Mariam Oboladze spielt Fußball. Zentrales Mittelfeld, Rechtsfuß, stark im Dribbling und Abschluss. Beim BSV Nordstern Radolfzell ist sie Spielführerin bei den B-Mädchen, die seit dieser Saison in der Verbandsliga antreten.
Mariam ist gut, richtig gut. Und da inzwischen fast überall eine Videokamera mitläuft, kamen in den vergangenen Monaten einige Clips zusammen, auf denen die 17-Jährige zeigt, was sie auf dem Fußballplatz kann.
„Mein Onkel hat mir dann vor einigen Wochen gesagt, ich solle ihm die Videos mal schicken“, erzählt Mariam. Onkel Badri Oboladze hatte nämlich eine Idee, doch davon gleich mehr.

Familie Oboladze stammt aus Georgien. Papa Elguja war in seiner Heimat 22 Jahre lang Soldat, Mutter Rusudan Grundschullehrerin. Vor knapp zehn Jahren beschließt die Familie, in Deutschland neu anzufangen.
„Sie wollten uns eine bessere Zukunft ermöglichen“, sagt Mariam, die acht Jahre alt ist, als sie mit ihren Eltern, der heute 21-jährigen Schwester Nino und dem inzwischen 13-jährigen Bruder Gabriel in Bielefeld ankommt.
Ein neues Leben beginnt
Mariam lernt die neue Sprache, lebt sich ein – und kickt gerne mit den Geschwistern und dem Papa auf der Straße. „Mit elf Jahren habe ich dann im Verein angefangen, zuerst bei den Jungs, später dann in einer Mädchenmannschaft.“
Die Mama sei zunächst nicht so begeistert gewesen, hätte die Tochter lieber in einer anderen Sportart gesehen, „beim Tanzen oder so“, wie Mariam erzählt.
Aber sie hat Talent, und der Mädchenfußball hat in Deutschland eben einen anderen Stellenwert als in Georgien, wo eher Kampfsportarten beliebt sind.

Gute Fußballerinnen sind dagegen eine Seltenheit. Onkel Badri weiß das, weshalb er aus Mariams Clips ein Videos zusammenschneidet und das dem georgischen Fußball-Verband schickt. Er bekommt auch umgehend eine Antwort.
Seine Nichte soll zum Training kommen, was man auf dem Video gesehen habe, sei sehr gut gewesen. Da erst erfahren die Fußball-Gewaltigen in Tiflis, dass Mariam gar nicht in Georgien, sondern in Deutschland kickt, ganz im Süden, denn nach einigen Jahren in Paderborn hat die Familie inzwischen in Singen ein neues Zuhause gefunden.
Die große Überraschung
Die Geschichte hätte an dieser Stelle ein Ende finden können, wäre zu einer netten Anekdote bei Familienfesten geworden, nach dem Motto: „Weißt Du noch, damals, als Dich Onkel Badri fast an die U17-Nationalelf vermittelt hätte.“
Aber die Georgier lassen sich von ein paar tausend Kilometern Distanz nicht abschrecken. „Ich war in der Schule, habe in der Pause das Handy eingeschaltet – und sofort kam eine Nachricht nach der anderen mit Glückwünschen an. Ich wusste zunächst gar nicht, warum“, erzählt die Realschülerin.
„Und dann rief mich meine Schwester an und hat mir erzählt, dass Onkel Badri sich gemeldet habe, dass ich nominiert wurde, obwohl die Trainer bislang ja nur Videos von mir gesehen haben, dass ich nach Tiflis zur U17-Nationalmannschaft berufen wurde.“
Ein Traum wird wahr
Ein Schock sei das zunächst gewesen, dann kamen „mir Tränen vor Freude“. Flug, Unterkunft, Verpflegung übernimmt der Verband. Jérôme Ernsberger bekommt wenige Tage später das offizielle Schreiben des georgischen Fußball-Verbands mit der Bitte, die Spielerin für ein Trainingslager und die anstehenden Spiele der EM-Qualifikation auf den Färöer Inseln abzustellen.
„Mich freut das riesig für sie, das ist ein tolles Abenteuer. Wir fiebern alle mit“, sagt der Nordstern-Jugendleiter.

Im rauen Norden stehen nun Spiele gegen Rumänien (17. März), die Gastgeber (20. März) und Lettland (23. März) an, der Gruppensieger qualifiziert sich für die Endrunde in Schweden.
Mariams Abenteuer beginnt bereits am Montag mit dem Flug nach Georgien. Ihre Verwandten wollen sie am Flughafen abholen und am nächsten Tag zum Vorbereitungslehrgang nach Tiflis fahren. Dann geht es darum, sich für Einsatzzeiten zu empfehlen.
„Ich lasse das auf mich zukommen“, sagt die 17-Jährige, die von der Ekkehard-Realschule Singen freigestellt wurde, obwohl sie in diesem Jahr die Mittlere-Reife-Prüfung absolvieren und danach Sozialpädagogin werden möchte.
„Ich bin schon sehr ehrgeizig und will natürlich zeigen, was ich kann.“ Denn in echt ist Mariam mindestens so gut wie auf Videos, von denen es schon bald einige mehr geben könnte – eben mit Clips von der EM-Qualifikation auf den Färöer Inseln.