Mit der Umgestaltung des Kasernengeländes „Mangin“ in das neue Wohn- und Verwaltungsquartier „Oberer Brühl“ in Villingen will die Stadt neue Wege gehen und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das Automobil soll in dem künftigen Quartier, in dem einmal rund 1500 Menschen leben werden, aus dem öffentlichen Verkehrsraum verbannt werden und in Tiefgaragen (für die Anwohner) und eine Hochgarage (für die Mitarbeiter der Stadt) verschwinden. In den Wohnstraßen sind keine Parkplätze vorgesehen.

Ansgar Kundinger, der „Mobilitätsbeauftragte“ der Stadt, stellte seine Konzeption jetzt den Stadträten im Technischen Ausschuss vor. Der konzeptionelle Grundgedanke lautet: Wenn in diesem Quartier alternative Mobilitätsformen angeboten werden, brauchen die Bewohner weniger Autos, damit müssen weniger Flächen für Parkplätze freigehalten werden. Das wiederum senkt die Mietkosten und ermöglicht eine hohe Lebens- und Aufenthaltsqualität in den Straßen und Grünanlagen des stark autoreduzierten Quartiers.

Doch wie kann man dieses Ziel erreichen? Hier die Vorschläge des Konzepts:

  • Zum einen soll das Quartier besser als bisher an den Öffentlichen Nahverkehr angebunden werden, etwa mit neuen Haltestellen und einer Taktverdichtung sowie den geplanten Bau einer Ringzughaltestelle in der Richthofenstraße.
  • Das Fahrradfahren soll attraktiv gemacht werden: Durch die Einbindung in ein Radwegenetz und durch zahlreiche gesicherte Fahrrad-Stellplätze im Quartier. Hier wären bis zu 2050 Stellplätze in diebstahlsicheren, witterungsgeschützen Boxen mit Lademöglichkeiten für E-Bikes sowie an Fahrradbügeln möglich, die ebenerdig zwischen Haustür und Straße platziert werden.
  • Durch die Einrichtung einer „Mobilitätsstation“ im Quartier, in der die Bewohner Fahrräder, E-Bikes, Lastenräder, E-Tretroller oder Autos (“Car Sharing“) ausleihen können, ließe sich der Stellplatzschlüssel weiter senken. Im Quartier Oberer Brühl könnte dieser Schlüssel von 1,2 Autos pro Haushalt durch die Einrichtung einer „Mobilitätsstation“, so der Vorschlag des Konzepts, auf 0,7 abgesenkt werden. Nach diesem Rechenexempel ließe sich die Zahl von 958 Stellplätzen für Anwohner, Mitarbeiter der Stadt und Besucher auf 648 absenken. Das ergäbe eine enorme Platz- und Kostenersparnis.
  • Verkehrsvermeidung: Für Besucher und Zulieferer sollen Parkplätze an der Kirnacher Straße geschaffen werden. Damit können öffentliche Gebäude des Quartiers wie der Kindergarten, das Standesamt oder die Musikakademie einfach erreicht werden, ohne in das Quartier einzufahren.

„Hellauf begeistert“

Das Konzept stieß auf viel Zustimmung, bei den Grünen sogar auf Euphorie. „Die ganze Fraktion ist hellauf begeistert“, schwärmte Fraktionsvize Ulrike Salat. Das Konzept sei „mutig, zukunftsweisend und zeigt, dass wir in VS nach vorne schauen.“ Zustimmung kam auch von Dirk Gläschig (Freie Wähler): „Das gefällt mir sehr gut. Wichtig ist, dass die Fahrzeuge sichtbar aus dem Quartier draußen bleiben.“ Bernd Lohmiller (SPD) würdigte das Konzept ebenfalls als „sehr zukunftsorientierte Lösung“.

Auch Dietmar Wildi (CDU) fand die Vorlage „klasse“, warnte aber, wie seine Fraktionskollegin Gudrun Furtwängler, vor einer zu starken Absenkung des Stellplatzschlüssels. Sonst drohe Ärger, weil die Parkplatzsuche in die angrenzenden Wohngebiete verlagert werde. Olaf Barth (AfD) kanzelte das Konzept als „Ausdruck grüner Mythologie und Ideologie“ ab. Villingen sei keine Großstadt, sondern ländlicher Raum, hier benötigten viele Haushalte mehrere Autos.

Am Ende befürwortete der Ausschuss mehrheitlich, bei einer Gegenstimme und fünf Enthaltung, das Konzept. Nächste Woche entscheidet der Gemeinderat darüber.

Das Quartier Oberer Brühl

Beim Quartier „Oberer Brühl“ handelt es sich um das sieben Hektar große ehemalige französische Kasernengelände „Mangin“ zwischen Kirnacher-, Vöhrenbacher-, Pontarlier- und Waldstraße. Es soll bis 2026 ein ökologisches Wohn- und Verwaltungsquartier werden. Geplant sind 683 neue Mietwohnungen und der Umbau zweier Kasernengebäude für ein neues Stadtarchiv und einen städtischen Verwaltungstrakt. Dazu sollen weitere Gemeinbedarfseinrichtungen geschaffen werden wie ein Kindergarten, ein Quartierszentrum oder die Musikakademie.