Der Beschluss des Gemeinderates vom vergangenen Mittwoch, eine neue Verbindungsstraße zwischen dem Industriegebiet-Ost und der Bundesstraße 523 quer durch den Schopfelenwald zu bauen, polarisiert im Nachgang die Gemüter. Der Gewerbeverband Oberzentrum als Lobby von Industrie, Gewerbe und Handel begrüßt den Beschluss in einer Stellungnahme nachdrücklich und sieht langfristige Vorteile für die Wirtschaft und die Bürger. Dagegen ist der Ortsverband und die Gemeinderatsfratkion der Grünen „entsetzt“ über das Bauwerk für 10,5 Millionen Euro und findet: „Das Geld hätte man deutlich besser ausgeben können.“

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Der Gewerbeverband Oberzentrum sieht das genau umgekehrt wie Grünen. Mit dem Beschluss sei eine bereits seit Jahrzehnten diskutierte Entscheidung endlich getroffen worden, erklärte der neue GVO-Präsident, Architekt Joachim Müller. Müller äußerte angesichts dieser Verzögerung auch sein Bedauern darüber, dass sich durch die wiederholte Vertagung der Umsetzung die Baukosten so drastisch erhöht haben: „Wir wissen zu schätzen, dass sich die Stadt mit dieser hohen Summe engagiert“, so Müller weiter.

Wäre der Beschluss bereits vor fünf Jahren gefällt worden, hätte man mit rund sechs Millionen Euro Baukosten noch erhebliche Mittel in andere Maßnahmen wie den Bau von Kindergärten oder in Schulsanierungen stecken können, erklärte Müller: „Dass nun in Summe zehn Millionen Euro dafür aufgewendet werden müssen, das ist eine bittere Pille.“ Angesichts der schwierigen Haushaltslage der Stadt schätze der GVO als Vertreter der doppelstädtischen Gewerbe- und Handeltreibenden umso mehr diese Entscheidung, die dem Wirtschaftsleben und den Bürgern gleichermaßen Vorteile bringen werde.

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Müller erinnerte bei aller Kritik an den hohen Kosten dieser Straßenanbindung auch an die Vorteile der Maßnahme, die seinen Vorgänger im Amt des GVO-Präsidenten, Gerhard Waldmann, schon vor vielen Jahren dazu veranlasst hatten, die Anbindung an die B 523 ins Gespräch zu bringen: „Wir haben viele Betriebe im Industriegebiet, die auf eine pünktliche Warenlieferung angewiesen sind.“ Dies habe Waldmann 2015 noch einmal aufgezeigt. Allein die Anzahl der vielen DHL- und Postautos zeige den Bedarf an dieser Straße. Auch bei der Sperrung der Dürrheimer Straße habe es durch den Stau in der Rottweiler Straße erhebliche Probleme mit Lkw-Staus und erheblichen Schwierigkeiten für Einsatzfahrzeuge gegeben.

Und: Die Anbindung des Industriegebiets Ost an die B 523 sei ein wichtiger Schritt zur Steigerung der Attraktivität dieses Gewerbegebiets gegenüber den Mitbewerbern um Industrieansiedlungen und damit um Arbeitsplätze wie zum Beispiel Dauchingen. Zudem dürfe nicht vergessen werden, so sagte Waldmann damals, dass der Schwerlastverkehr zwischen Villingen oder St. Georgen und dem Industriegebiet Ost derzeit vollständig durch die Schwenninger Innenstadt rolle. Die Anbindung an die B 523 werde die Stadt erheblich vom Lkw-Verkehr entlasten, so seine Prognose.

Für Waldmanns Nachfolger Joachim Müller haben die damals bereits vorgetragenen Argumente weiterhin Gültigkeit und relativieren aus seiner Sicht auch die Vorhaltungen, dass die neue Trasse lediglich einige Minuten Fahrzeit weniger bedeuten würden: „Wir beim GVO sind nach wie vor der Meinung, dass hieraus – trotz der hohen Kosten – ein deutlicher und langfristig anhaltender Vorteil für die Wirtschaft und die Bürger in VS entstehen wird.“

Dagegen äußerten sich der Ortsverband und die Gemeinderatsfraktion der Grünen in Villingen-Schwenningen in einer Presseerklärung „entsetzt über die Gedankenlosigkeit, mit der 10,4 Millionen für den Neubau einer fragwürdigen Zubringerstraße ausgegeben werden.“

Zum tatsächlichen Nutzen des Zubringers bestünden durchaus unterschiedliche Meinungen. Je nach Lage im Industriegebiet und Anfahrtsrichtung sei die heutige Zufahrt sogar kürzer. Schätzungen sprechen im besten Fall von sechs Minuten Zeitersparnis. Auch die gerne ins Feld geführte Entlastung der Schwenninger Innenstadt vom Schwerlastverkehr dürfte sich nach Meinung der Grünen in Grenzen halten, da der gesamte Verkehr von Süden, Norden und Osten – insbesondere auch von der A 81 – schon heute nicht durch die Innenstadt fährt. „Die gesamte Konzeption für den Zubringer ist über 20 Jahre alt und stammt aus einer Zeit, als der Neubau von Straßen als Allheilmittel gesehen wurde“, kritisieren die Grünen.

Unstrittig sei bei allen Fraktionen im Gemeinderat jedoch, dass die jetzt genehmigte Ausführung sehr kostspielig und völlig überdimensioniert sei. Warum man in diesem Fall eine extrem kostenaufwendige, kreuzungsfreie Ausführung samt vier Auffahrtsspuren und Brücke anstatt eines deutlich günstigeren Kreisverkehrs brauche, bleibe ein Geheimnis, zumal auf der B532 oberhalb und unterhalb der neuen Einmündung normale Kreuzungen oder Kreisverkehre bestünden.

Wie kurzsichtig das Agieren der Befürworter des Projektes ist, so schreiben die Grünen weiter, habe sich am Mittwoch bei der Haushaltsberatung des Gemeinderates gezeigt. Klaus Martin, Fraktionsvorsitzender der CDU im Gemeinderat, habe dem im Stadtentwicklungskonzept vorgesehenen Ausbau des Schwenninger Museumsquartier rund um das Bürk-Areal eine Abfuhr erteilt, weil für die erforderlichen zehn Millionen Euro im Haushalt kein Spielraum sei. Die Bürger der Stadt „hätten von einem attraktiven Museumsquartier deutlich mehr profitiert, als von 500 Meter Straße im Gewerbegebiet“, sagt Helga Baur, grüne Stadträtin aus VS-Schwenningen. „Das gilt auch für die Gewerbetreibenden. Der Fachkräftemangel ist ein weitaus größeres Problem für die ortsansässigen Unternehmen als die Verbesserung der Logistik. Ein innovatives Kultur- und Freizeitangebot in VS macht den Standort für potentiell neue Mitarbeiter deutlich attraktiver als eine weitere Straße.“