Für viele kleine und große Fastnachtsfreunde ist der Besuch der Jaag-Puppenausstellung im Franziskaner Museum ein fester Termin im Jahreskalender. Denn viele können sich an dieser Fastnacht im Mini-Format, wie sie von der Schöpferin dieser einmaligen Puppenkollektion in unendlicher Fleißarbeit geschaffen wurde, nicht sattsehen. Zum Erfolgsgeheimnis gehört auch, dass Ingeborg Jaag gemeinsam mit dem Museumsteam die Impressionen zur heimischen Fasnet jedes Jahr neu arrangiert.
2021: eine Ausstellung ohne Besucher
In diesem Jahr bereits zum 18. Mal werden ihre Puppen wieder kunstvoll in der Dauerausstellung des Museums in der Fastnachtsabteilung präsentiert. Und vermutlich dürfte die Ausstellung in diesem Jahr besonders gefragt sein. Denn im vergangenen Jahr musste das Museum aufgrund der pandemischen Lage schließen und die Jaag-Puppenausstellung, die damals schon fix und fertig in den Vitrinen aufgebaut war, konnte von Besuchern nicht bewundert werden.
Dieses Jahr sieht es besser aus: Die Puppen-Schau wird diese Woche am Dreikönigstag eröffnet. Das dürfte die breite Fangemeinde, die letztes Jahr leer ausging, gewiss freuen und in Scharen anlocken. Zumal auch niemand weiß, ob das närrische Brauchtum in den Museumsvitrinen in diesem Jahr womöglich die einzige Fastnachts-Veranstaltungen überhaupt ist, die aufgrund der Corona-Lage durchgeführt werden kann.
„Falls die Fasnet nicht stattfinden kann, bieten wir hier etwas Ersatz an“, sagt Ratsherr und Zunftarchivar Michael Bohrer von der Historischen Narrozunft Villingen am Dienstag beim Presserundgang durch die Ausstellung. Bohrer hilft ebenfalls beim Aufbau, denn die Zunft ist Eigentümerin der wertvollen Sammlung von 86 Puppen, die der Verein als Dauerleihgabe dem Museum überlassen hat.

„Die Leute fiebern der Ausstellung jedes Jahr entgegen“, berichtet Ina Sahl, die seit Jahren die jährliche Neukonzeption der Fastnachts-Impressionen als Kuratorin organisiert und nach den Vorstellungen von Ingeborg Jaag mit ihrem Museumsteam in die Tat umsetzt.
Viele bekannte Gesichter
Für viele Villinger, so weiß sie, ist die Ausstellung wie ein Besuch bei alten Bekannten. Denn die Puppen bestechen nicht nur durch ihre unglaublich originalgetreuen Bekleidungen, sie spiegeln auch viele bekannte Gesichter von ehemaligen oder noch lebenden Zeitgenossen aus dem Villinger Städtle wider. Schemenschnitzer Manfred Merz, die Spittelsänger, der ehemalige Ministerpräsident Erwin Teufel, Sparkassendirektor a. D. Klaus Haubner, Oberjungfer Margot Schaumann, der Ex-Zunftmeister Klaus Hässler, der legendäre Spital-Matthis und viele weitere Charakterköpfe der närrischen Szenerie sind in der Puppen-Ausstellung verewigt und unschwer zu erkennen.
Zugleich lebt die Ausstellung vom Spannungsfeld zwischen Vertrautem und Neuem. Die Besucher sind jedes Jahr „unglaublich gespannt“, schildert Kuratorin Ina Sahl, was den Ausstellungsmachern wieder an neuen Ideen eingefallen ist.
Acht Szenen aus der Fastnacht
Diesbezüglich dürfen sich die Freunde der Jaag-Puppen richtig freuen. Denn Ingeborg Jaag, die 1983 mit ihrem Mann angefangen hat, die ersten Villinger Fastnachtsfiguren in Puppengröße zu erschaffen, wollte in diesem Jahr eine ganze Reihe von Szenen umsetzen, die sie schon seit längerem im Kopf hat. So entstanden heuer nicht weniger als acht närrische Szenen, die Ereignisse und Episoden rund um die Fasnet abseits der Umzüge erzählen.

So treffen sich beispielsweise drei Morbili unter einer Straßenlaterne, Kinder spielen am Narrobrunnen im Schnee. Die Zunft erklärt das richtige Tragen des Narrohäs‘ beim Narro- und Mäschgerle-Obed in der Zehntscheuer, und eine Oma gibt Einblick in die Wunderwelt der Produktion eines Narrokragens. Auch der Katzenmusik, die dieses Jahr auf ihr 150-jähriges Bestehen zurückblickt, ist mit einer Szene verewigt, die an das abgeblasene Jubiläumsfest erinnert.
Einige der dargestellten Szenen hat Ingeborg Jaag selbst erlebt. Beispielsweise, wie am Latschariplatz die Stadtmusik auf eine Butzeselgruppe trifft, der Butzesel kurzerhand dem Dirigent den Taktstock abnimmt und die Musiker dirigiert.

Was hier kurz und bündig aufgelistet wird, ist seitens der Macher mit viel Aufwand verbunden. Kuratorin Ina Sahl hat beispielsweise den Ehrgeiz entwickelt, das Zusammentreffen der drei Morbili unter einer Laterne szenisch mit einer möglichst originalgetreuen alten Hess-Leuchte zu arrangieren.
Da sie von der Firma Hess-Leuchten kein Modell bekommen konnte, hat die gelernte Restauratoren den Kandelaber in vielen Stunden Arbeit selbst gestaltet, unter Mithilfe von Handwerkern und Elektrikern des Museumsteams. Heraus kam eine ausgesprochen stimmungsvolle Fastnachtsszene.
Dass sich der Aufwand lohnt, weiß auch Museumsleiterin Anita Auer. Die Jaag-Puppen-Ausstellung gehört schon immer „zu den Bestsellern“ des Museums und lockt jährlich viel Publikum ins Franziskaner.
Ingeborg Jaag noch voller Kreativität
Ingeborg Jaag, inzwischen 80 Jahre alt, aber noch immer voller Vitalität und Kreativität, freut sich jedes Jahr, mit dieser Ausstellung neue Geschichten aus dem unerschöpflichen Fundus der Fastnacht erzählen zu dürfen. Selber Puppenkleider nähen oder sonstige feinmotorische Arbeiten zu verrichten sind ihr nicht mehr möglich. Das Feingefühl in den Fingerspitzen lässt einfach nach, sagt sie. Doch dass sie noch viele schöne Ideen mit Unterstützung des Museumsteams umsetzen kann, das hat sie einmal mehr bewiesen.