Noch im Januar stimmte der Gemeinderat mehrheitlich für den Bau einer neuen Verbindungsstraße zwischen dem Industriegebiet-Ost in Schwenningen und der Bundesstraße 523 und war bereit, für 500 Meter Straße durch den Schopfelenwald rund 10,5 Millionen Euro auszugeben. Angesichts der prekären Finanzlage der Stadt in diesem Jahr ist jetzt die Stimmung gekippt.

Die Fraktionen von Freien Wählern, Grünen und SPD haben jetzt in einem gemeinsamen Antrag gefordert, den kostspieligen Straßenbau ein für allemal zu beerdigen. Nach Einschätzung aus der Stadtverwaltung dürfte die Abstimmung im Gemeinderat darüber im November erfolgen. Der Gewerbeverein Oberzentrum (GVO) reagierte gestern mit „Überraschung und Enttäuschung“ auf diese politische Kehrtwende.

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Letztendlich ist es eine politische Aktion in letzter Minute, die jetzt von der Fraktion der Freien Wähler angestoßen wurde. Denn der Bau der Straße muss bis Ende Oktober dieses Jahres begonnen werden, wenn der Planfeststellungsbeschluss von 2012 nicht seine Gültigkeit verlieren soll.

In der Begründung ihres Antrags schreiben die drei Fraktionen: „Das Argument, durch diese Anbindung würde Schwenningen vom Schwerlastverkehr entlastet, ist nicht stichhaltig. Lkws fahren fast ausschließlich die B 27 stadtauswärts Richtung Rottweil, um dann an der Abzweigung nach Trossingen auf die B 523 Richtung Villingen abzubiegen. Oder sie fahren, ebenfalls auf der B 27 stadtauswärts, in Richtung Bad Dürrheim. Die allermeisten LKWs befinden sich im südlichen Industriegebiet (DPD, Remondis etc.), und nicht im nördlichen Bereich, wo die Anbindung gebaut werden sollte.“ Außerdem sei der Verkehrsfluss im Industriegebiet durch den Kreisverkehr nördlich und südlich der Rottweiler Straße, bereits stark verbessert worden.

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Vor allem aber haben Freie Wähler, die Grünen und die SPD ein Problem mit den hohen Kosten, die im Laufe der Jahre von fünf auf über zehn Millionen Euro angewachsen sind. Dies sei angesichts der jetzigen Finanzlage nicht zu verantworten. „Wir müssen jetzt andere Prioritäten setzen“, erklärte Andreas Flöß, der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, mit Blick auf die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie für die Stadt. Da ist er sich auch mit den Grünen, die bereits seit Jahren aus Umweltschutzgründen gegen diese Straße kämpfen, sowie der SPD-Fraktion einig. Erst müsse die vorhandene Infrastruktur wie Straßen, Gebäude, Kitas und Schulen saniert werden, schreiben die drei Fraktionen. Schließlich warte auch noch „ein gigantisches Projekt auf die Realisierung“: Die Umwidmung des Areals Mangin/Oberer Brühl. „Aus diesen Gründen und aus Verantwortung für die nächste Generation (Verschuldung) können wir diese Maßnahme nicht mehr mittragen“.

Die drei Fraktionen verfügen über eine knappe Mehrheit im Gemeinderat. Aber auch in der CDU soll es laut gut informierter Kreise einige Mandatsträger geben, die dem Projekt nicht mehr zustimmen wollen. Mit dem Verzicht auf das Projekts könnte die Stadt nach Abzug von zwei Millionen Euro Landeszuschuss rund rund 8,5 Millionen Euro einsparen. Weil dieser Straßenbau ausschließlich über Schulden finanziert würde, könnte die Stadt damit ihre Neuverschuldung stark vermindern. Das wäre nicht unnötig. Denn die Verschuldung im Kernhaushalt droht in den nächsten Jahren auf Rekordhöhe zu klettern: Nach der mittelfristigen Finanzplanung der Stadt von aktuell rund 30 auf rund 150 Millionen Euro im Jahr 2023.

GVO fordert Alternative

Der Gewerbeverein Oberzentrum, der das Projekt seit Jahren gefordert hat, um die Verkehrsanbindung für die Unternehmen im Schwenninger Osten von und zur Autobahn 81 zu verbessern, äußerte „Überraschung und Enttäuschung“. Bedauert wurde, dass die drei Fraktionen im Vorfeld nicht das Gespräch mit dem GVO gesucht haben, „um einen gemeinsamen, anderen Weg anzudenken“. Da die ersatzlose Streichung „das objektiv vorhandene Verkehrsproblem nicht löst“, stehe der GVO für konstruktive Gespräche zu Alternativlösungen jederzeit zur Verfügung.