitsgruppe drei Broschüren zur Dokumentation der Ausstellung, über politische Verfolgte und Opfer von Euthanasie aus St. Georgen.
„Für Erinnerungen gibt es keine Verwendung, aber ich musste das aufschreiben“, beschreibt Clemens Tangerding den Anstoß für sein im August 2024 erschienenes Buch. Darin verarbeitet und reflektiert er die Erfahrungen aus seiner Kindheit in einem unterfränkischen Dorf und die Gespräche mit Dorfbewohnern im Rahmen des Geschichtsprojekts.
In dem Kapitel „Mein inneres Rottendorfer Kind“ beschreibt der mittlerweile von Berlin nach Luckenwalde gezogene Historiker die Beklemmung, wenn er zu Besuch in seiner Heimat war. „Nach ein paar Tagen muss man wieder weg“, beschreibt er seine Familienaufenthalte. „Heimat ist ein zwiespältiges Gefühl“, weiß der Autor von vielen Bekannten, die vom Dorf in die Großstadt gezogen sind. „Linksliberale Großstädter unterstützen alles, was möglichst weit weg ist von dem, was die Kindheit ausgemacht hat.“ Es gelte häufig als persönlicher Erfolg, wenn man sich am Ende einer Therapie von wichtigen Familienbeziehungen abgrenze. „Je höher der Bildungsgrad, desto stärker die Trennung von Zuhause“, erklärte Tangerding. Andererseits geht Tangerding aber auch auf die Erfahrungen ein mit Menschen, die – im Gegensatz zu ihm – im Dorf geblieben sind.
Aufgrund seiner Erfahrungen in den Dörfern plädiert Tangerding für mehr Raum für Debatten. Dabei müsse es möglich sein, jede Meinung zu äußern. Er empfiehlt strukturierte Gesprächsformate in wertschätzender Gesprächsatmosphäre. „Der Wille zur Einigung war größer als der Wille zur Ausgrenzung“, so der Historiker über die Debatten mit „Rechten, Linken und anderen normalen Leuten“ in seinem Buch.