Offenkundig wenig erbaut sind die Anwohner im Villinger Kurgebiet von den Überlegungen der Stadt und privater Investoren, im Farnweg zusätzliche Wohnbebauung zuzulassen. Bei einer Bürgerinformation mit rund 70 Teilnehmern, die pandemiebedingt als Video-Konferenz durchgeführt wurde, kam von den Anwohnern hauptsächlich negative Resonanz
Im Zentrum der Diskussion standen dabei die Pläne der neuen Eigentümer des ehemaligen Hotels Bosse, der Firma Zabo des Geschäftsmannes Osman Cinar. Cinar hat vor rund zwei Jahren das nicht mehr genutzte Hotel an der Ecke Oberförster-Ganter-Straße zum Farnweg gekauft und will das Grundstück neu bebauen. Das Architekturbüro KAB aus Fellbach hat dafür zwei Szenarien entwickelt: Entweder eine reine Wohnbebauung oder eine Seniorenanlage mit einer Kurzzeitpflege-Einrichtung mit 15 Plätzen.
Gestalterisch sollen auf dem Hotel-Gelände sechs kleinteilige Gebäude errichtet werden, die sich um einen Innenhof gruppieren. Die Baukörper der reinen Wohnbebauung bestünden aus zwei Vollgeschossen und einem zurückgesetzten Staffelgeschoss. Sie würden sich damit nach Feststellung des Architekten Frank Werner hinsichtlich Größe und Höhe gut in das Quartier einfügen. Die Bebauung mit Seniorenwohnungen müsste laut Architekt aus Wirtschaftlichkeitsgründen größer werden und vier Geschosse umfassen. Das Kurgebiete gewönne aber eine attraktive Senioreneinrichtung

Nach Einschätzung von Planungsamts-Chefin Angelique Ahn eignet sich der Farnweg, wo es auf der Nordseite bereits überwiegend Geschossbauten gibt, besonders für eine moderate Nachverdichtung im Kurgebiet. Auch im Bereich des ehemaligen Hotels „Garland“ ein paar Meter weiter plant der Eigentümer Ibach-Bau aus Rottweil eine neue Wohnbebauung.

Die Stadtverwaltung hat zwar die Vorstellungen der Investoren im Vorfeld schon in Rücksicht auf den vorhandenen Kurgebietscharakter und die Befindlichkeiten in Villingens Nobelwohngebiet gestutzt. Gleichwohl gehen auch diese abgespeckten Pläne einigen Nachbarn viel zu weit. Stadtrat Andreas Flöß äußerte am Montag seine Skepsis, was das Bauvolumen, insbesondere die viergeschossige Seniorenanlage, und die Fassadengestaltung angeht.
Drei Chefärzte aus dem Kurgebiet wurden noch deutlicher und formulierten ihr professorales Unbehagen. Hubert Kimmig sprach von einer „unglaublichen Nachverdichtung“, die den Gebietscharakter verändern werde. Hätte er diese Entwicklung geahnt, wäre er mit seiner Familie nicht ins Kurgebiet gezogen. Er kleidete seine Ablehnung in die Kardinalfrage: „Ist es überhaupt notwendig, das Gebiet verändern zu müssen?“ Ihre Skepsis äußerten auch die Professoren Sebastian Russo und Stefan Mose. Russo: „Diese Planung ist nicht im Sinne der Anwohner des Farnwegs.“ Anwohner Gerhard Echle sprach von einem „Fremdkörper“, der auf dem Bosse-Gelände entstünde.
Amtleiterin Ahn wies indes auf den hohen Wohnraumbedarf in VS und auf die Baupolitik der Stadt hin, der zufolge aus ökologischen Gründen zuerst Baulücken zu schließen sind bevor Landschaft verbaut wird. Die Stadt will nun die vorgebrachten Einwendung „mitnehmen“ und in die Gesamtbewertung einfließen lassen. Am Ende entscheidet der Gemeinderat. Bürger haben noch bis 11. Mai Gelegenheit, im Rathaus oder auf der städtischen Internetseite ihre Einwände abzugeben.
Darum geht es
Mit einer Öffentlichkeitsbeteiligung hat die Stadtverwaltung per Videokonferenz ihre gegenwärtigen Überlegungen zur Weiterentwicklung der Wohnbebauung nördlich des Farnweges und westlich der Oberförster-Ganter-Straße im Kurgebiet den interessierten Bürgern vorgestellt.
Anfang Februar hat der Gemeinderat für einen Teilbereich ‚Nördlich Farnweg‘ bereits die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen, mit dem eine „verträgliche wohnbauliche Nachverdichtung“ vorbereitet werden soll. Neue Wohnbebauung soll damit ermöglicht werden, aber nur in Maßen, um die Eigenart des übrigen Kurgebiets mit einer eher lockeren, kleinteiligen Bebauung in angemessener Weise nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Hinzu kommt, dass es bereits Bauanträge und Baupläne für die Umwidmung der einstigen Hotels „Bosse“ und „Garland“ in neue Wohnbebauung gibt. Dagegen gibt es von Nachbarn vielerlei Vorbehalte. Bis zum Inkrafttreten des neuen Bebauungsplans wurde aber über das Gebiet eine Veränderungssperre verhängt, um baulichen Wildwuchs zu vermeiden. (est)