Ein Fastnachtsball übers Internet? So mancher war da im Vorfeld skeptisch. Doch das, was die sieben Fastnachtsvereine aus VS am Samstagabend in die Wohnzimmer streamten, war allerbeste Unterhaltung. Mit einem nie gekannten Einsatz von Technik und „Manpower“ brannten die Narren ein mehrstündiges Feuerwerk an Kreativität und Witz in bewegten Bildern ab.

Keine Sorge, die Zehntscheuer-Fassade ist nicht neu gestaltet. Also nur ein virtueller Scherz der Glonki-Gilde.
Keine Sorge, die Zehntscheuer-Fassade ist nicht neu gestaltet. Also nur ein virtueller Scherz der Glonki-Gilde. | Bild: late night vs

So geht Unterhaltung heute. Unter dem Druck der Corona-Einschränkungen haben die sechs Vereine der Villinger Zuggesellschaft gemeinsam mit der Narrenzunft Schwenningen voll auf ein digitales Programm gesetzt und damit neue technische Maßstäbe gesetzt.

Tolles Video der Klosterbrass-Band, einer Formation der Stadtharmonie. Auch so kann man fetzigen Blechbläser-Sound rüberbringen.
Tolles Video der Klosterbrass-Band, einer Formation der Stadtharmonie. Auch so kann man fetzigen Blechbläser-Sound rüberbringen. | Bild: late night vs

Auch konzeptionell stellte die virtuelle Form der Unterhaltung die Fastnachter vor Herausforderungen. Diese haben sie ziemlich professionell gelöst. Die Idee, den filmischen Zusammenschnitt mit einem Live-Studio zu kombinieren, überaus charmant und flott kommentiert von Isabell und Tobias Kratt (Hexenzunft) sowie Olli Kienzler (Narrozunft), ließ den Abend höchst lebendig werden.

Über die sozialen Netzwerke wurden Zuschauergrüße und -reaktionen live mit Fotos aus den Wohnzimmern in die Sendung eingebaut. Dabei wurde deutlich, was für eine närrische Welle dieser Fastnachtsball ausgelöst hat. Durchschnittlich rund 4600 Zuschauer waren ständig zugeschaltet, viele meldeten sich aus der gesamten Republik und darüber hinaus, sogar aus New York und Atlanta.

Zwei Erzkommödianten vom Neckar: Jürgen Wangler und Günther Hermel mit ur-schwenningerischem Humor.
Zwei Erzkommödianten vom Neckar: Jürgen Wangler und Günther Hermel mit ur-schwenningerischem Humor. | Bild: late night vs

Und das Programm? Nach einer munteren Kochschau, bei dem die Chefköche der sieben Vereine gemeinsam mit dem OB heimische Fastnachtsspeisen mit viel närrischem Palaver auf den Tisch brachten, ging närrisch richtig die Post ab. Man kann gar nicht alles aufzählen, was da an kreativen Ideen ins Bild gesetzt wurde.

Eine Altvillingerin als „Seelsorgerin“ für die coronafrustrierten Narren: Eine Paraderolle für Benno Kilzer.
Eine Altvillingerin als „Seelsorgerin“ für die coronafrustrierten Narren: Eine Paraderolle für Benno Kilzer. | Bild: late night vs

Viele Clips zogen sich episodenartig durch den Abend. Die Glonkis nahmen sich als notorische Fastnachter und Trinker (“Besser trinken, besser leben“) selbst auf die Schippe, die Narrochefs Säger und Brüderle brillierten als „Helden der Pandemie“, und die Schwenninger Narren hatten erstmals Gelegenheit, einem größeren Publikum im Badischen zu zeigen, was schwäbischer Humor ist. „Das Necklemer Gschwätz“ war eine gottvolle Paraderolle für Jürgen Wangler mit seinem Partner Günther „Gonzo“ Hermel.

Das Moderatorenteam machte einen guten Job unter Live-Bedingungen: Olli Kienzler, Isabaell und Tobias Kratt.
Das Moderatorenteam machte einen guten Job unter Live-Bedingungen: Olli Kienzler, Isabaell und Tobias Kratt. | Bild: late night vs

Das Thema Pandemie tauchte auch bei der witzigen „Narrenseelsorge“ der Katzenmusiker auf, wie auch bei den Mainzelmännchen, die vergeblich die Fasnet suchten. Ein genialer Clip gelang Tobias Bichweiler, Robert Hermann und Tino Mahler: Sie unterlegten ein selbstgesungenes Medley bekannter Fasnetslieder mit passenden Motiven aus Fotos, selbstgemachten Bildern und Videos: Eine süffige Reise in die Tiefen der närrischen VS-Seele.

Nicht minder Laune machte die Grammatiklektion der Glonkis an der Zehntscheuer. Frei nach Motiven der Montypythons (“Das Leben des Brian“) schulmeisterte Glonki Armin den Kumpel Nenad, seine Wut über das abgelehnte Schorle in der Zehntscheuer in einer grammatikalisch korrekten Wandschmiererei zu formulieren.

Die „Helden der Pandemie“ (Alex Brüderle und Anselm Säger) beim Rückblick auf 2021.
Die „Helden der Pandemie“ (Alex Brüderle und Anselm Säger) beim Rückblick auf 2021. | Bild: Screenshot/Roland Burger

Sauber gelöst und höchst unterhaltsam waren auch musikalische und tänzerische Beiträge. Coronagerechte Einzelvideos wurden auf Breitwandbildschirm zum großen Ganzen zusammengeschnitten. Die Ergebnisse waren beeindruckend.

Der Fanfarenzug der Glonki-Gilde spielt einzeln zusammen. Die Technik macht es möglich.
Der Fanfarenzug der Glonki-Gilde spielt einzeln zusammen. Die Technik macht es möglich. | Bild: late night vs

Besonders kreativ zum Beispiel die Kloster-Brass-Truppe der Stadtharmonie mit fetzigem Bläsersound. Pianistin Marlene Ziegler überraschte das Publikum mit einer Klassikeinlage am Klavier und ließ den Narromarsch in nie gehörtem Arrangement erklingen.

Klassik zur Fasnet: Pianistin Marlene Ziegler überraschte ihr Publikum.
Klassik zur Fasnet: Pianistin Marlene Ziegler überraschte ihr Publikum. | Bild: late night vs

Nicht minder überzeugten die Brigachklampfen, die Dörr-Brüder oder Markus Hess und Carsten Dörr mit einer Ode an die Villinger Hexe. Am Start waren auch Max Heimerl und Sascha Pompa, die mit ihrem Lied von der abgesagten Villinger Fasnet im Netz Furore machten.

Ein Traum: Marius Schumpp und Dennis Viebrans mit Schmachtsong im Schnee.
Ein Traum: Marius Schumpp und Dennis Viebrans mit Schmachtsong im Schnee. | Bild: late night vs

Einweiterer Höhepunkt war zum Finale die „Angels from the 80ies“, ein zu Herzen gehender Schmachtsong im Stile der 80er Jahre, der dem Publikum die Tränen in die Augen trieb.

Das Moderatorenteam machte einen guten Job unter Live-Bedingungen: Olli Kienzler, Isabaell und Tobias Kratt.
Das Moderatorenteam machte einen guten Job unter Live-Bedingungen: Olli Kienzler, Isabaell und Tobias Kratt. | Bild: late night vs

Am Ende stand ein bunter Potpourri großartiger Nummern. Fazit von Olli Kienzler, Moderator und Mit-Regisseur (Narrozunft): „Die durchweg positive Resonanz über alle Bereiche hinweg hat alle Erwartungen bei weitem übertroffen.“

Ihr Fastnachtssong ging „viral“. Max Heimerl und Sascha Pompa sind die „noch unbekannten Zwei“. Für sie wird ...
Ihr Fastnachtssong ging „viral“. Max Heimerl und Sascha Pompa sind die „noch unbekannten Zwei“. Für sie wird jetzt ein richtiger Künstlername gesucht. | Bild: Burger, Roland

Gehört also dem Internet die Zukunft der Ballfastnacht? Mit Sicherheit nicht. Abgesehen von mutmaßlich manch technischen Dramen an den heimischen Bildschirmen: Der menschliche Kontakt ist durch aseptische Virtualität dauerhaft natürlich nicht zu ersetzen. Nicht für die Fastnacht. Doch eine geniale Notlösung und unterhaltsame Ersatzhandlung war „Late Night VS“ allemal. Wir wissen jetzt: Fasnet kann auch virtuell. Insofern: Chapeau an alle Macher!

270 Mitwirkende

Im Einsatz waren 270 ehrenamtliche Akteure und Mitwirkende der Narrozunft, Hexenzunft, Glonki-Gilde, Katzenmusik, Fleck-Fleck, Brigachblätzle (alle Villingen) und der Narrenzunft Schwenningen. Die Techniker leisteten 400 Stunden Film- und Tonbearbeitung, um aus zahllosen Einzelszenen ein großes Ganzes zusammenzusetzen.

Im Einsatz waren vier Kamerateams, drei Bildschneider und zwei Ton-Mixer. Mehrere Profi-Teams sorgten dafür, dass die Technik funktionierte.