Noch ist nicht klar, ob der Täter von Hanau am Mittwochabend allein handelte oder ob er einem rechten Netzwerk angehörte. Klar ist dagegen, dass er elf Menschen – mutmaßlich inklusive sich selbst – getötet hat.

Zu seinen Opfern zählte seine Mutter und neun Menschen zwischen 21 und 44 Jahren. Erschossen hat er seine Opfer, die meist einen Migrationshintergrund hatten, in zwei Shisha-Bars. Wie fühlen sich Villinger mit türkischem Migrationshintergrund nach der Tat? Hat sie das Empfinden verändert? Der SÜDKURIER hat nachgefragt.

Saita Kurban ist vor 50 Jahren aus Ankara nach Deutschland gezogen. Ihre Kinder sind hier geboren, Deutschland bezeichnet die 70-Jährige als ihre „zweite Heimat“. Vor den Morden in Hanau hat sie sich nie unsicher in Villingen gefühlt. „Jetzt bin ich aber vorsichtiger“, sagt Kurban. Als ihre Familie am Freitagmorgen in die Moschee gegangen ist, hat sie sich eigenen Angaben zufolge Sorgen gemacht.

Hatice Sert (67) kam 1986 aus Elbistan nach Deutschland. Seit 1991 ist sie in Villingen.
Hatice Sert (67) kam 1986 aus Elbistan nach Deutschland. Seit 1991 ist sie in Villingen. | Bild: Jundt, Matthias

„Früher war mein Gefühl besser“, sagt Hatice Sert. Die 67-Jährige betreibt seit vier Jahren ein Schnellrestaurant in der Oberen Straße in Villingen. Seit einigen Jahren hat sie ein mulmiges Gefühl, wenn Menschen in ihr Restaurant kommen, die sie auf den ersten Blick nicht einschätzen kann. Die Morde in Hanau haben dieses Gefühl verstärkt.

„Deutschland ist auch mein Land“

Dabei wünscht sich Sert nur, dass alle Menschen, egal woher sie kommen oder welche Religion sie haben, friedlich zusammen leben. Seit 1986 ist Sert in Deutschland, seit 1991 in Villingen. Gekommen war die alevitische Kurdin aus Elbistan. Rassistische Erfahrungen hat sie noch nicht gemacht. Menschen, die in ihr Restaurant kommen, bezeichnet sie ihre „eigenen Kinder“. Sie sagt: „Deutschland ist auch mein Land.“

Deniz Sahin (39) ist in Villingen geboren.
Deniz Sahin (39) ist in Villingen geboren. | Bild: Matthias Jundt

„Ich finde keine Worte für das, was in Hanau passiert ist“, sagt Deniz Sahin. Der 39-Jährige ist in Villingen geboren, seine Eltern kommen ursprünglich aus der Türkei. Sahin betreibt untere anderem einen Döner-Imbiss in der Färberstraße. 70 bis 80 Prozent unserer Kunden sind Deutsche. Die sind alle sehr nett, Probleme wegen Rassismus gab es noch nie.

„Gott sei Dank“

Sahin weiter: „Ich hatte bislang Gott sei Dank keinerlei Erfahrungen mit Rassismus in Villingen.“ In seinem zweiten Lehrjahr gab es einen Kollegen, der offensichtlich – er trug Springerstiefel und hatte eindeutige Tattoos – ein Nazi war. Gesprochen haben die beiden aber nie miteinander. Die Morde in Hanau verunsichern Sahin nicht. Er ist sich aber bewusst: „Passieren kann das überall.“