Nach 22 Jahren schließt Ende Oktober ein weiteres Traditionsgeschäft in der Villinger Innenstadt für immer seine Ladentür. Dieses Mal ist es der Eisenbahnladen von Bernhard Bemb in der Brunnenstraße.
Einen Nachfolger gibt es nicht, dafür sind die möglichen Gewinnmargen in dieser Branche einfach viel zu niedrig. Das Geschäft mit Modelleisenbahnartikeln ist schon seit Jahren rückläufig und das bundesweit. Das ist aber gar nicht der Grund weshalb Bemb aufhört.
Für Bemb selbst war es immer eine Herzenssache, seinen Laden zu betreiben. Jetzt muss der 75-Jährige aus gesundheitlichen Gründen etwas kürzertreten.
Bemb schlägt den Rat des Steuerberaters aus
„Mein Steuerberater hatte mir schon immer davon abgeraten“, erinnert sich Bemb und weiter: „Aber mir hat es einfach immer sehr viel Spaß gemacht und lange Zeit lief das Geschäft ja auch ganz gut und ich hatte sehr viele Stammkunden.“
Wie die meisten Männer seiner Generation bekam er als Kind eine Modelleisenbahn zu Weihnachten geschenkt – zusammen mit seinem Bruder. Sechs Jahre war er damals alt. Fortan ließ Bemb das Hobby nicht mehr los.
Die Modellbahnsammlung wächst
Als Versicherungs- und Immobilienmakler hatte er dann aber beruflich lange Jahre andere Herausforderungen. Derweil wuchs seine private Modelleisenbahnsammlung ständig weiter an.
Schließlich war klar, dass er sich im Alter so nach und nach wieder von ein paar seiner Schätze trennen muss. Der Platz wurde zu knapp.
Vom Ausmisten zum eigenen Geschäft
So kam es, dass er 2003 in seinem Immobilienbüro in der Brunnenstraße 20 ein Regal aufbaute und einige seiner gebrauchten Modelleisenbahnmodelle zum Verkauf anbot. Das sprach sich schnell herum.
Die Idee war so erfolgreich, dass Bemb innerhalb eines Jahres das Immobiliengeschäft einstellte und voll auf den Verkauf von gebrauchten Modelleisenbahnartikeln umstieg.
Sein Kundenstamm wuchs in den Anfangsjahren stark an. Einige kamen mehrmals pro Jahr – teilweise sogar aus Frankfurt oder Bayern zu ihm nach Villingen, weil sie spezielle Artikel suchten.
Einen Internet-Verkauf wollte Bernhard Bemb nie
Gleichzeitig wuchs das Geschäft mit dem Ankauf gebrauchter Modelleisenbahnen. Und immer war es ein reines Ladengeschäft, ein Verkauf über das Internet kam für Bemb nie infrage.
„Dabei sind die Probleme und Unkosten mit möglichen Retouren und Abmahnern einfach zu groß, das kann ich als kleiner Einzelhändler nicht riskieren“, erklärt Bemb. Im Laden konnten die Kunden alles anfassen, testen und sich in Ruhe entscheiden.
Wenn es Probleme gab, nahm er die Artikel zurück oder reparierte sie selbst. So war dann über die Jahre das Geschäft mit Reparaturen und Umbauten auch ein weiteres Standbein für den kleinen Laden.
Die Digitalisierung hat Einzug gehalten
Beim Betrieb der Modelleisenbahn hat inzwischen längst die Digitalisierung Einzug gehalten. Früher ließ sich mittels eines Trafos nur eine Lok auf einem Gleis fahren. Dank moderner Digitaltechnik lassen sich heute sehr viele Loks gleichzeitig steuern.
So wurde auch das Umbauen von analogen Loks auf Digitalbetrieb ein weiteres Geschäftsfeld für Bemb. Ein Service, den vor allem viele seiner älteren Stammkunden sehr zu schätzen wussten.
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Corona brachte nochmals einen großen Schub
Mit Corona kam dann überall im Lande noch einmal ein großer Schub für das Modelleisenbahngeschäft. Viele Menschen erinnerten sich an ihre alte Modelleisenbahn auf dem Speicher. Zeit gab es jede Menge.
Einige investierten auch in Neuanschaffungen. Dieser Boom sollte aber nicht nachhaltig bleiben. Mittlerweile gehen die Geschäfte immer schlechter.
Stirbt der Modelleisenbahn-Besitzer, verkaufen die Erben
Und wo früher kaum gebrauchte Artikel angeboten wurden, hat sich das Verhältnis inzwischen im Verhältnis 10:1 verändert. „Jeden Tag rufen bei mir Menschen an, die eine Modelleisenbahnsammlung verkaufen möchten“, skizziert Bemb die Lage. In den meisten Fällen sind es Kinder und Enkel von verstorbenen Verwandten, die um Rat für einen Verkauf suchen.
So auch im Fall eines 99-jährigen Stammkunden. Der hatte jahrelang regelmäßig im Eisenbahnladen eingekauft, um seine Sammlung zu vergrößern. Nach seinem Tod rief die Enkelin an, und Bemb konnte alles wieder bei den Erben abholen, um es erneut zum Verkauf anzubieten.
Zufallsfund aus dem Jahr 1965

Erst kürzlich habe er wieder mal eine alte Modelleisenbahnanlage abgeholt, erzählt Bemb. Beim Abbau fällt ihm das Füllmaterial in einem Modellberg ins Auge. Eine Zeitungsseite aus dem Kehler Tagblatt von 1965. Darauf ein Artikel mit dem Titel: „Alle Männer Eisenbahner“.
Darin wird beschrieben, wie damals Väter mit ihren Söhnen unterm Weihnachtsbaum mit der Modelleisenbahn spielten. Der Zufallsfund spreche Bände und veranschauliche den Wandel der Zeit in diesem Hobbybereich, findet Bemb.
Ende Oktober ist Schluss
Für seinen Eisenbahnladen sind die letzten Tage angebrochen. „Alles muss raus“, heißt die Devise. Bis Ende Oktober haben Modelleisenbahnfreunde jeweils donnerstags und samstags noch die letzte Gelegenheit, lange gesuchte Modelle zu finden und ihre eigenen Sammlungen zu Schnäppchenpreisen zu komplementieren.
„Mir blutet das Herz, aber es geht eben leider nicht mehr anders“, sagt Bernhard Bemb. Er habe sehr viele gute Erinnerungen an die vergangenen 22 Jahre. Seine Entscheidung von damals – Modelleisenbahnen statt Immobilien zu verkaufen – bereue er jedenfalls nicht.