Brücken sind ein Faszinosum. Beschädigte Brücken ein Ärgernis. Eingestürzte Brücken ein Faszinosum und ein Ärgernis. Siehe Dresden, wo die kollabierte Carolusbrücke tagelang die Nachrichten bestimmte. Nun, eingestürzt ist zum Glück noch keine Brücke in Villingen, doch wer die Berichterstattung der letzten Tage verfolgte, der weiß um den Ärger, den zwei marode Brückenbauten in Villingen verursachen.

Später gebaut als gedacht

Fehler passieren nicht nur beim Brückenbau, sondern auch bei der Benennung von Jahreszahlen. So glaubte die Verwaltung zunächst, die Brücke Schwenninger Straße und der Bickensteg seien in den frühen 60er-Jahren entstanden. Die Zeitung übernahm die Daten – und lag wie die Verwaltung um rund ein Dutzend Jahre daneben. 1972 entstand der Bickensteg, zwei Jahre später die Brücke Schwenninger Straße, was die Stadtverwaltung auf Anfrage des SÜDKURIER nun auch richtigstellte.

Gut, wenn es Leser gibt, die solche Fehler entdecken. Besser noch, wenn sie gleich den Beweis für die Richtigkeit ihrer Aussage mitliefern. So meldete sich dieser Tage ein Villinger mit dem Verweis auf Bildmaterial, das den Abriss der alten Brücke an der Schwenninger Straße dokumentierte.

Experten der Eisenbahngeschichte

Schauen wir also in eine Zeit, in der Brücken noch 65 Jahre hielten. Unser aufmerksame Leser verweist auf eine Internetseite mit dem schönen Namen Traktionswandel.de, die sich mit großer Akribie der Eisenbahngeschichte widmet. „Traktionswandel“ war bei der Bahn das Schlagwort, das den Übergang von der Dampflok zur Diesel- und Elektrolok bezeichnete.

Die Bilder zeigen den Abriss der alten Brücke im September 1973 – ein doch recht stichhaltiger Hinweis darauf, dass es 1962 noch keine neue Brücke gegeben haben kann. Und bei genauem Hinsehen zeigt sich im Hintergrund der damals nagelneue Bickensteg.

Warum die alte Brücke weichen musste

Die hier abgebildeten Fotos der alten Brücke sind dem verstorbenen Villinger Eisenbahnfreund Klaus Weigel zu verdanken. Er dokumentierte den Abriss der alten Straßenbrücke der Schwenninger Straße. Das Bauwerk überspannte die westlichen Gleisanlagen des Bahnhofs Villingen und musste nicht deshalb weichen, weil sie marode war.

Die neue Technik machte vor gut einem halben Jahrhundert den Abriss notwendig: Mit der Elektrifizierung der Schwarzwaldbahn waren größere Durchfahrtshöhen nötig, sodass der Eisenbrücke eine Betonkonstruktion folgte.

Ein riesiger Dampfkran war im Einsatz, als im Jahr 1973 die Brücke über die Gleise abgerissen wurde.
Ein riesiger Dampfkran war im Einsatz, als im Jahr 1973 die Brücke über die Gleise abgerissen wurde. | Bild: Klaus Weigel/Sammlung Jürgen Lehmann

Ein Ungetüm aus Offenburg

Wie die Eisenbahnexperten von Traktionswandel.de wissen, war die alte Brücke am 18. September 1911 in Betrieb genommen worden. Zuvor rollte der Verkehr nach Schwenningen ihren Recherchen zufolge näher am Bahnhofsgebäude über einen schienengleichen Übergang auf der Höhe des heutigen Bickenstegs, der uns im Jahr 2025 auch wieder beschäftigt.

Für Eisenbahnfans ein Hingucker auch der Dampfkran, der beim Abbruch der alten Brücke zum Einsatz kam und für Lasten bis zu 90 Tonnen ausgelegt war. Das in 1944 in Eberswalde hergestellte Ungetüm wog 100 Tonnen und war seinerzeit in Offenburg stationiert, sein Heimat-Betriebswerk war das Betriebswagenwerk Würzburg.

Für den Einsatz in Villingen wurde der Kran am 29. Oktober 1973 von Offenburg überführt, die Ankunft in Villingen war gegen 23 Uhr. Die Abrissarbeiten der Brücke begannen am nächsten Tag gegen 9.30 Uhr und endeten erst nach 22 Uhr. Am Folgetag verließ der Kran nach Wartungsarbeiten Villingen am Abend mit Ziel Hamburg.

Sollte, was niemand hofft, mal wieder ein Brückenabriss drohen, dann kann die Bahn im Übrigen nicht mehr auf diesen Giganten bauen: Im Jahr 1978 wurde er außer Dienst gestellt.