- Insektensterben ist derzeit das große Umweltthema
- Wir zeigen, wie man mit einfachen Mitteln helfen kann
- Auch ohne Garten kann man die Natur unterstützen

In den 1980er-Jahren war das Waldsterben das große Umweltthema in Deutschland. Später erhielten vor allem die Atomkraft, das Ozonloch und die Klimaerwärmung viel Aufmerksamkeit. In der jüngsten Vergangenheit rückten die ganz kleinen Vertreter der Natur immer weiter in den Fokus der Öffentlichkeit: Insekten. Nach einer alarmierenden Studie im Jahr 2017 – die einen Rückgang bei der Masse an Fluginsekten von bis zu 80 Prozent in den letzten 30 Jahren dokumentiert – erinnerten sich viele Autofahrer plötzlich daran, dass früher gefühlt viel mehr Insekten an der Autofront klebten, Besuche von Schmetterlingen im heimischen Garten seltener wurden.

Das Insektensterben, die Folgen und Ursachen bewegen seither viele Menschen. In Bayern haben im Februar 1,7 Millionen Bürger das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ unterzeichnet. Nun muss der Gesetzentwurf für mehr Artenschutz im Landtag verhandelt werden.
Ein großer Erfolg, das finden auch Ellen und Ralf Claaßen, die in Villingen eine private Vogel-Auffangstation betreiben. „Noch besser wäre, wenn jeder aktiv etwas tun würde“, sagt Ellen Claaßen. "Der Platzhirsch Mensch muss endlich etwas mehr Platz für die Natur und die Insekten machen." Die Naturschützer geben Tipps, wie jeder einzelne ohne großen Aufwand und ohne eigenen Garten den Insekten helfen kann.

Blühwiesen: „Sie sind das Allerwichtigste“, da sind sich die Claaßens einig. Blühpflanzen sind Nahrungsgrundlage für viele Insekten, nicht nur für Honig- und Wildbienen. „Schon ein Quadratmeter reicht aus.“
Auch Balkone und Fensterbretter können mit Kübeln und Blumenkästen einfach und kostengünstig bepflanzt werden. Wichtig sei nur, Saatgut von heimischen Pflanzen zu verwenden. „Autochthone Samen“, nennt Ellen Claaßen den Fachbegriff. Mehrjährig und selbstversamend sollten die Pflanzen sein, was bei Discounter-Mischungen häufig nicht der Fall sei. Das Problem mit Züchtungen und exotischen Arten ist, dass der Blühzeitpunkt nicht stimmt und Insekten nicht darauf angepasst sind.
„Man kann Lauch aus dem Supermarkt in Wasser stellen“, gibt Ellen Claaßen einen einfachen Tipp. Die Pflanze bildet eine große, runde Blüte, die Insekten lieben.

Hecken und Bäume: Sie sind Nahrungsquelle, Schutz- und Lebensraum für viele Insekten und Vögel. Es sollten heimische Arten, wie Obstbäume, Holunder, Vogelbeere, Haselnuss, Schlehe, Weißdorn oder Sanddorn gepflanzt werden. Die Früchte sind Nahrung, Stacheln schützen vor Feinden. Exotische Zier- und Heckenpflanzen, wie Kirschlorbeer und Koniferen, haben kaum einen Nutzen.

Insektenhotels: Mittlerweile hat der Handel hat das Thema für sich entdeckt. Insektenhotels werden in Supermärkten verkauft. „Vieles, was angeboten wird, ist Mist“, meint Ellen Claaßen. Ihr geht es vor allem um die Befüllung der Billigangebote. Holzstücke seien häufig in Faserrichtung angebohrt. So könnten sich Risse bilden, Pilze und Keime eindringen. Es bestehe die Gefahr, dass Insekten sich an Holzfasern verfangen und sich ihre Flügel verletzen.
Was nicht in die Kästen gehört: Kiefernzapfen, Rindenstücke, Holzsplitter, Steinplatten, nicht angebohrte Äste, Lochziegel, harte Ton- und Lehmwände, Gasbeton-Steine, gepresstes Heu und Stroh. Diese Materialien sind entweder nutzlos, zu hart, oder ziehen Feuchtigkeit an. Einflüge für Schmetterlinge und Hummeln haben ebenfalls keinen Nutzen.

Unterschlupfhilfen für Ohrwürmer sollten separat aufgestellt werden, da die Krabbeltiere gerne Nisthöhlen anderer Insekten plündern. Besser sind sauber geschnittene Schilf- und Bambusröhrchen, angebohrte Hartholz-Stücke sowie spezielle Bienenbrettchen und -Steine. Bohrlöcher sollten drei bis zehn Millimeter Durchmesser haben.

Andere Nisthilfen: Ein Bottich mit einem Sand-Erde-Gemisch wird gerne von Wildbienenarten als Nistplatz genutzt. Damit die Nisthilfe nicht zum Katzenklo wird, sollte sie mit einem nicht zu engmaschigen Drahtgewebe abgedeckt werden.

Noch einfacher können Gärtner helfen, wenn sie die vertrocknete Blumenwiese bis zum nächsten Frühjahr stehen lassen. Manche Arten nutzen verdorrte Stängel als Winterquartier.

Faule Gärtner: „Sind die besten Gärtner“, sagen die Claaßens. „Auf Grundstücken, wo auch mal was liegen bleibt, fühlen sich Insekten und Vögel wohl.“ Fallobst liegen lassen, nicht alle Beeren ernten, seltener den Rasen mähen und nicht alles Laub aufrechen, das seien einfache Maßnahmen zum Wohle der Natur. Wo es Brennnesseln gibt, fühlen sich auch Schmetterlinge wohl. Sie sind die Kinderstube für viele Raupen. Disteln liefern Nektar und sind Entwicklungsstätte für Käferlarven, Fliegen und Mücken.
Totholz: Ein Tummelplatz für viele Insekten, Würmer und Spinnen sind Bereiche mit aufgeschichtetem Totholz. Auch Igel verstecken sich hier gerne. Bei einer entsprechend Größe nisten auch Vögel darin.
Wasserstelle: Insekten und auch Vögel benötigen vor allem an heißen und trockenen Tagen Zugang zu Wasser.

"Der Steppach ist im Sommer seit zwei Jahren ab Juli immer trocken", schildern die Naturschützer ihre Beobachtung. Vögel freuen sich auch im Winter über nicht gefrorenes Wasser, denn um Schnee mit Körperwärme aufzutauen, verbrauchen sie viel Energie.
Gift und Fallen: Gift und Fallen: Auf Gifte und Pflanzenschutzmittel sollte generell verzichtet werden. Der Einsatz kann auch ungewollte Folgen haben, wenn neben den Schädlingen auch andere Insekten sterben, oder Igel mit Korn vergiftete Schnecken fressen. Wer Schädlinge bekämpft entzieht anderen Insekten die Nahrungsquelle.
Müll: Um Bienen vor der Amerikanischen Faulbrut zu bewahren, sollten Honiggläser ausgespült werden, bevor sie im Glascontainer landen. Die Honigreste darin könnten Bakterien-Sporen der Bienenseuche enthalten.
Konsum: An einer großen Stellschraube in Sachen Naturschutz können Verbraucher bei nahezu jedem Einkauf drehen. Je mehr nachhaltig produzierte Lebensmittel verkauft werden, umso größer wird der Anreiz für Hersteller, ihre Produktion umzustellen und auf Pflanzenschutzmittel zu verzichten.
Was Insekten- und Vogelsterben miteinander zu tun haben
Laut einer Auswertung des Naturschutzbundes (NABU) sind in Deutschland in zwölf Jahren knapp 13 Millionen Vogelbrutpaare verloren gegangen. Andere Erhebungen beschreiben einen Rückgang der Vogelanzahl von 56 Prozent seit 1980. Der NABU hält einen direkten Zusammenhang mit dem Insektensterben für sehr wahrscheinlich.
Dieser Meinung ist auch Ellen Claaßen: "Vögel leiden, weil Insekten ihre Nahrungsgrundlage sind." Gerade in der Brutphase sei das ein Problem. Vögel finden nicht genügend Nahrung für den Nachwuchs und stellen die Fütterung ein. "Wir hatten 2018 während der ersten Brutwelle eine Ausfallquote von 80 Prozent", erinnert sie sich.
Eine Hilfestellung könne sein, Biotonnen offen stehen zu lassen. Vögel picken sich die Maden heraus. Auch lebende Mehlwürmer können gefüttert werden, was aber nicht billig ist. Körnerfutter eignet sich für den Nachwuchs nicht. Spezielles Insektenfutter sollte nicht zu trocken sein. Eine Wasserstelle im Winter hilft den Tieren Energie zu sparen, wenn Schnee nicht im Körper aufgetaut werden muss.
"Nistkästen werden von zehn Vogelarten genutzt. Der Rest benötigt Hecken und Bäume", so Claaßen. Daher sollte man naturnahe Bereiche schaffen. Zehn Jahre dauere es, bis Pflanzen die nötige Wertigkeit als Nistplatz haben.

Immer wieder bleiben Vögel und Fledermäuse in Leimfallen hängen und sterben später an dem Gift, welches sich im Leim befindet. Immer häufiger landet auch Plastikmüll in den Nestern. Reste von Tüten und Zigarettenhüllen hat Ellen Claaßen schon entdeckt. "Die Vögel nutzen es für den Nestbau aus Mangel an natürlichem Material."
Die Vogelstation
Seit 13 Jahren kümmern sich Ellen und Ralf Claaßen in ihrer privaten Vogelstation um 300 Vögel pro Jahr. Etwa 100 Tiere vermitteln sie nach der Erstversorgung an andere Stationen, zum Beispiel Tauben und Wasservögel. Auch Fledermäuse werden aufgenommen.
Die Anzahl an Greifvögeln steigt stetig. Die Tierschützer arbeiten ehrenamtlich und sind auf Spenden für Futter und Tierarztbesuche angewiesen. Ellen Claaßen war lange im Vogelverein aktiv, ehe sie die Vogelstation aufbaute. Weitere Infos im Internet: www.wild-vogel.de. Spendenkonto: IBAN DE92 6947 0024 0017 1066 00