Zugegeben, ein bisschen Nostalgie ist auch dabei, wenn Patrick Jamnikar über Sirenen spricht: „Als Kind gehörte es einfach dazu, dass am ersten Samstag im Monat Sirenenprobe war“, erzählt er im Garten seiner Familie in Schwenningen.
„Und irgendwann war das einfach weg.“ Irgendwann – das war die Zeit nach dem Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs, als die liberale Demokratie sich ungehindert um den ganzen Globus auszudehnen schien und Politiker eine Friedensdividende heben wollten. Sirenen? Kann man sich in einem solchen Umfeld von weltumspannendem Frieden sparen.
Neue Gefahren tauchen auf
35 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges ändert sich das Bewusstsein. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine gibt es seit 2022 wieder einen Krieg auf europäischem Boden, die Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 tat ein Übriges.
Unabhängig von diesen konkreten Ereignissen gibt es seit 2020 den bundesweiten Warntag. Der ist immer am zweiten Donnerstag im September, 2025 also am 11. September.
Und Jamnikar ist einer, der intensiv darüber nachdenkt, wie man die Menschen warnen kann. Das hängt mit seiner Arbeit als Rettungssanitäter beim Roten Kreuz im Kreis Tuttlingen zusammen und mit seinem Ehrenamt im Katastrophenschutz.
Aber noch etwas spielt mit rein: seiner Schwäche für Sirenen. Die bezeichnet er beim Blick auf seine eigene Einheitssirene E57 als kleines Stück deutscher Geschichte.
Eine Interessengemeinschaft für Sirenen
2018 rief er ein Projekt ins Leben, das es bis heute als Facebook-Gruppe gibt. Es ist eine Interessengemeinschaft für die Erhaltung des Sirenennetzes im Schwarzwald-Baar-Kreis.
„Die Gruppe hat heute etwas mehr als 400 Mitglieder“, erzählt Jamnikar. Und das, obwohl er eine Weile in Hessen gelebt habe und erst seit 2023 wieder zurück in der Heimat sei.
Das Ziel der Unternehmung: „Darauf hinweisen, dass es einen Warnmix geben muss.“ Auf nur eine Technik zu setzen, um die Menschen zu warnen, halte er für falsch, und wirbt für die Sirene als erste Warnmöglichkeit.
Denn sollte es zu einem weiträumigen Stromausfall kommen, falle auch das Handynetz aus – ein Problem für die Warnung der Menschen über Mobiltelefone. Auch die Technik Cell Broadcast wäre dann betroffen.
„Die Technologie Cell Broadcast setzt voraus, dass das Mobilfunknetz störungsfrei funktioniert, das Endgerät eingeschaltet ist und Cell Broadcast-Meldungen empfangen kann“, schreibt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).
Daher plädiert Jamnikar für Sirenen als erste Warnmittel. Zumal die neuen Geräte nicht wie seine alte E57 auf Starkstrom angewiesen seien, sondern mit normaler Netzspannung laufen würden – und zur Not auch mit Akkus ohne Stromanschluss.
Neue Sirenen – in der Fan-Gemeinde laut Jamnikar als Eistüten bezeichnet – könnten zudem neben dem herkömmlichen Heulton auch Durchsagen ausstrahlen. Ein Vorteil in Zeiten, in denen kaum noch jemand sich mit den früheren Warnsignalen auskennen dürfte.
Sirenenfreund Jamnikar ist sich allerdings auch klar darüber, dass nicht jeder seine Initiative gut findet – und auch nicht den Warntag. „Es gibt auch Leute, die den Warntag kritisieren.“
Gerade in sozialen Medien sei ein Gegenargument eine vermeintliche Panikmache. Jamnikar sieht das nicht so. „Es geht ja um alle Arten von Warnung, auch bei Naturkatastrophen.“
Und damit das gut funktioniert, werden am Donnerstag, 11. September, um 11 Uhr wieder die Warnsysteme getestet.
Villingen-Schwenningen: Sirenen bleiben aus
In der Stadt Villingen-Schwenningen werden zum Warntag keine Sirenen ausgelöst, schreibt Stadtsprecher Patrick Ganter auf Anfrage. Klassische Sirenen gebe es ohnehin nur noch in Tannheim und Pfaffenweiler, doch diese entsprächen nicht mehr dem Stand der Technik.
Die Stadtverwaltung setzt stattdessen auf mobile Sirenen, „die im Ereignisfall durch die Feuerwehr und den Kommunalen Ordnungsdienst für die Warnung der Bevölkerung eingesetzt werden können“.
Außerdem sei die Beschaffung zusätzlicher Sirenen geplant. Auf den Warntag mache die Stadt durch ein Video aufmerksam.
In Sachen Bevölkerungsschutz erarbeite die Stadt derzeit aber ein Konzept für Notfalltreffpunkte. An solche Treffpunkte können sich Bürger dann etwa bei einem flächendeckenden Stromausfall wenden, dort solle es Informationen geben und man soll dort um Hilfe bitten können.
Das Konzept soll etwa um den Jahreswechsel fertig sein, so Ganter. Und auch heute könne die Stadt schon Notfalltreffpunkte einrichten, dafür gebe es unter anderem mobile Stromaggregate und Feldbetten.
Bad Dürrheim: Die Stadt will digital aufrüsten
Die Kurstadt Bad Dürrheim will sich nicht am bundesweiten Warntag beteiligen, wie Sandra Mieg für die Stadtverwaltung auf Anfrage schreibt.
Als Begründung führt sie an, dass sich die Sirenen in der Gemeinde nicht automatisch ansteuern lassen. „An jeder Sirenensteuerung müsste eine Person zur Verfügung stehen, die dann per Hand die Tonfolge steuert.“
Und: Einmal sei die Stadt dabei gewesen, habe aber Beschwerden aus der Bevölkerung einstecken müssen, dass die Sirenen kaum hörbar gewesen seien. Sirenen gebe es noch auf den Rathäusern der Ortsteile und in der Kernstadt auf dem alten Rathaus, sie würden alle analog betrieben.
2026 soll sich das ändern: Dann sollen die Sirenen auf digitalen Betrieb umgestellt werden, schreibt Mieg. Die bestehenden Sirenen können dann wieder als Mittel zur Warnung der Bevölkerung eingesetzt werden.
Bad Dürrheim hat ebenfalls mobile Lautsprecher zur Verfügung. Zwei davon gebe es bereits, ein weiterer soll 2026 gekauft werden.
Schwarzwald-Baar: Fahrzeuge, Weiterbildung, Krisenstäbe
Der Landkreis betreibt selbst keine Sirenen, kann im Einsatzfall aber über die Integrierte Leitstelle Warneinrichtungen auslösen. Das schreibt Kristina Diffring, Referentin von Landrat Sven Hinterseh, auf Anfrage.
Beim bundesweiten Warntag erfolge das allerdings zentral über den Bund. Der Landkreis fungiere als Untere Katastrophenschutzbehörde und müsse unter anderem Alarm- und Einsatzpläne erstellen.
Regelmäßig gebe es Übungen und Fortbildungen mit allen Beteiligten, und auch für manche Einsatzfahrzeuge sei der Landkreis zuständig. Aktuell seien unter anderem die Einführung von Digitalfunk und die Beschaffung neuer Fahrzeuge auf dem aktuellen Stand der Technik Themen – und die Umsetzung von Katastrophenschutz-Aktionstagen in den sechsten Klassen.