Mit der zweiten Welle der Corona-Pandemie ist auch der städtische Kulturbetrieb in einen Tsunami von neuen Einschränkungen und Veranstaltungsabsagen geraten. Seit dem der Schwarzwald-Baar-Kreis Mitte Oktober zum Risikogebiet wurde, haben sich alle Hoffnungen auf eine gute Spielzeit zerschlagen. Inzwischen hat das Kulturamt für November mit einer Ausnahme alle vorgesehen Theater-, Kleinkunst und Konzertveranstaltungen absagen müssen. „Für die Kulturbranche ist dies eine absolute Katastrophe“, stellt Kulturamtsleiter Andreas Dobmeier fest.

Mit dem Überschreiten der Sieben-Tage-Inzidenz von 50 Neuinfizierten pro 100 000 Einwohnern dürfen im Landkreis nur noch öffentliche Veranstaltungen bis hundert Personen stattfinden. Das gilt auch für die Kulturveranstaltungen der Stadt – was nach dem Lockdown im Frühjahr nun zum zweiten Mal zum Erliegen des Kulturbetriebs geführt hat. Als erstes musste das geplante Theaterfest, eine Eigenveranstaltung zum 80-jährigen Bestehen des Theaters am Ring, abgesagt werden.

Die Mitarbeiter des städtischen Kulturamtes haben mit allen Mitteln versucht, zu retten was zu retten ist. Theaterspiele und Konzerte wurden von einer auf zwei Aufführungen mit jeweils hundert Personen neu organisiert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben hunderte von Telefonaten mit den Abonnenten städtischer Kulturreihen geführt, um ihnen abzusagen oder sie auf neue Termine umzubuchen.

Künstler können nicht kommen

Diese Anstrengungen erwiesen sich zuletzt allerdings als vergebliche Liebesmühe. Viele Veranstaltungen mussten kurzerhand abgesagt werden, weil Künstler oder ganze Ensembles aus dem Ausland aufgrund der Corona-Bestimmungen nicht einreisen durften. Beispielsweise der weltberühmte französische Akkordeonist Richard Galliano, der am 12. November mit der Russischen Kammerphilharmonie St. Petersburg im Franziskaner Konzerthaus auftreten sollte.

Aufgrund der Corona-Pandemie kam das Kulturamt aber noch von einer anderen Seite unerwartet unter Druck: Vom eigenen Publikum. „Mit was wir nicht gerechnet haben war, dass die Leute von sich aus kommen und sagen, die Gefahr einer Ansteckung ist aktuell so groß, dass wir lieber zuhause bleiben“, berichtet der Kulturamtsleiter. Bei mehreren aktuellen Veranstaltungen, die hätten stattfinden können, „bröckelte uns das Publikum weg“, schildert Dobmeier. Eine ganze Reihe von Veranstaltungen wurden daher aus wirtschaftlichen Gründen abgesagt.

Angst im Publikum

Die Furcht vor Ansteckungen bei städtischen Kulturveranstaltungen hält Dobmeier indes für unbegründet. Bei hundert Personen in den großen Sälen, in denen gewöhnlich 680 (Theater) oder 900 Besucher (Franziskaner) Platz finden, sehe er keine Gesundheitsgefahren angesichts eines umfassenden Hygienekonzepts und großer Abstände. „Ich bin überzeugt, dass sich bei uns niemand ansteckt“, sagt der Kulturamtsleiter. Und fügt hinzu, er kenne überhaupt keine Veranstaltungsplätze, bei denen sich bisher jemand angesteckt habe. Insofern ist Dobmeier wenig glücklich mit der Entscheidung der Politik, Kulturveranstaltungen derart zu begrenzen. In Österreich oder der Schweiz gebe es nach wie vor große Veranstaltungen, „ohne dass diese zu Hotspots von Infektionen geworden sind“.

Die finanziellen Auswirkungen für den städtischen Kulturbetrieb „werden gravierend sein“, stellt Dobmeier angesichts der Vielzahl von gestrichenen Veranstaltungen in Aussicht. Eine Entwicklung, die zur Unzeit kommt. Steht doch der Kulturbetrieb der Stadt selbst im Fadenkreuz möglicher Einsparmaßnahmen des Gemeinderates. Allerdings gibt es einen Lichtblick. Denn die Bundesregierung hat ein Hilfsprogramm „Neustart Kultur“ aufgelegt, aus dem das Kulturamt Fördermittel beantragt hat. „Wir hoffen auf einen Ausgleich von mindestens 50 Prozent unserer Verluste“, zeigt sich der Kulturamtsleiter diesbezüglich „guter Dinge“.

Hartz IV für viele Künstler

Was den Kulturbetrieb insgesamt angeht, rechnet Dobmeier mit schweren Folgeschäden, sollten die Publikums-Begrenzungen der Veranstaltungen noch länger andauern. Vor allem für viele Musik- und Theaterproduzenten, für die Gastspieltheater und das technische Veranstaltungswesen habe dies verheerende Folgen. Viele freie Künstler und Musiker landeten derzeit mit ihren Familien bei Hartz IV.

Was den städtischen Kulturbetrieb betrifft, „hoffen wir, dass wir die Beschränkungen auf hundert Besucher bald wieder wegbekommen“, sagt Dobmeier. Hoffnung macht ihm, dass die Infektionszahlen im Landkreis wieder etwas sinken. Fallen sie unter den Inzidenzwert von 50, können wieder Veranstaltungen bis 500 Personen stattfinden. Übersetzt auf das Hygienekonzept des Kulturamtes bedeutet dies, dass wieder 200 bis 250 Personen in Theater oder Konzerthaus zulässig sind. Und das wäre unter aktuellen Vorzeichen schon wieder ein Stück Normalisierung.