Fußball-Bezirksliga: Bereits sechs Trainer mussten oder wollten in der laufenden Bezirksliga-Saison ihren Hut nehmen (am Montag kam sogar Nummer sieben hinzu). Das sind zu diesem Zeitpunkt der Spielzeit auffallend viele. Zum Vergleich: In der Bundesliga, die in Sachen Trainerentlassungen als deutlich überhitzter gilt als die Amateurligen, kam es an diesem Wochenende erst zur dritten Entlassung, in der Bezirksliga Schwarzwald gab es lediglich einen Rücktritt. Ein Muster ist bisher zu erkennen: Mit ihren Nachverpflichtungen haben die Bezirksligisten meist eine gute Wahl getroffen.

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Wenn ein Verein seinen Trainer freistellt, kann das verschiedene Gründe haben. Neben fehlenden Punkten und schlechten Leistungen der Mannschaft spielen auch Aspekte abseits des Platzes eine Rolle, wie Andreas Piller, Sport-Vorstand beim 1. FC Rielasingen-Arlen erzählt. „Da gehören verschiedene Faktoren dazu. Identifiziert sich der Trainer mit dem Verein? Wie ist die Stimmung im Team? Wie ist der Trainingsbesuch?“, erklärt Piller, der in der zweiten Mannschaft seines Vereins als erster Bezirksliga-Club die Reißleine zog.

Frühe Entlassung auf der Talwiese

Bereits nach dem ersten Spieltag, nach einer 0:5-Klatsche beim SV Mühlhausen, trennte sich der Oberligist bei seiner zweiten Mannschaft von Sven Gräble. „Das war keine einfache Entscheidung“, versichert Piller. „Ich möchte die Schuld für schlechte Ergebnisse nicht allein auf den Trainer schieben. Sven Gräble hat hervorragende Arbeit geleistet. Die Luft war dann aber irgendwann raus.“ Nachdem Ante Barjasic die Talwiesen-Elf zwischendurch für sechs Spiele übernahm, folgte Neno Rogosic als neuer Cheftrainer.

Neno Rogosic, Trainer beim 1. FC Rielasingen-Arlen II.
Neno Rogosic, Trainer beim 1. FC Rielasingen-Arlen II. | Bild: Fischer, Eugen

Er stabilisierte die Mannschaft und steigerte vor allem den Ertrag in der Offensive. 2,6 Tore erzielt Rielasingen im Schnitt pro Partie, das ist fast ein Tor mehr als noch in der Vorsaison unter Gräble. Piller: „Neno Rogosic hat Ruhe und Disziplin reingebracht, die Trainingsbeteiligung hat sich um 30 bis 40 Prozent erhöht. Das sieht man auch an den sportlichen Leistungen.“ Bis Saisonende ist das Engagement von Rogosic in Rielasingen terminiert, Gespräche über eine Verlängerung gibt es derzeit noch nicht. Mit Rogosic hat der Verein jedoch ein gutes Gefühl.

„Glücksgriff“ mit Wilhelmsen

Dieses hatte der Türk. SV Singen nach vier Spieltagen nicht. Nach nur einem Punkt entließen die Hohentwieler, einer der Aufstiegsfavoriten, Neno Rogosic und installierten Fabian Wilhelmsen als Nachfolger. Was seitdem passiert, ist ein nahezu perfekter Marsch durch die Liga: 31 von 33 möglichen Punkten in elf Spielen, dazu ein Torverhältnis von 43:7, Singen ist wieder ein Spitzenteam.

Fabian Wilhelmsen hat für frischen Wind beim TSV Singen gesorgt.
Fabian Wilhelmsen hat für frischen Wind beim TSV Singen gesorgt. | Bild: privat

„Dass es so gut läuft, hätte ich nicht gedacht“, sagt der Teammanager Sigi Özcan. „Fabian ist ein Glücksgriff. Wie er das Ding angepackt hat, ist überragend.“ Als Schlüssel für den Erfolg sieht Özcan eine taktische Umstellung hin zu mehr Offensivkraft: „Fabian hat das für uns perfekte System gefunden.“ Ursprünglich war eine Zusammenarbeit bis zur Winterpause geplant, mittlerweile ist aber klar, dass Wilhelmsen auch in der Rückrunde an der Seitenlinie stehen wird.

Fink gewinnt die Kellerduelle

Auch der SV Bermatingen darf sich in seiner Entscheidung, nach sieben Spielen Damir Alihodzic durch Michael Fink zu ersetzen, bestätigt fühlen. Alihodzic holte nur drei Punkte, Fink hingegen in acht bereits 13.

Michael Fink coacht den SV Bermatingen. Er gilt als Vereinslegende.
Michael Fink coacht den SV Bermatingen. Er gilt als Vereinslegende. | Bild: SV Bermatingen

Im Schnitt kassiert der SVB nun nur noch 2,3 statt zuvor 3,1 Gegentore. Und am allerwichtigsten ist: Die Duelle gegen die direkten Konkurrenten im Kampf um den Klassenerhalt wurden nahezu alle gewonnen. Exemplarisch dafür steht der 3:2-Sieg am Sonntag gegen den SV Deggenhausertal.

Livgökmen bringt „frischen Wind“

Beim Gegner stand ebenfalls ein neuer Trainer an der Linie. Für Bahadir Livgökmen war es das dritte Spiel im Deggenhausertal, drei Punkte stehen dabei auf der Habenseite. Einem Sieg gegen Worblingen folgten Niederlagen gegen Anadolu und Bermatingen, weshalb der Club nicht aus dem Keller kommt.

Bahadir Livgökmen, Trainer des SV Deggenhausertal.
Bahadir Livgökmen, Trainer des SV Deggenhausertal. | Bild: Fischer, Eugen

Auch wenn Livgökmen im Vergleich zu Vorgänger Dieter Koch, der freiwillig seinen Posten räumte, noch deutlich weniger Spiele absolvierte, erntet der 44-Jährige Lob seines Vereinsvorsitzenden. „Er ist sehr engagiert und hat frischen Wind in die Mannschaft gebracht. Auch wenn er in der Kürze der Zeit bisher nur an Kleinigkeiten arbeiten konnte, stellt er die Mannschaft immer gut auf den Gegner ein“, sagt Benedikt Caspari, der Livgökmen als gute Verpflichtung wertet. „Er hat schon etwas bewegt.“

Smajlovic passt zum Verein

Der einzige Verein, der sich durch den Trainerwechsel statistisch leicht verschlechtert hat, ist der FC Hilzingen. Dort musste Sascha Jauch (1,8 Punkte pro Partie) nach zehn Spieltagen gehen. Es folgte Seo Smajlovic, der in vier Spielen – darunter gegen zwei Topteams – sechs Zähler holte (1,5 pro Partie). Während das Jauch-Team eine stabile Defensive mit nur 1,8 Gegentoren pro Spiel auszeichnete, kassierte Hilzingen mit Smajlovic bereits 17 Kisten, davon 13 gegen Konstanz und Öhningen.

Seo Smajlovic, neuer Trainer des FC Hilzingen.
Seo Smajlovic, neuer Trainer des FC Hilzingen. | Bild: privat

Danach folgten jedoch deutlich stabilere Leistungen bei den Siegen gegen Steißlingen und Rielasingen, weshalb der Sportliche Leiter Stefan Hägele ein positives Zwischenfazit zieht. „Die Leistungen zeigen, dass es in der Mannschaft stimmt. Seo ist nah am Team dran. Es scheint zu passen.“ Anfangs war Smajlovics Engagement bis zur Winterpause abgemacht, Hägele kann sich aber eine Fortsetzung vorstellen. „Eine Verlängerung ist nicht auszuschließen. In der Pause werden wir Gespräche führen.“

Anadolu überbrückt mit Agbike

Viele Gespräche hat der FC Anadolu Radolfzell in den vergangenen Wochen bereits geführt. Nachdem dort Yasin Colak Ende Oktober zurückgetreten war, leiteten Bülent Babür und in den vergangenen Wochen Spieler Emmanuel Agbike die Mannschaft aushilfsweise. Eine klare Trendwende ist bei den Radolfzellern dadurch noch nicht zu erkennen, weshalb der Verein in Kürze eine neue, feste Lösung für den Trainerposten präsentieren will.

Ist bei Anadolu Radolfzell übergangsweise eingesprungen. Emmanuel Agbike.
Ist bei Anadolu Radolfzell übergangsweise eingesprungen. Emmanuel Agbike. | Bild: Peter Pisa

Fazit: Auch wenn es beim ein oder anderen Verein für ein Ziehen der Reißleine sehr früh schien, gilt mittlerweile festzuhalten: Völlig daneben lag keiner der fünf Clubs, die in dieser Saison bisher einen neuen Trainer verpflichteten. Im Gegenteil: Vier der fünf Teams haben sich dadurch statistisch zum Teil deutlich verbessert (Stichwort Singen!), und auch in Hilzingen ist man mit der Arbeit des neuen Coaches zufrieden. Die Rückrunde wird zeigen, ob auch der SC Konstanz-Wollmatingen mit seinem durchaus überraschenden Wechsel Erfolg haben wird. Es dürfte jedenfalls sicher nicht lange dauern, bis die Bundes- die Bezirksliga in Sachen Trainerentlassungen eingeholt hat.