Gina Würthner ist enttäuscht. Erst vor einem knappen Jahr hat sie ihre Bar mit dem Namen „Varia“ in der Rietstraße eröffnet. Ideal gelegen in der früheren Stadtapotheke, mit viel Platz für eine Außengastro. Jetzt in der warmen Jahreszeit nutzen die Gäste gerne diesen Bereich vor der Bar in der Fußgängerzone.

Allerdings muss Würthner die Außenbewirtung bereits um 22 Uhr schließen. Aus Rücksicht auf die Anwohner, wie ihr am Telefon von der Gewerbeaufsicht mitgeteilt wurde. Dabei hatte sie darauf gehofft, draußen unter der Woche bis 23 Uhr und an den Wochenenden bis 24 Uhr bewirten zu dürfen.

Für Gina Würthner vom Varia in der Villinger Rietstraße ist unverständlich, wieso die Gastronomien in Villingen so unterschiedlich ...
Für Gina Würthner vom Varia in der Villinger Rietstraße ist unverständlich, wieso die Gastronomien in Villingen so unterschiedlich behandelt werden. | Bild: Patricia Beyen

Das sagt die Stadt

Kein abwegiger Wunsch, wo doch in der Sperrzeitverordnung der Stadt unter Paragraph 2 festgeschrieben ist, dass „die Sperrzeit der Freibewirtschaftung von Gaststättenbetrieben während der mitteleuropäischen Sommerzeit um 23 Uhr und in den Monaten Juni bis September an Freitag und Samstagen sowie vor gesetzlichen Feiertagen um 24 Uhr“ beginnt.

Anwohner haben geklagt

Warum die Sperrzeiten so variieren, erklärt die Stadt kürzlich in einer Pressemitteilung: „Zwei vorliegende Gerichtsurteile, welche aus Klagen der Anwohnerschaft resultieren, nehmen die Stadt Villingen-Schwenningen in die Pflicht und wirken sich verschärfend aus“, heißt es darin. Die unterschiedlichen Sperrzeiten für die Außenbewirtschaftung seien mit der berechneten Werten der Lärmprognose zu erklären, heißt es weiter.

Was sich die Stadt wünscht

„Der Gemeinderat hat entschieden, dass keine einheitliche Sperrzeit ab 22 Uhr für alle gelten soll, sondern die Einzelfallbetrachtung herangezogen wird“, so die Pressemitteilung weiter. Die Stadt würde sich jedoch wünschen, dass für alle die gleichen Sperrzeiten von 23 beziehungsweise 24 Uhr gelten.

„Ich kann versichern, dass die Vorgehensweise für uns kein Vergnügen ist“, wird Oberbürgermeister Jürgen Roth zitiert. „Wir sitzen hier als Stadt zwischen den Stühlen.“

Gleiches Recht für alle gefordert

„An sich stört mich die Sperrzeit um 22 Uhr nicht“, so Gastronomin Würthner. „Aber ich will fair behandelt werden. Entweder es müssen alle um 22 Uhr schließen oder alle um 23 beziehungsweise 24 Uhr.“ Viele Gäste würden sie verduzt anschauen, wenn sie ihnen erklärt, dass sie um 22 Uhr die Außenbewirtung schließen muss. „Da fehlt mir dann auch der Umsatz.“

Weil die Gäste es dann vorziehen, gleich in eine andere Bar zu gehen, die länger geöffnet bleiben darf. „Das macht es jungen Unternehmen, die versuchen, hier Fuß zu fassen, sehr schwer“, sagt die Unternehmerin. „Dabei sind junge Unternehmen doch die Zukunft.“

Für Murat Gökcimen vom Apero in der Niederen Straße ist es die erste Sommersaison. Während gegenüber noch gefeiert wird, muss er schon ...
Für Murat Gökcimen vom Apero in der Niederen Straße ist es die erste Sommersaison. Während gegenüber noch gefeiert wird, muss er schon seine Terrasse zumachen. | Bild: Patricia Beyen

„Das ist Wettbewerbsverzerrung“

Auch „Apéro“-Chef Murat Gökcimen regt sich auf. Erst im November vergangenen Jahres hat er seine Bar in der Niederen Straße eröffnet, hat in einladende Terrassenmöbel investiert.

Aber schon beim Abendflair habe er gemerkt, wie unfair es sei, wenn der Nachbar von Gegenüber länger draußen öffnen dürfe als er. „Das ist Wettbewerbsverzerrung“, sagt Gökcimen.

Die Lösung: Gebühren mindern?

Sein Vorschlag: „Wenn die Neukonzessionen schon benachteiligt werden, dann muss die Stadt hier gleichzeitig die Gebühren richtig runter setzen.“ Wer weniger lange draußen bewirten dürfe, sollte auch weniger dafür zahlen müssen, so der Gastronom. „Das ist wie im Zug: Da zahlt man für die zweite Klasse auch weniger als für die erste.“

Das Apéro in Villingen hat offiziell nur bis 21 Uhr geöffnet. So meidet Inhaber Murat Gökcimen unangenehme Gespräche mit den Gästen zur ...
Das Apéro in Villingen hat offiziell nur bis 21 Uhr geöffnet. So meidet Inhaber Murat Gökcimen unangenehme Gespräche mit den Gästen zur Schließzeit seiner Terrasse. Denn eigentlich hat er länger auf und würde auch die Terasse gerne länger bewirtschaften. | Bild: Patricia Beyen

„Das versteht keiner“

Um Diskussionen bei den Gästen zu vermeiden, hat Gökcimen schon seine offiziellen Öffnungszeiten angepasst: bis um 21 Uhr sei das Apéro geöffnet. Wer um kurz nach 21 Uhr zu ihm käme werde natürlich trotzdem bedient, schließlich habe er die Erlaubnis, bis 22 Uhr draußen bewirten zu dürfen. Aber bis die Gäste sich gesetzt hätten und ihre Getränke bestellt und erhalten hätten, müssten sie schon fast wieder gehen. „Das versteht doch keiner.“

Von 24 Uhr auf 22 Uhr verkürzt

Vor dem gleichen Problem steht auch Florin Alidema. Er hat im Januar 2024 die Gaststätte „Don Antonio“ in der Färberstraße übernommen. Vergangenen Sommer durfte er seine Außengastro unter der Woche noch bis 23 Uhr und an den Wochenenden bis 24 Uhr betrieben. Diesen Sommer ist bereits um 22 Uhr Schluss. Zumindest draußen.

„Irgendwo hat sich wohl ein Nachbar beschwert, dass die Gäste zu laut sind“ sagt Alidema. „Das stimmt aber nicht“, ist er überzeugt. „Wir sind weder eine Disco noch eine Bar, sondern ein ganz normales Restaurant.“ Gegen die neue Auflage hätte er Einspruch einlegen können. Er hat jedoch kapituliert.

Das Restaurant „Don Antonio“ in der Villinger Färberstraße hatte schon früher mit Anwohnerbeschwerden zu kämpfen. Bis 22 Uhr darf ...
Das Restaurant „Don Antonio“ in der Villinger Färberstraße hatte schon früher mit Anwohnerbeschwerden zu kämpfen. Bis 22 Uhr darf aktuell hier geöffnet bleiben. | Bild: Patricia Beyen

Ungleichbehandlung stößt sauer auf

Trotzdem findet es der Gastronom ungerecht, dass andere in der Straße weiterhin bis 23 beziehungsweise 24 Uhr geöffnet haben dürfen. Seine Küche sei zwar bis 22 Uhr geöffnet. Bei schönem Wetter wollten die Gäste jedoch draußen sitzen.

Wenn das nicht ginge, würden sie ein anderes Restaurant ansteuern, erzählt der Wirt. „Und zeigen dann mit dem Finger, dass es zehn Meter weiter sehr wohl geht.“ Das sorge für Ärger auf beiden Seiten. „Mit Gleichbehandlung hat das schon lange nichts mehr zu tun“, so der Wirt.

„Streit führt zu nichts“

Michael Steiger, selbst Gastronom, zweiter Kreisvorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Vorsitzender der Fachgruppe Gastronomie im Landesverband und Vorsitzender des Dehoga-Beirats Gastronomie im Bundesverband, sowie Stadtrat (FDP), beobachtet die Entwicklungen mit Sorge.

„Uns zu streiten, führt zu nichts. Wir müssen da eine gemeinsame Lösung finden.“ Gleichzeitig sei er ratlos, wie dieses Problem zu lösen sei. „Wir können das vor Ort nicht lösen. Ich wüsste nicht, wo der richtige Lösungsweg ist.“

Michael Steiger ist Gastronom und FDP-Stadtrat.
Michael Steiger ist Gastronom und FDP-Stadtrat. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Keine schnelle Lösung in Sicht

Es sei nicht erklärbar, wieso es zwei verschiedene Sperrzeiten gebe. „Es ist nicht gerecht, was das Gericht sagt“, formuliert es Steiger. Damit werde benachteiligt, wer seine Konzession später stelle. Und wer seine Terrasse kürzer öffnen dürfe.

Aber mit dem Gerichtsurteil seien der Stadt die Hände gebunden, eine Lösung so schnell nicht greifbar, so der Gastronom und Stadtrat. Die einzige einheitliche Lösung wäre, dass alle ihre Außengastro um 22 Uhr zumachen müssten, so Steiger. „Aber das wollen doch die Gastronomen und Gäste auch nicht.“

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