Mit einer massiven finanziellen Schieflage ist der städtische Haushalt ohnehin schon in das Jahr 2020 gestartet. Oben drauf kommt jetzt noch die Corona-Krise. Beides summiert sich zu einem Minus von 66 Millionen Euro im Etat der Stadt, und damit zur schlimmsten Haushaltskrise der Stadt in der Nachkriegszeit.
Doch wie kommt man da wieder raus? Darüber herrscht bei den Fraktionen im Gemeinderat gegenwärtig vor allem eines: Große Ratlosigkeit. Neue Töne schlägt daher Klaus Martin (CDU) an. Er fordert Solidarität über die Parteigrenzen hinaus. „Wir müssen umdenken. Es wird nicht mehr gehen wie früher.“

Nächste Woche wird sich der Verwaltungsausschuss des Gemeinderates mit einem weiteren Sparpaket befassen. Nach dem der Gemeinderat im Mai bereits rund 21 Millionen Euro bei den Investitionen gekürzt hat, geht es nun an die laufenden Ausgaben. Die Stadtverwaltung legt ein Einsparpaket von insgesamt rund 13 Millionen Euro vor. Doch selbst wenn der Gemeinderat dieser Streichliste voll umfänglich zustimmt, übersteigen die Ausgaben im Haushalt die Einnahmen noch immer um 53 Millionen Euro. Wie dieses riesige „Finanzloch“ in den nächsten Jahren wieder ausgeglichen werden kann, darüber soll nun die Haushalts-Strukturkommission sowie das gesamte Ratsgremium in insgesamt vier Klausurtagungen im Juli beraten. Viele rechnen mit einem jahrelangen Leidensweg. Unklar ist aber nach wie vor, wie groß die Unterstützung der Städte durch Bund und Land aussehen wird.
So beurteilen die Fraktions-Vorsitzenden die aktuelle Lage:
- CDU: Klaus Martin ist der Meinung: Wenn es finanziell dramatisch weitergeht, müsse der Gemeinderat neue Schwerpunkte erarbeiten, auch unabhängig von den Folgen der Coronakrise. „Ich hoffe, dass wir als Fraktionen die Kraft haben, die notwendigen Beschlüsse zu fassen.“ Jede Fraktion habe ja bislang unterschiedliche „Favoriten“. Um diese Krise zu meistern, „hoffe ich auf Solidarität im Gemeinderat“. Die Ratsfraktionen müssten jetzt umdenken, es werde nicht mehr so weiter gehen wie früher. „Im Zweifelsfall müssen wir bei Einsparmaßnahmen über alles reden“, unterstreicht er den Ernst der Lage.
- Grüne: Joachim von Mirbach betont: Notwendig sei es, die Kosten „runterzufahren so weit wie möglich“. Auch bei den Investitionen sollte nur „das Allernotwendigste“ gemacht werden, da dieses Jahr sämtliche Investitionen nur durch Schuldenaufnahme möglich sind. Städtische Ausgaben auf dem Konversionsgelände Mangin lehnte von Mirbach in diesem Jahr ab. Die Grünen seien aber nicht für Einsparmaßnahmen bei Bildung und Kultur zu haben, eine Erhöhung der Kindergartengebühren käme ebenfalls nicht in Frage. Auch beim Klimaschutz dürfe nicht gekürzt werden, skizziert er die die Tabus der Grünen. Wie allerdings das strukturelle Defizit im Verwaltungshaushalt ausgeglichen werden kann, macht den Grünen-Chef ratlos. Vermutlich über Schulden. Hier müsse man die Klausurtagungen abwarten.

- Freie Wähler: Andreas Flöß ist dagegen der Auffassung, dass die Stadt bei den Investitionen nicht massiv bremsen, sondern sich „antizyklisch“ verhalten und die heimische Wirtschaft mit Aufträgen stützen sollte. Genau aus diesem Grund, betont Flöß, halte die Fraktion auch an der räumlichen Neuordnung der Stadtverwaltung auf dem Kasernengelände Mangin fest. „Wir sollten dies unterstützen, zumal die Sanierungen der beiden Mannschaftsgebäude hoch bezuschusst werden“, sagt er. Dazu komme, dass die Kosten für den Kauf des Geländes vom Bund „deutlich gesenkt werden“, wenn die alten Mannschaftsgebäude für Archiv und Verwaltung saniert werden. „Der Kauf des Geländes wird insgesamt deutlich teurer, wenn wir die beiden Gebäude nicht sanieren und nutzen. Dies muss aber innerhalb drei Jahren geschehen“, betont er. Gleichwohl sehen auch die Freien Wähler einige Einsparmöglichkeiten bei den Investitionen: So durch einen Verzicht auf die Ostanbindung Schwenningens (acht Millionen Euro) sowie den Stopp der Münsterplatzsanierung (1,2 Millionen). Für 2021 könnten auch weitere Personaleinsparungen getroffen werden. Zuviel Geld fließe auch in den Eissport.
- SPD: Edgar Schurr betont: „Alles, was geschoben werden kann, wird man auf den Prüfstand stellen.“ Auch bei den Investitionen sollte die Stadt noch einige Projekte schieben. Denn trotz der beschlossenen Kürzung um 21 Millionen belaufe sich das Investitionsvolumen noch immer auf 45 Millionen. Es sei aber unwahrscheinlich, dass die Stadt dieses Volumen bewältigen könne. Insofern könnte hier noch deutlich gestrafft und damit die Neuverschuldung gesenkt werden. Die Stadt sollte auch auf den Ausbau des zweiten Verwaltungsgebäudes auf dem Mangin-Gelände dieses Jahr verzichten, nicht aber auf den Ost-Anschluss in Schwenningen. Schwieriger sei es, bei den jährlich wiederkehrenden Ausgaben zu sparen. „Da werden uns Einsparungen bei Einzelmaßnahmen nicht retten“, ist er überzeugt.
- FDP: Frank Bonath war schon vor rund zwei Wochen mit dem Vorschlag vorgeprescht, die bevorstehenden Haushaltsberatungen einem neuen Verfahren zu unterziehen. Statt alle Wünsche auf den Tisch zu legen und dann mühselig zu kürzen sollten nun nur die gesetzlichen Pflichtaufgaben auf den Tisch kommen und dann beraten werden, was sonst noch für notwendig erachtet wird. „Ich weiß aber nicht, ob man das Verfahren so macht“, berichtet Bonath. Bei den Investitionen in die Infrastruktur will die FDP aber nicht sparen. „Alles was wir in die Zukunft investieren, ist gut“, lautet sein Credo. Entscheidend sei, an den laufenden Ausgaben, „am Konsum“, zu sparen. Die FDP hat dazu zwei Überlegungen: Die nächsten vier Jahre sollten keine zusätzlichen Stellen bei der Stadt geschaffen werden. Und: Der Digitalisierungschub durch Corona solle für mehr Effizienz bei der Verwaltung genutzt werden.
- AfD: Noch bedeckt hält sich die AfD. „Unsere Fraktion möchte den Beratungen und der Klausurtagung nicht vorgreifen“, betont Fraktionschef Martin Rothweiler. Grundsätzlich stehe alles, was nicht zu den Pflichtaufgaben einer Kommune gehört, zur Debatte. „Als unverhandelbar sehen wir den Erhalt und Ausbau der Kinderbetreuung zur lückenlosen Bedarfsdeckung.“