Herr Erchinger, Sie gehören seit fast 30 Jahren als Pianist zum Quartett der Sängerin Cécile Verny, auch die anderen Bandmitglieder sind schon lange dabei. Woran liegt diese inzwischen eher ungewöhnliche Stabilität?

Andreas Erchinger: Ja, das jüngste Bandmitglied, Schlagzeuger Lars Binder, ist seit 16 Jahren dabei, ich selbst bin 1998 eingestiegen und Bassist Bernd Heitzler ist mit Cécile Verny zusammen sogar noch länger dabei. Unser Glück war, dass wir über die Jahre immer stabil erfolgreich waren und uns auch immer etwas Neues eingefallen ist. Wir hoffen, dass das noch lange so bleibt und wir alle gesund bleiben. Und über eine so lange Zeit wächst man natürlich zusammen, musikalisch und persönlich. Die persönlich enge Beziehung hört man auch. Und zum Gesamtbild gehört natürlich auch, dass drei von uns in Freiburg leben.

Wenn man ihre Biografie anschaut, sieht man, dass Sie auch häufig in afrikanischen Ländern gespielt haben. Was kann man da als Musiker so erleben, zumal ein Pianist sein Instrument ja kaum mitnehmen kann?

Andreas Erchinger: In den afrikanischen Ländern waren wir häufig auf Einladung des Goethe-Instituts unterwegs und dabei ging es dann nicht nur um Auftritte und Konzerte, sondern auch um Workshops mit einheimischen Musikern. Und es war immer eine unerhörte Bereicherung, mit afrikanischen Musikern zu spielen. Unsere Musik kommt schließlich im weitesten Sinne aus Afrika. Da war unsere Haltung eher ein wenig demütig, als dass man als überheblicher Europäer auftritt. Und dann funktioniert es auch prima, miteinander Musik zu machen – selbst wenn man die Sprache nicht beherrscht.

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Und wie war es mit den Instrumenten und dem Publikum?

Andreas Erchinger: Die Klaviere waren mitunter tatsächlich abenteuerlich, manchmal auch betagte E-Pianos. Aber am Ende funktionierte es immer. Und unsere Musik ist den Menschen vor Ort natürlich zunächst eher fremd, in der Regel hat es aber relativ schnell funktioniert, dass die Leute sich darauf einlassen. Über ihre Wurzeln und ihre Kindheit in Abidjan, der Hauptstadt der Elfenbeinküste, kann Cécile rasch eine Verbindung aufbauen. Im Sudan haben wir mal vor 800 bis 900 Menschen gespielt.

Vom fernen Kontinent in den nahen Schwarzwald: Sie stammen aus St. Georgen, leben aber schon lange in Freiburg. Wie eng sind Sie Ihrer Heimatstadt noch verbunden?

Andreas Erchinger: Der Stadt St. Georgen bin ich nach wie vor eng verbunden, bis 2023 habe ich auch noch an der Jugendmusikschule St. Georgen-Furtwangen unterrichtet. Es ist mir auch sehr schwer gefallen, nach mehr als 30 Jahren damit aufzuhören, aber neben anderen Unterrichtsorten und Auftritten ging das zeitlich einfach nicht mehr. Meine Mutter und meine Brüder leben nach wie vor in St. Georgen und ich bin auch öfter mit anderen Gruppierungen dort auf der Bühne. Mit dem Cécile Verny Quartett waren wir aber 2018 zuletzt dort.

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Und wie ging das damals los mit dem Jazz für Sie? Es ist ja nicht gerade eine Mainstream-Musikrichtung.

Andreas Erchinger: Das ist in der Tat wahr. Und bei mir ist der Übergang zum Jazz auch eng mit einem bestimmten Lehrer verbunden. Anfangs hatte ich nämlich klassischen Klavierunterricht, für Klassik hatte ich aber ehrlich gesagt nicht so viel übrig. Dann bekam ich den Amerikaner Marque Löwenthal als Lehrer an der Jugendmusikschule. Und wenn es den nicht gegeben hätte, wäre mein Leben sicher anders verlaufen. Auch deswegen war ich der Jugendmusikschule so lange verbunden. Und zum Gesamtbild gehört auch der Jazzclub Villingen. Das ist wirklich eine tolle Institution, wo ich in meiner Jugend oft war und die meinem Leben in gewisser Weise eine Richtung gegeben hat.

Wie hat Ihr Umfeld dann reagiert, als es mit der Jazzmusik ernst wurde?

Andreas Erchinger: Mein Vater hat nicht unbedingt gejubelt, als ich gesagt habe, dass ich Jazz studieren möchte. Dann bin ich an die Swiss Jazz School in Bern gegangen. Musiker werden, das war für meine Eltern eine fremde Welt, wir haben auch keine Musiker in der Familie. Aber sie blickten relativ entspannt auf die Sache und hatten ein Grundvertrauen, dass es schon gut gehen werde. Das ist heute nicht mehr unbedingt so.

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Ist das Ihr Eindruck aus der Unterrichtspraxis?

Andreas Erchinger: Ja, da sehe ich ganz klar: Eltern waren früher entspannter. Heute machen sie sich viel mehr Gedanken und Sorgen darum, was aus ihren Kindern wird, dass sie das richtige Instrument lernen und so weiter. Dabei ist es für uns alle ja auch gut gegangen. Für mich nahm die Sache mit Studienbeginn ihren Lauf.

Und wie schlägt man sich als Jazzmusiker wirtschaftlich durch?

Andreas Erchinger: Als Jazzer allein von Gagen zu leben, ist tatsächlich schwer. Die meisten von uns unterrichten deswegen nebenher. Und ich genieße dieses zweiteilige Leben auch sehr, mit Unterricht und Auftritten. Und wenn man mal auf Tour geht, muss man eben eine Vertretung organisieren oder Stunden vor- und nachholen.

Gibt es eigentlich noch genügend Auftrittsmöglichkeiten für Jazzer?

Andreas Erchinger: Da sieht man in der letzten Zeit tatsächlich eine besorgniserregende Entwicklung, nämlich dass Konzertstätten zumachen müssen, weil Vereinsvorsitzende das 40 oder 50 Jahre betrieben haben und keinen Nachfolger finden.